Fremde Tier- und Pflanzenarten:Neu im Revier

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Asiatische Marienkäfer an den Hauswänden und Kanadagänse im Schlosspark: Viele Tier- und Pflanzenarten sind einst übers Meer nach Europa gekommen - und haben sich hier inzwischen etabliert. Eine Übersicht.

Von Christian Sebald

Sonnenbarsch

Ursprünglich stammt der Sonnenbarsch aus Nordamerika. (Foto: Tino Strauss/Wikipedia)

Als Aquarienfisch ist er wegen seiner Farbenpracht sehr beliebt - mit perlmuttfarben bis grünblau schimmernden Querbinden auf seinem Leib und nicht minder markanten roten, gelbroten, blauen und smaragdfarbenen Tupfern. Bauch und Kehle sind kräftig orange gefärbt, die Flossen grün bis gelb. Ursprünglich stammt der Sonnenbarsch (Lepomis gibbosus) aus Nordamerika. Als Zierfisch wurde die Art im 19. Jahrhundert nach Europa importiert. Aber weil der Sonnenbarsch nicht nur Larven, Krebse und andere Kleintiere frisst, sondern sich auch über kleinere (Aquarien-)Fische hermacht, werden viele Aquarianer seiner schnell überdrüssig. Deshalb landet so mancher Sonnenbarsch in dem einen oder anderen See, sagen zumindest die Angler. Die Baggerseen rund um München sind angeblich voller Sonnenbarsche. Im Marzlinger Weiher nahe Freising sollen sie sich besonders wohl fühlen.

Kanadagans

Kanadagänse fühlen sich auch in München wohl. (Foto: dpa)

Es war zwischen den beiden Weltkriegen, als sich in München nahe Schloss Nymphenburg Kanadagänse (Branta canadensis) niederließen. Noch heute erzählen sie sich beim Vogelschutzbund LBV stolz, dass dies die erste Gruppe war, die in Deutschland nachgewiesen wurde. Offenbar ist der Nymphenburger Schlosspark mit seinen vielen Kanälen wie geschaffen für die Wasservögel mit dem auffälligen schwarzen Kopf und dem weißen Kinnband. Kanadagänse sind etwas größer und schwerer als die einheimischen Graugänse. Sie wurden im 17. Jahrhundert aus Kanada und den nördlichen USA eingeführt, als Schmuck für die damaligen Barockgärten. Mit den Graugänsen und den Menschen vertragen sich die zutraulichen Tiere sehr gut. Das einzige Problem ist der Kot. Vielerorts nehmen die Verschmutzungen so überhand, dass Forderungen laut werden, die Bestände zu dezimieren.

Indisches Springkraut

Eine Biene auf der Blüte von Indischem Springkraut. (Foto: picture-alliance/ dpa)

Der Name ist Programm: Das Indische Springkraut (Impatiens glandulifera) produziert Kapseln mit Tausenden Samen pro Pflanze. Sie platzen bei der geringsten Berührung und schleudern die Samen bis zu zehn Meter weit durch die Luft. Kinder machen sich gerne einen Riesenspaß daraus, die Kapseln ein wenig zu drücken und sie so platzen zu lassen. Die Heimat des Indischen Springkrauts ist der westliche Himalaja. Wegen seiner üppigen rosafarbenen, an Orchideen erinnernden und süß duftenden Blüten wurde es 1839 als Zierpflanze nach England importiert. Auch in den Gärten auf dem Festland war es rasch anzutreffen. An vielen Bach- und Flussläufen rund um München und an feuchten Stellen im Hofoldinger Forst und anderen Wäldern bildet die Pflanze sommers ein schier undurchdringliches Gestrüpp.

Asiatischer Marienkäfer

Der Asiatische Marienkäfer kann nicht nur rot, sondern auch mal orangefarben oder gelb sein. (Foto: Michael Hanschke/dpa)

Vergangenen Herbst klebte der Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis) wieder in Scharen an den Hauswänden in München. Kein Zweifel, die Art ist auf dem Vormarsch. In den 1980er Jahren waren die Käfer aus China und Japan nach Belgien eingeführt worden - als Schädlingsbekämpfer in Großgärtnereien. Denn so ein asiatischer Marienkäfer vertilgt bis zu 270 Blattläuse am Tag. Der hiesige Käfer schafft höchstens 50. Doch der Asiatische Marienkäfer war in den Gewächshäusern nicht zu halten. Er brach aus und verbreitet sich unaufhaltsam. Der auffälligste Unterschied zu den heimischen Marienkäfern ist, dass er nicht nur rot, sondern auch mal orangefarben oder gelb sein kann. Und dass er bis zu 19 statt sieben Punkten hat. Das Schlimmste aber ist: Die asiatischen Käfer fressen ihre bayerischen Artgenossen. Manche prophezeien dem heimischen Marienkäfer schon den Untergang.

Amerikanisches Grauhörnchen

Die amerikanischen Tiere sind etwas größer und schwerer als die einheimischen Eichhörnchen. (Foto: Keuchel/dpa)

Viele sehen die Nager aus den Rocky Mountains als große Gefahr für Eichhörnchen. Sie verweisen auf England, wo Amerikanische Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) vor mehr als 100 Jahren als Bereicherung der Artenvielfalt freigesetzt wurden. Nun sind dort die Eichhörnchen fast ausgestorben. Der Münchner Eichhörnchen-Schutz-Verein hält dagegen, bisher habe man in Bayern noch kein Grauhörnchen nachweisen können. Die Arten ähneln sich sehr, auch wenn die amerikanischen Tiere etwas größer und schwerer sind. Am einfachsten lassen sie sich an den Ohren unterscheiden. Die des Eichhörnchens sind spitz und mit Haarbüscheln, die des Grauhörnchens rund und ohne Büschel. Ein Grund, warum Grauhörnchen gefährlich sind für Eichhörnchen, ist das Parapox-Virus. Das Grauhörnchen überträgt den Erreger der "Eichhörnchen-Pocken", ist aber selbst immun gegen ihn.

Riesen-Bärenklau

Der Riesen-Bärenklau wurde im 19. Jahrhundert als Zierpflanze eingeführt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Vorsicht: Der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) kann Menschen krank machen. Sein Saft enthält die Pflanzenstoffe Furanocumarine. Gerät etwas von ihnen auf die Haut, verliert sie ihren UV-Schutz. In der Sonne fangen die Partien an zu brennen und zu jucken, es kommt zu Schwellungen, Blasen und Verbrennungen. Experten des Landesamts für Umwelt raten, Kinder nicht in der Nähe von Riesen-Bärenklau spielen zu lassen. Die Pflanze stammt aus dem Kaukasus, wie das Indische Springkraut wurde sie im 19. Jahrhundert als Zierpflanze eingeführt. Sie breitet sich an Flüssen, Straßen und Wildwechseln aus, man findet sie zum Beispiel am Starnberger See und am Ammersee. Die Stauden werden bis zu fünf Meter hoch. 2008 war der Riesen-Bärenklau Giftpflanze des Jahres.

Asiatischer Laubholzbockkäfer

Gegen diesen Zuwanderer ist kein Kraut gewachsen. Der Asiatische Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis), der in China und Korea daheim ist, macht sich über Birken, Weiden, Rosskastanien und andere Laubbäume her. Die Weibchen legen ihre Eier in ihnen ab, die Larven fressen sich durch den Stamm, bis der Wirtsbaum stirbt. In Feldkirchen bei München hat der Käfer die Leute das Fürchten gelehrt. Seit 2012 wurden dort Parks und Wäldchen gefällt, um ihn zu stoppen. Es hat nichts geholfen. Vor wenigen Wochen entdeckte man den Schädling in Haar. Die 2,5 bis vier Zentimeter kleinen Tierchen haben sehr auffällige schwarz-weiß geringelte Fühler, die doppelt so lang sind wie die Körper. Der Laubholzbockkäfer reist im Holz von Transportpaletten durch die Welt. Hier in Bayern ist er zum ersten Mal vor exakt zehn Jahren aufgetreten - nahe Passau in Neukirchen am Inn.

Schwarzmundgrundel

Die Scharzmundgrundel wird bis zu 25 Zentimeter lang. (Foto: National Digital Library of the United States Fish and Wildlife Service)

Viele Fischer erinnern sich noch sehr gut: Erst kamen die Dreikantmuscheln und die Höckerflohkrebse vom Schwarzen Meer die Donau herauf - im Ballastwasser von Binnenfrachtschiffen. Dann waren auf einmal die ungeheuer gefräßigen Schwarzmundgrundeln (Neogobius melanostomus) da. Die bis zu 25 Zentimeter lange Art mit dem stumpfen Kopf und den dunklen Flecken an den Seiten hat sich binnen weniger Jahre rasant verbreitet - in der Donau, im Main-Donau-Kanal und im Main. 2009 wanderte die Schwarzmundgrundel in die Donau bei Bad Abbach ein. Schon ein Jahr später wurde sie 15 Kilometer flussaufwärts bei Kelheim angetroffen. In manchen Donauabschnitten macht die Art bereits 70 Prozent des Fischbestandes aus. Die einzig gute Nachricht: Der Isar und anderen Donauzuflüssen bleibt der Einwanderer fern - zumindest bisher. Warum, weiß bisher keiner so genau.

Waschbär

Waschbären sind in Nord- und Mittelamerika daheim. (Foto: Lenhard Klimek/dpa)

Natürlich sind sie auch schon in München gesichtet worden, so hat es Stadtjäger Wolfgang Schreyer im BR berichtet. Waschbären (Procyon lotor) gelten als Paradebeispiel, wie schnell sich tierische Einwanderer flächendeckend etablieren. Die bis zu 70 Zentimeter langen Kleinbären mit ihrem dichten schwarz- bis silbergrauen Fell sind in Nord- und in Mittelamerika daheim. In den 1920er Jahren wurden sie nach Deutschland importiert - als Pelztiere. Zehn Jahre später wilderte ein Jäger in Hessen welche aus. Seither breiten sich die Tiere, die vor allem Pflanzen, Würmer und Schnecken fressen, überall aus. In Bayern traf man sie erstmals in den Sechzigerjahren an. Ihren Namen haben die Waschbären von einer Eigenart in Gefangenschaft: Dort halten sie ihr Futter unter Wasser, bevor sie es fressen.

© SZ vom 22.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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