Outfits zum G-7-Gipfel:Ein Loblied auf die Lederhose

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So laufen die Oberbayern auch im 21. Jahrhundert rum: Mit Gamsbart und Krachlederner. (Foto: imago/Christian Mang)

Ist es peinlich, dass Bayern sich beim G-7-Gipfel als Land der Trachtler präsentiert hat? Ist es zu viel Bayerntümelei? Nein. Alles andere wäre Verkleidung gewesen.

Kommentar von Sebastian Beck, Krün

Der Gipfel neigt sich dem Ende zu, nun werden im Internet und in Büros die wahren, die wichtigen Fragen diskutiert: Darf Deutschland in der Welt von Menschen in Dirndln und Lederhosen repräsentiert werden? Ist das nicht schlimmste Bayerntümelei? Muss man sich jetzt schämen?

Tatsächlich gab es in den Medien seit dem Papstbesuch im Jahr 2006 keine so hohe Gamsbartdichte mehr wie am Sonntag, als Barack Obama in Krün eintraf. Wenn etwas vom Gipfel in Erinnerung bleibt, dann das: der strahlende US-Präsident mit seinem Weißbier inmitten der Trachtler. Die Sonne scheint auch noch dazu, und vom Wettersteingebirge leuchten die Firnfelder herab. Das ist die maximale Dosis Oberbayern, die man einem Besucher verabreichen kann.

Oskar Maria Graf lief sogar in New York mit der Krachledernen rum

Insofern ist dieser Teil der Inszenierung voll aufgegangen, und die Krüner haben gerne dabei mitgespielt. Sie mussten sich dafür nicht einmal umziehen: An Feiertagen sehen sie immer so aus. Jenen Menschen, die von Bayern keine Ahnung haben, ist nur schwer zu vermitteln, was der Unterschied zwischen Bayerntümelei und Bayern ist, zumal die Einheimischen es damit selbst nicht so genau nehmen. Oskar Maria Graf, der Schriftsteller vom Starnberger See, hat seine Landsleute dafür geschmäht, dass sie sich für andere zum Deppen machen. In seinem New Yorker Exil lief der Sozialist Graf in der kurzen Krachledernen aus seiner Heimat herum, allein schon aus einer angeborenen Widerständigkeit heraus. Oskar Maria Graf war ein Individualist, neben dem die Pseudo-Hipster aus dem Münchner Glockenbachviertel ziemlich durchgefönt und angepasst aussehen.

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Glosse von Sebastian Beck

Man kann sich diverse Metallteile durch den Körper schießen und die Haare gelb oder lila färben lassen - wenn man in dem Aufzug zu einer Versammlung der Linken oder Grünen geht, kein Problem. Ein Dirndl aber würde als anstößig wahrgenommen. Das wäre eine echte Provokation, subversiv geradezu. Die Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl mokierte sich, als CSU-Staatssekretärin Dorothee Bär im vergangenen Jahr einmal im Dirndl auf der Regierungsbank des Bundestags saß: "Die Bayern finden's passend", schrieb sie, "der Rest der Welt rückständig."

Im südlichen Oberbayern trägt man Tracht auch im Alltag

Dabei war Bärs Dirndl echt fesch, keine billige Oktoberfest-Kluft aus China, sondern ein Gewand, mit dem man sich auch in Krün jederzeit blicken lassen könnte. Menschen aus Norddeutschland möchten es kaum glauben, aber es ist wahr: Im südlichen Oberbayern tragen die Einheimischen auch im 21. Jahrhundert ganz selbstverständlich Tracht. Sie laufen damit einfach so auf der Straße herum. Das hat zwei Gründe: Erstens sieht es ziemlich cool aus. Eine Lederhose verwandelt selbst die dürrsten Haxen in halbwegs männliche Beine. Und ein blumengeschmückter Dirndlausschnitt hat noch jede Sexismus-Debatte überstanden. Der zweite Grund: Sie machen es schon seit 200 Jahren so, und nur weil ein Obama kommt, muss man sich nicht in den Hochzeitsanzug zwängen. Zumal die meisten eh in Lederhose und Dirndl geheiratet haben, was denn sonst.

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Ja, es war ein großes Trachtenspektakel in den Bergen. Wenn man es genau nimmt, trugen die Antifa-Trommler im Protestcamp auch nur ihre Tracht. Bloß dass die nicht 200 Jahre lang halten wird und auch sonst wenig hermacht.

Darf also Deutschland in der Welt von Dirndl- und Lederhosenträgern repräsentiert werden? Ja. Ist das schlimmste Bayerntümelei? Nein. Muss man sich jetzt schämen? Nein.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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