Konsequenzen der Wahlen:"Die SPD in Bayern ist belanglos geworden"

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Ziehen rote Fähnchen noch oder markieren sie verlorenes politisches Terrain? Die SPD verliert im Landkreis weiter an Zustimmung. (Foto: Johannes Simon)

Nach den beiden verlorenen Wahlen spricht die Parteiführung von einer "Trendwende nach oben" - das sehen Politiker an der Basis anders: Viele finden das Ergebnis durchwachsen. Doch zum Verhalten von Partei-Rebell Michael Adam gehen die Meinungen auseinander.

Bei beiden Wahlen hat die Bayern-SPD ihre Ziele nicht erreicht - und dennoch danach von einer Trendwende gesprochen. An der Basis wird nun der Unmut stärker, dazu stichelt Partei-Rebell Michael Adam. Die Führung reagiert. In einer E-Mail wandten sich unter anderem Parteichef Florian Pronold, Spitzenkandidat Christian Ude und Fraktionschef Markus Rinderspacher gemeinsam an alle bayerischen Mitglieder. Die SPD gehe "als führende Oppositionsfraktion gestärkt in die neue Legislaturperiode". Vor einer möglichen Koalition im Bund müssten auf alle Fälle die Mitglieder gefragt werden, heißt es weiter. Doch die Partei diskutiert noch über andere Fragen.

Von Katja Auer, Heiner Effern, Frank Müller, Olaf Przybilla, Andreas Roß und Wolfgang Wittl.

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Karl-Theodor zu Guttenberg war der Stimmenkönig bei der Bundestagswahl 2009. Seine Nachfolgerin in Kulmbach heißt Emmi Zeulner, im elterlichen Wirtshaus tat sie sich als Ersatzfrau beim Schafkopfen hervor. Die 26-Jährige ist aber nur eines von vielen neuen bayerischen Gesichtern in Berlin. Eine Übersicht.

Herbert Müller, ehemals parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion aus Memmingen: "Das Wahlergebnis ist ein absolutes Desaster, das leider schon wieder schöngeredet wird. Das Dramatische daran ist, dass es der SPD seit 2003 nicht gelungen ist, Konsequenzen aus ihren Wahlniederlagen zu ziehen. 1998 wurde Renate Schmidt noch zum Rücktritt gedrängt, weil die SPD gegenüber der Wahl von 1994 von 30 auf 28,7 Prozent abgerutscht war. Heute sind wir bei der Landtags- und Bundestagswahl bei mickrigen 20,6 beziehungsweise 20 Prozent - und nichts passiert. Aber Presse und Öffentlichkeit interessiert das überhaupt nicht mehr, weil die SPD in Bayern belanglos geworden ist. Das ist das Schlimmste, was man über eine Partei sagen kann. Wenigstens Landrat Adam hat das Problem klar angesprochen. Ein fröhliches ,Weiter so, Hauptsache die Posten sind gesichert' kann nicht die Strategie der SPD sein. Adams Tabubruch ist in meinen Augen viel harmloser als das gemeinsame Schweigen und Schönreden des Machtkartells in der Partei. Wenigstens in Berlin sollte die SPD jetzt selbstbewusst in die Verhandlungen über eine große Koalition gehen und mit den richtigen Ministerien in den nächsten vier Jahren unsere Politik den Bürgern verdeutlichen."

Peter Schönfelder, SPD-Ortsvorsitzender in Gersthofen: "Die 20 Prozent sind wohl unsere Stammkundschaft. Wenn Christian Ude vor fünf Jahren angetreten wäre, hätten wir wahrscheinlich sehr viel mehr erreicht. Aber ich bin zufrieden. Wäre Landrat Adam in Schwaben, würde ich mich in den Gremien dafür einsetzen, dass der Dampfplauderer aus der Partei ausgeschlossen wird. Die SPD sollte in Berlin die große Koalition wagen. Aber es darf nicht sein, dass unsere Minister für die Kanalarbeiten zuständig sind und die Union und die Kanzlerin für die Wohltaten."

Eduard Sommer, langjähriger Stadt- und Kreisrat im Landkreis Günzburg: "Das Wahlergebnis ist keine Trendwende, ich hätte mir mehr erwartet. Aber was Landrat Adam gemacht hat, ist eine Sauerei. Er sollte auch mal daran denken: Bei der CSU wäre er nie Kandidat und somit auch nie Landrat geworden."

Michael Bischoff, SPD-Gemeinderat im fränkischen Cadolzburg: "Was sich da zwischen Adam und Pronold abspielt, das ist mir zu viel High Noon. Möglicherweise gehören solche Abrechnungsgeschichten zur Folklore. Aber ich gebe doch zu bedenken: So was hinterlässt persönliche Beschädigungen. Und ich frage mich, ob da ein gutes Beispiel abgegeben wird."

Christine Negel e, Kreisvorsitzende in Miesbach: "Das Ergebnis ist erschütternd. Wir sind noch alle platt. Ein Weiter so kann es nicht geben. Die Personalsituation ist aber nicht so berauschend. Ein Problem ist, dass der Landeschef in Berlin ist und die Landtagsabgeordneten aus Oberbayern fast alle aus den Städten kommen. Die Basis auf dem Land wird kaum gehört. Die Kritik von Adam ist nicht neu, in manchen Teilen hat er Recht. Im Bund war es ein Fehler, Rot-Rot-Grün auszuschließen."

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German Hacke r, SPD-Bürgermeister von Herzogenaurach: "An den 20 Prozent gibt es nichts schönzureden, Zufriedenheit sieht anders aus. Aber eine Personaldebatte? Ich glaube nicht, dass man irgendeinem Verantwortlichen in der Bayern-SPD einen Vorwurf machen kann. Und wenn Adam etwas auszusetzen hat und glaubt, das öffentlich sagen zu müssen: Bitteschön, wir sind ein freies Land. Persönliche Befindlichkeiten interessieren mich nicht."

Jonas Merzbacher, SPD-Bürgermeister von Gundelsheim: "Lokal bin ich zufrieden, weil es unser Kandidat in den Bundestag geschafft hat, aber sonst fehlen mir die Worte. Es ist schon bitter, dass wir zu vielen Regionen keinen Zugang mehr haben. Im Bund wünsche ich mir jetzt eine schwarz-grüne Koalition. Nicht, weil ich die SPD schonen will. Aber es kann doch keine Lösung sein, wenn jetzt alle nach einer großen Koalition rufen und dadurch die Gruppierungen an den Rändern durch die Opposition stärken. Wie sich Michael Adam verhält, geht gar nicht. Natürlich kann jeder wählen, was er will, aber dass er sich auch noch dafür feiern lässt, ist für mich nicht nachvollziehbar."

Eberhard Grötsch, SPD-Chef in Würzburg: "Herr Adams Verhalten ist unmöglich. Und es ist auch blöd: Wenn er seine lokale Abgeordnete in Berlin hätte sehen wollen, hätte er mit der Zweitstimme SPD wählen müssen. Ein Wechsel an der bayerischen SPD-Spitze halte ich nicht für notwendig. Erstens bringen personelle Rochaden nicht immer was und zweitens müssten wir uns fragen: Durch wen sollte da denn die Spitze ersetzt werden? Ich bin gegen eine große Koalition in Berlin, auch wenn wir sie am Ende, der Staatsräson wegen, vielleicht doch eingehen."

Ewald Straßer, SPD-Kreisvorsitzender in Deggendorf: "Jeder in der Partei weiß, dass das Ergebnis besser ausfallen hätte müssen. Trotzdem sehe ich einen positiven Trend. Florian Pronold hat im Wahlkampf keine Fehler gemacht. Zur Kritik von Michael Adam an ihm gebe ich keinen Kommentar ab, ich habe zu beiden ein gutes Verhältnis."

Kurt Seggewiß, Oberbürgermeister von Weiden: "Die Kritik von Michael Adam halte ich für unklug, damit macht er sich in der Partei nicht beliebt. Außerdem hat er mit ihr auch nicht recht. Florian Pronold hat im Rahmen seiner Möglichkeiten gekämpft, ich kann ihm nichts vorwerfen. Immerhin haben wir die Kehrtwende geschafft, wenn auch in geringem Umfang. Im Bund, so fürchte ich, werden wir in den sauren Apfel der großen Koalition beißen müssen."

Thomas Asböck, stellvertretender Juso-Landeschef aus Eggenfelden: "Als persönlicher Freund von Michael Adam bedaure ich sehr, dass er keinen anderen Weg gefunden hat, um seinen Protest zu artikulieren - auch wenn seine Kritik gerechtfertigt ist. Es gibt bestimmt andere Möglichkeiten, als CSU zu wählen, damit tut man sich keinen Gefallen in der Partei. Wir haben zwar dazugewonnen, aber insgesamt ist das Ergebnis zu mager, um als Opposition ernst genommen zu werden. Pronold ist im Wahlkampf kaum aufgefallen, was nicht unbedingt schlecht gewesen sein muss."

Jutta Geldsetzer, Ortsvorsitzende in Peißenberg: "Ich bin total geschockt, ich verstehe diese bürgerliche Mehrheit nicht. Wir sollten die Schwarzen jetzt mal alleine machen lassen. Die große Koalition hat uns schon mal nach unten gezogen. Ich weiß nicht, ob man hier in Bayern gleich nach neuen Personen schreien muss. Pronold ist natürlich nicht unumstritten, aber der Landesverband hat in den letzten Jahren die Ortsvereine gut unterstützt. Bei Adam war ich anfangs beeindruckt, was der geschafft hat. Was er jetzt macht, ist nicht schön."

© SZ vom 25.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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