Landratswahl:In Dillingen wäre wohl sogar Horst Seehofer chancenlos

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Leo Schrell will wieder Landrat werden. In Dillingen zweifelt auch niemand an seinem Sieg. (Foto: LKR Dillingen)

Der amtierende Landrat Leo Schrell von den Freien Wählern ist so beliebt, dass die CSU nicht einmal einen eigenen Kandidaten aufstellt.

Von Stefan Mayr, Dillingen

Die CSU kann bei einer Wahl auch einen Besenstiel aufstellen, der kriegt trotzdem die meisten Stimmen. Dieses ungeschriebene Wahlgesetz hatte in vielen Gegenden Bayerns Jahrzehnte lang Gültigkeit. Im Landkreis Dillingen sind diese Zeiten inzwischen vorbei.

Mehr noch, das Besenstiel-Axiom wurde hier sogar komplett ins Gegenteil gedreht: Dort könnte die CSU wahrscheinlich sogar Horst Seehofer aufstellen oder ein anderes Kabinettsmitglied, sie alle hätten null Chancen gegen den amtierenden Landrat Leo Schrell von den Freien Wählern.

Am Sonntag wird dort der neue Landkreis-Chef gewählt, und die CSU hat es von Haus aus bleiben lassen, einen Kandidaten zu nominieren. Wie auch die SPD und die Grünen.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: In Bayern ist Landratswahl und die CSU macht wegen Chancenlosigkeit nicht mit. Hat es das überhaupt schon einmal gegeben? Was ist da los in Dillingen? Ein Anruf bei der CSU fördert ungewöhnliche Töne zutage.

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"Wir sind mit der Arbeit des Herrn Schrell im Großen und Ganzen zufrieden", sagt Johann Popp, der Vorsitzende der CSU-Kreistagsfraktion. Wie bitte? Der Oppositionsführer lobt den Amtsinhaber wenige Tage vor der Wahl? Das ist schon sehr bemerkenswert. Vor allem, wenn man bedenkt, wie extrem zerstritten CSU und Freie Wähler zu Beginn von Schrells Amtszeit waren.

Der favorisierte Winter wurde mit 29,7 Prozent geradezu abgewatscht

Als Leo Schrell im Jahr 2004 erstmals ins Amt gewählt wurde, waren die Fetzen aufs Allerheftigste durch den Landkreis geflogen. Oder besser gesagt: durch die CSU. Nach dem Tod des Amtsinhabers Anton Dietrich (CSU) brach parteiintern ein Hauen und Stechen um dessen Nachfolge aus: Der Landtagsabgeordnete Georg Winter aus Höchstädt wollte unbedingt Landrat werden - und der Buttenwieser Bürgermeister Leo Schrell auch.

Den Machtkampf der CSU-Alphatiere entschied Winter für sich. Daraufhin trat Schrell aus der Partei aus und schloss sich den Freien Wählern an. Er triumphierte gleich im ersten Wahlgang mit 53,5 Prozent. Der favorisierte Winter wurde mit 29,7 Prozent geradezu abgewatscht.

Danach war die Zusammenarbeit zwischen dem FW-Landrat und dem CSU-Abgeordneten zunächst nur bedingt liebevoll. Es gibt auch Berichte, wonach der eine oder andere Prügel zwischen die Beine des anderen geschleudert wurde.

Doch inzwischen hat sich das Verhältnis allem Anschein nach normalisiert. "Unsere Vorstöße sind zuletzt immer aufgegriffen worden", lobt CSU-Kreisrat Popp den Landrat. Der gibt das Kompliment Richtung CSU zurück: "Die Kooperation mit Herrn Winter ist inzwischen sehr gut."

Bei Schrells Wiederwahl 2010 hatte die CSU auf einen eigenen Kandidaten verzichtet

Angesichts derartiger Harmonie ist es kein Wunder, dass der Landkreis prächtig dasteht. Leo Schrell beziffert die Arbeitslosenquote auf "Zweikomma-bissl-was". "Wir haben seit sechs Jahren Vollbeschäftigung", sagt der 58-Jährige. In diversen Rankings zur Lebensqualität und Wirtschaftskraft werde der Landkreis deutschlandweit im Spitzenfeld geführt.

Sogar das vielerorts ewige Problemthema Krankenhaus-Finanzierung habe der Kreistag "über alle Fraktionsgrenzen hinweg" gut gelöst. Und jüngt ergab eine SPD-Anfrage an die Staatsregierung, dass der Landkreis Dillingen im bayernweiten Vergleich die besten Staatsstraßen hat. Wahrscheinlich gibt es nirgendwo in ganz Deutschland so wenige Schlaglöcher wie zwischen Gundelfingen, Wertingen und Bissingen.

Schon bei Schrells Wiederwahl 2010 hatte die CSU auf einen eigenen Kandidaten verzichtet, Georg Winter hatte offenbar keine Lust auf eine weitere Niederlage. Schrell erhielt bei einer Gegenkandidatin der Grünen 83,7 Prozent der Stimmen. Diesmal ist der einzige Gegenkandidat ein Republikaner, Schrells Wiederwahl gilt als gesichert.

Bei der nächsten Wahl im Jahr 2020 wäre der Vater dreier Söhne 64 Jahre alt, er könnte dann ein viertes Mal kandidieren oder in Ruhestand gehen. Der CSU wäre sicherlich letzteres lieber. Auch wenn in Dillingen niemand mehr an die Besenstielregel glaubt.

© SZ vom 03.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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