Klage von Skitourengehern:Hang zum Streiten

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Tourengeher-Träume: Einsamkeit auf abgelegenen Pisten - aber da muss man erst mal hochkommen. Zum Beispiel über gespurte, lawinensichere Pisten. (Foto: dpa)

Die Ski-Szene Bayerns ist entzweit: In vielen Gebieten dürfen Tourengeher nicht mehr über die Pisten aufsteigen. Mancherorts werden Bußgelder von bis zu 1000 Euro angedroht. Doch jetzt ziehen die Skibergsteiger gegen die Verbote vor Gericht.

Von Christian Sebald

So einen enthusiastischen Skibergsteiger wie Robert Herz trifft man selten an. Egal ob es stürmt oder schneit, der 50-jährige Garmischer ist draußen, wann immer es geht, am liebsten in seinen Hausbergen oberhalb von Garmisch-Partenkirchen. So wie viele andere Skibergsteiger ist Herz jahrelang über die Pisten des Garmischer Classic-Skigebiets aufgestiegen, um auf abgelegenere Gipfel zu gelangen. Und er hat regelmäßig in dem Skigebiet trainiert.

Nun soll er all das nicht mehr tun dürfen. Die Zugspitzbahn, der Markt und das Landratsamt haben - mit Ausnahme einer Aufstiegsspur - das Skibergsteigen im Classic-Gebiet verboten. "Der Andrang der Tourengeher wurde zu stark", sagt Peter Huber, der Chef der Zugspitzbahn und Vorsitzende des Verbandes Deutscher Seilbahnen (VDS). "Die Gefahr ist zu groß, dass es zu einem schlimmen Unfall mit einem unserer Skigäste kommt." Herz und andere Tourengeher akzeptieren das Verbot nicht, sie klagen dagegen. Demnächst findet die erste Verhandlung statt.

Was auf den ersten Blick aussieht wie eine Fehde im notorisch streitsüchtigen Garmisch-Partenkirchen, entzweit die Ski-Szene in ganz Bayern. Denn das Pistengehen - wie das Skibergsteigen in den Skigebieten auch genannt wird - ist seit etlichen Jahren der Trendsport im Winter. In vielen Regionen sind die Pistengeher aber nicht willkommen. Nicht nur in Garmisch, auch am Brauneck und in vielen anderen Skigebieten gelten für sie Verbote, teilweise mit Bußgeldandrohungen von bis zu 1000 Euro. Die Klagen gegen die Garmischer Sperrung gelten deshalb als Präzedenzfälle mit Auswirkungen für ganz Bayern.

Das Skibergsteigen war lange die Königsdisziplin des Skisports - schon wegen der immensen Kondition, die man für die Aufstiege braucht, und der großen Erfahrung, die wegen der Lawinengefahr nötig ist. Außerdem galt es als Sport für Individualisten, vor allem älteren Tourengehern ist der Rummel in den Skigebieten ein Graus.

Der Nachwuchs sieht all das ganz anders. Für Jüngere ist Skibergsteigen oft ein Ausgleichssport, eine Art Winterjoggen. Und da schätzen sie es sehr, dass die Aufstiege in den Skigebieten nicht so steil sind wie am freien Berg. Außerdem herrscht auf Pisten keine Lawinengefahr. So beliebt ist Pistengehen, dass Sportläden im Oberland inzwischen oft mehr Geschäfte mit Skitouren-Ausrüstungen machen als mit Alpin-Skiern. Und in kleineren Skigebieten soll es inzwischen Tage geben, an denen mehr Pistengeher unterwegs sind als Abfahrer.

Skipisten: Freie Natur oder Sportstätten?

Es war ein Donnerschlag in der Szene, als die Bergbahnen vor drei Jahren die ersten Skigebiete für Pistengeher sperrten. Wie VDS-Chef Huber begründeten sie die Verbote mit den "unkalkulierbaren Gefahren", die sonst den Abfahrtsläufern drohten. Dabei dürfte ihnen bewusst gewesen sein, dass sie sich auf dünnem Eis bewegen. Skipisten gelten als freie Natur, zu der nach der bayerischen Verfassung jeder Erholungssuchende das Recht auf Zugang hat.

Im Umweltministerium und im Deutschen Alpenverein (DAV) sehen sie die Sperrungen deshalb sehr kritisch. Schon vor den Gerichtsverhandlungen wollte der Seilbahnverband die Einwände denn auch per Rechtsgutachten entkräften. Demnach sind Skigebiete keineswegs freie Natur, sondern Sportstätten, deren Betreiber eine Art Hausrecht gegen Störenfriede haben.

Das ist freilich nicht die einzige Kritik an den Sperrungen. Auch mit den Gefahren ist das offenbar so eine Sache. Bislang ist jedenfalls kein einziger schwerer Unfall zwischen einem Pistengeher und einem Alpinfahrer oder Snowboarder dokumentiert. Das sagen zumindest Insider beim DAV, die sich freilich offiziell nicht damit zitieren lassen. Beim DAV ist man vielmehr um Ausgleich bemüht. So hat man eigens Regeln für Pistengeher entwickelt. Und in zähen Verhandlungen haben die DAV-Männer Hanspeter Mair und Manfred Scheuermann erreicht, dass pro Skigebiet wenigstens eine Aufstiegsspur eingerichtet wird. Vor gerade mal acht Wochen verkündeten sie mit dem VDS-Chef Huber, dass sie ihr Werk vollbracht hätten.

Schon damals war klar, dass der Frieden brüchig ist. Nicht nur weil sich viele Pistengeher nicht an die ausgehandelten Aufstiegsspuren halten und dort den Berg hochstapfen, wo sie es schon immer taten. Sondern weil die Gräben zwischen VDS-Chef Huber und den Skitourensportlern um Herz längst so tief sind, dass in Garmisch ein Kompromiss nicht mehr möglich war.

Was die Aussichten der Klage angeht, geben sich Huber, aber auch Vertreter des Marktes und des Landratsamtes wortkarg. Die Sperrungen seien für die Sicherheit der Alpinfahrer unerlässlich, ist das Einzige, was sie unablässig wiederholen. Der Skitourensportler Herz hingegen gibt sich kämpferisch. "Es geht um unser Recht auf freie Betretung der Natur", sagt er. "Wir lassen nicht so schnell locker."

© SZ vom 05.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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