Oberfranken:Bamberger CSU-Fraktionschef beendet seine Denkpause

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Das Fischerstechen auf der Regnitz gehört traditionell zur Sandkerwa. (Foto: dpa)

Die hatte sich Helmut Müller selbst verordnet, nachdem er die Teilnehmer der Sandkerwa pauschal als saufendes Prekariat bezeichnete. Nun teilte er der Fraktion mit, dass er wieder mit dem Denken zu beginnen gedenke.

Kolumne von Olaf Przybilla

Wenn man ehrlich ist, braucht Bamberg keine Werbung mehr. Wer sich am Wochenende einmal durch die Welterbestadt geschoben hat, dem fällt unweigerlich der König der Molosser ein, der die Römer zweimal besiegte, dabei aber so verheerende Verluste erlitt, dass er seufzte: Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!

Auf den Ort in Oberfranken bezogen heißt das: Noch so ein Sieg an der Front, die in Bamberg "Tagestourismus" heißt, und die Stadt verliert fundamentale Teile jenes Charmes, der sie ausmacht. Es wird einfach zu eng. Und das nicht nur während des Altstadtfestes, das auf den Namen "Sandkerwa" getauft wurde.

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Von Olaf Przybilla

Um dieses hat sich im Frühling ein führender CSU-Politiker der Stadt tiefschürfende Gedanken gemacht. Helmut Müller, Fraktionschef seiner Partei im Stadtrat, desavouierte sämtliche Festteilnehmer pauschal als saufendes Prekariat. Rein politstrategisch dürfte das nicht die dümmste Idee in der mehr als tausendjährigen Geschichte der Domstadt gewesen sein. Aber doch kurz davor.

Die eigene Fraktion fiel dann über Müller her, seine Beschimpfung Hunderttausender Gäste hat sich schon jetzt ins Gedächtnis der Stadt eingebrannt. Der neueste Clou: Eine Band, deren Sänger sich als "harter Asi" vorstellt, aber völlig anders wirkt, findet mit einer Hymne großen Anklang, deren Refrain in etwa ahnen läss, was Müller angerichtet hat: "Wir sind die niedersten Schichten, die größten Säufer im Prekariat."

Gut, das klingt jetzt alles nicht nach Werbung für Bamberg. Wie aber Müller nach seiner ultimativen Publikumsbeschimpfung die Sache für sich wieder ins Lot bekommen hat, das darf man doch als Musterbeispiel bewundern, wie einer politisch überleben kann, obwohl er eigentlich keine Chance mehr hatte.

Müller machte es so: Er beschimpfte sich demonstrativ selbst, legte dazu eine offizielle "Denkpause" ein, die der eine oder andere als Rücktritt missdeutet haben mag, die Müller aber eher als Abstinenz von Repräsentationsaufgaben verstanden wissen wollte. Und nach vier Wochen teilte er seiner Fraktion fröhlich mit, dass er nun wieder mit dem Denken zu beginnen gedenke. Und also wieder Fraktionschef ist. So geht das. Kommunalpolitiker, schaut auf diese Stadt!

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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