Manching:Flüchtlingskinder aus Transitzentrum dürfen reguläre Schule besuchen

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200 schulpflichtige Kinder leben zurzeit in den Transitzentren.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)
  • Wenn Flüchtlingskinder aus dem Transitzentrum Manching gut genug Deutsch sprechen, um dem Unterricht zu folgen, können sie künftig eine Regelschule besuchen.
  • Das hat die Regierung von Oberbayern nun beschlossen, nachdem ein Richterspruch ihre bisherige Praxis in sechs Fällen für rechtswidrig erklärt hatte.
  • Der Flüchtlingsrat hatte nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts eine Klagewelle angekündigt - für alle vier bayerischen Transitzentren.

Von Andreas Glas und Anna Günther, Manching

Die Regierung von Oberbayern gibt den Widerstand auf: Künftig könnten weitere Flüchtlingskinder, die im Transitzentrum Manching bei Ingolstadt leben, doch in eine Regelschule gehen. Die Voraussetzung ist, dass sie gutes Deutsch sprechen, um sich am Unterricht beteiligen zu können.

Hintergrund dieser Kehrtwende ist ein Richterspruch aus dem vergangenen Januar, der die bisherige Praxis der Regierung von Oberbayern in sechs Fällen für rechtswidrig erklärt hatte. Offenbar um weitere Klagen zu vermeiden, prüft die Regierung nun auch andere Fälle, in denen Familien beantragt hatten, dass ihre Kinder reguläre Schulen besuchen dürfen.

Den Gerichtsbeschluss, der die bisherige Praxis ins Wanken bringt, hat der Münchner Rechtsanwalt Hubert Heinhold erstritten - für drei Familien aus Kosovo, deren Kinder bereits Regelschulen und den Kindergarten besucht hatten. Im Transitzentrum in Manching sollten die sechs Buben und Mädchen dann nur noch Sprachunterricht in der Unterkunft bekommen. Die Asylanträge der Eltern wurden abgewiesen, die Klagen dagegen laufen. So lange müssen Familien eigentlich in den Transitzentren und die Kinder in den Sprachlernklassen bleiben.

Anwalt Heinhold sieht in den Fällen eine Präzedenzwirkung. Dagegen will das Kultusministeriums von einem Richtungswechsel nichts wissen. Man orientiere sich am Beschluss des Verwaltungsgerichts, das neben den guten Deutschkenntnissen auch den Asylstatus der Kinder angesprochen hatte: Bei den Asylverfahren dieser Familien handelt es sich nicht um beschleunigte Verfahren. Doch genau dafür waren die Transitzentren errichtet worden. Daher bezweifelte das Gericht sogar, ob die Familien zu Recht dort untergebracht sind. "Für jedes Kind müssen im Einzelfall diese beiden Kriterien angewandt werden", sagte nun ein Ministeriumssprecher.

Ähnliche Voraussetzungen sieht Heinhold nun bei zwei weiteren Kindern aus Kosovo, die seit 2016 in Manching leben. Nach dem SZ-Bericht über den Beschluss des Verwaltungsgerichts waren deren Eltern auf den Rechtsanwalt zugekommen. Zudem führt er mit zwei anderen Familien Gespräche. Eine weitere Niederlage vor Gericht will die Regierung von Oberbayern diesmal wohl vermeiden. Noch bevor Anwalt Heinhold die Eilanträge für das Mädchen und den Buben stellen konnte, meldete sich die Bezirksregierung bei ihm. "Ich sollte Namen nennen, weil die Regierung nicht noch einen Rechtsstreit brauche", sagt Heinhold.

Die Prüfung ging schnell. Das Ergebnis: Der Bub darf in den normalen Unterricht gehen, die kleine Schwester sei aus Sicht des Ministeriums noch nicht so weit. Sie könne zu wenig Deutsch, um sich am Unterricht zu beteiligen, sagt der Anwalt, "aber falls die Eltern darauf bestehen, darf auch das Mädchen in die Regelschule gehen". Die Regierung habe ihm gesagt, künftig Einzelfälle prüfen zu wollen.

Es könnte also viel Arbeit auf die Behörden zukommen. Der Flüchtlingsrat hatte nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts eine Klagewelle angekündigt - für alle vier bayerischen Transitzentren.

Fünf weitere Einzelfälle liegen bereits auf den Schreibtischen der Regierung von Oberfranken. In Bamberg haben Eltern aus Russland den Regelschulunterricht für ihre fünf Kinder beantragt, die dort in der besonderen Aufnahmeeinrichtung leben. Sie bekamen Unterricht nur "in der Lagerschule, die auf diese Kinder nicht zugeschnitten ist", sagt deren Anwältin Christine Wagner. Wie in den Manchinger Fällen können auch sie gut Deutsch und waren bereits in einer regulären Schule, bevor sie in die Einrichtung kamen. Ebenso wie in den Zentren in Manching, Deggendorf und Regensburg erlaubte der Freistaat nur eingeschränkten Unterricht - ausnahmslos.

Heinhold geht allerdings davon aus, das der Beschluss des Verwaltungsgerichts auf jedes vierte Kind in diesen Zentren anwendbar ist. Momentan leben 300 berufsschulpflichtige junge Erwachsene und mehr als 200 schulpflichtige Mädchen und Buben in den Zentren. 47 Kinder davon allein in Manching, 89 in Bamberg. In die Schule gehen derzeit nur die sechs jungen Kosovaren, die vor das Verwaltungsgericht gezogen waren. Schulpflichtig sind alle Flüchtlingskinder, die länger als drei Monate in Deutschland leben.

Asylhelfer der Transitzentren in Deggendorf und Regensburg glauben grundsätzlich, dass es vergleichbare Fälle auch bei ihnen geben könnte. Allerdings leben dort vor allem Asylbewerber aus Sierra Leone, Aserbaidschan oder Äthiopien, die noch nicht lange in Deutschland sind und die Sprache erst lernen müssen.

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