Naturschutz:Daheim bei den Luchsen

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Einmal noch blickte Hotzenplotz zurück, dann verschwand er im Unterholz des Steinwaldes. Dank eines Funkgeräts am Halsband weiß Eberhard von Gemmingen-Hornberg, wo er sich aufhält. (Foto: BvG-H)
  • Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind Luchse in Bayern ausgerottet.
  • Die beiden Raubkatzen Fee und Hotzenplotz leben im oberpfälzischen Steinwald unter dem Schutz des Waldbesitzers.
  • Jetzt sollen die beiden Stammeltern einer neuen Population in Nordbayern werden.

Von Christian Sebald

Ein verwunschener Mittelgebirgsrücken mit dunklen Fichtenwäldern, leise gluckernden Bächen und wuchtigen Felspartien aus Granit, die Zipfeltannenfelsen oder Katzentrögel heißen: Das ist der Steinwald in der nördlichen Oberpfalz, direkt an der Grenze zu Oberfranken. Die höchste Erhebung hier ist die 946 Meter hohe Platte. Auf ihr thront der Oberpfalzturm. Von ihm aus hat man einen weiten Blick über das stille Land hinauf nach Norden ins Fichtelgebirge und nach Süden in den Oberpfälzer Wald hinein. Östlich der Platte ragt die Burgruine Weißenstein aus dem Fichtenmeer. Wer Abgeschiedenheit und Stille sucht, der ist hier richtig. Aber nicht nur deshalb ist der Steinwald ein Naturparadies. Er ist außerdem das Revier von Fee und Hotzenplotz.

Fee und Hotzenplotz, das sind zwei Luchse. Und zwar zwei besondere. Denn sie streifen frei im Steinwald umher. Frei lebende Luchse gibt es im Freistaat bisher nur im Bayerischen Wald. Sie stammen von einigen Raubkatzen ab, die dort in den Siebziger- und Achtzigerjahren ausgewildert worden sind. Der Bayerwald liegt 120 Kilometer Luftlinie vom Steinwald entfernt. Außerhalb des Bayerischen Walds sind Fee und Hotzenplotz die einzigen Luchse im Freistaat in freier Wildbahn. Naturschützer setzten große Hoffnungen in das dreijährige Weibchen und das zwölf Monate junge Männchen. Sie sollen die Stammeltern einer neuen Luchs-Population in Nordbayern werden. Vom Steinwald aus sollen sich die Raubkatzen in alle Himmelsrichtungen ausbreiten.

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Wie Wölfe und Bären waren Luchse einst weit verbreitet in Bayern. Doch die Raubtiere sind seit alters her wenig gelitten. Die Jäger betrachteten sie als Konkurrenten um Rehe und andere Beute, die Bauern fürchteten um ihre Nutztiere. Also wurde rücksichtslos Jagd auf Luchse, Wölfe und Bären gemacht, Mitte des 19. Jahrhunderts waren sie alle ausgerottet, im Steinwald wie im übrigen Bayern. Erst seit Kurzem breiten sich die - nun streng geschützten - Raubtiere allmählich wieder aus.

Doch nach wie vor wollen viele Jäger und Bauern die Raubtiere nicht dulden. Das zeigt das Schicksal der Luchse im Bayerischen Wald. In den vergangenen Jahren stellten Wilderer den Raubkatzen nach, sowie sie das Umfeld des Nationalparks verließen - mit Gewehren, Gift und Schlingen. Die Luchs-Population im Bayerwald stagniert seit Jahren, Naturschützer befürchteten sogar ihr Erlöschen. Erst seit die Polizei die Wilderei verfolgt, erholt sich die Population offenbar. Zwar haben die Ermittler bisher keinen Wilderer dingfest machen können. Aber die Furcht vor Entdeckung ist offenbar groß in der Szene.

Im Steinwald sind Luchse willkommen. Das zeigt sich an den verspielten Namen Fee und Hotzenplotz, die sie den Raubkatzen gegeben haben. Letzterer spielt natürlich auf den gutmütigen Räuber an, den der Autor Otfried Preußler erfunden hat. Aber es geht viel tiefer. Dass die Luchse im Steinwald willkommen sind, hat mit Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg zu tun. Die von Gemmingen sind ein altes, weit verzweigtes Adelsgeschlecht, das ursprünglich aus dem gleichnamigen Ort bei Heilbronn stammt. Gemmingen-Hornbergs Familie kam Anfang des 20. Jahrhunderts in den Steinwald und zwar durch Heirat. Seither lebt sie in dem Steinwald-Ort Friedenfels und bewirtschaftet einen weitläufigen Besitz mit 3000 Hektar Wald. Gemmingen-Hornberg zählt zu den großen Waldbesitzern in der Region.

Wie es dem Klischee eines Adligen entspricht, ist Gemmingen-Hornberg ein leidenschaftlicher Jäger. Allerdings einer mit einem ungewöhnlichen Credo. "Wer Wald besitzt, hat die soziale Pflicht, ihn robust und intakt an künftige Generationen weiterzugeben", sagt Gemmingen-Hornberg. "Das betrifft nicht nur den Wald mit seinen Bäumen, sondern auch die Wildtiere." Zu den Wildtieren, die sorgsam gehegt und gepflegt werden müssen, zählt Gemmingen-Hornberg natürlich Wildschweine, Hirsche und Rehe, so wie das alle Jäger tun. Aber auch Eulen, Uhus, Raufußkäuze und andere streng geschützte und sehr seltene Tierarten. Und Luchse.

Die jungen Luchse fühlen sich wohl im Steinwald

Luchse sogar ganz besonders. Gemmingen-Hornberg ist seit jeher fasziniert von den Raubkatzen. Das hat nicht nur damit zu tun, dass sie ein individuell geflecktes Pelzkleid tragen, sodass ein jeder Luchs allein an ihm erkennbar ist. Es liegt auch daran, dass Luchse mit bis zu Tempo 70 durch den Wald sprinten, eine Maus bereits hören, wenn sie noch 50 Meter entfernt ist, und so gut sehen, dass ihnen auch nachts kein Beutetier entgeht. Selbst dass so ein Luchs aufs Jahr gesehen ungefähr 50 Rehe jagt und vertilgt, stört Gemmingen-Hornberg nicht. Schon in den Neunzigerjahren hat er den "Arbeitskreis Luchs in Nordbayern" gegründet. Seither bereitet er mit Jägern, Bauern, aber auch Touristikern und anderen die Rückkehr der Raubkatzen in den Steinwald vor.

Von alleine sind Fee und Hotzenplotz allerdings nicht in den Steinwald gewandert. Beide sind verwaiste Tiere aus dem Bayerischen Wald. Sie mussten erst hochgepäppelt werden, bevor sie Gemmingen-Hornberg in seinen Wäldern freilassen konnte. Hotzenplotz war arg zerzaust, als er sich Ende Oktober 2017 an einer Jagdhütte im Bayerischen Wald immer wieder über Jagdabfälle hermachte. Die junge Raubkatze wurde eingefangen, in einem Zoo einquartiert und dort über Monate hinweg gepflegt und gefüttert. Erst diesen April wurde Hotzenplotz in den Steinwald gebracht und an einem besonders stillen Ort in die Freiheit entlassen. Einmal noch blickte er zurück zu Gemmingen-Hornberg, dann verschwand er im Unterholz.

Hotzenplotz fühlt sich wohl im Steinwald. Ebenso Fee, die schon im Sommer 2016 aus dem Bayerischen Wald in die nördliche Oberpfalz verfrachtet worden ist. Die Fotofallen, die Gemmingen-Hornberg überall in seinem Wald hat aufstellen lassen, liefern regelmäßig Aufnahmen von der Luchsin. Hotzenplotz wird sogar per Funk überwacht. Er trägt dazu ein spezielles Halsband, das später einmal von alleine abfallen wird. Noch aber kann er darüber jederzeit geortet werden. So hat Gemmingen-Hornberg feststellen können, wann der Jung-Luchs sein erstes Reh erbeutet hat und wie viele Tage es gedauert hat, bis er es verspeist hatte.

Und natürlich hat Gemmingen-Hornberg auch mitbekommen, dass sich Fee und Hotzenplotz bereits begegnet sind. Freilich ohne Folgen. Denn Hotzenplotz ist noch zu jung für eine Paarung. Außerdem war die Ranzzeit gerade vorbei, als er freigelassen wurde. Schon im nächsten Frühjahr aber könnte es klappen mit dem ersten Luchs-Nachwuchs im Steinwald. Da ist Gemmingen-Hornberg zuversichtlich.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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