Flüchtlinge in Bayern:Ein Bauernopfer der verschärften Asylpolitik

Flüchtlinge in Bayern: Ahmad Shakib Pouya sollte schon kurz vor Heiligabend abgeschoben werden. Nun hofft er auf ein ähnliches Wunder.

Ahmad Shakib Pouya sollte schon kurz vor Heiligabend abgeschoben werden. Nun hofft er auf ein ähnliches Wunder.

(Foto: Michaela Rehle/oh)
  • Der Afghane Ahmad Shakib Pouya soll Deutschland am Freitag "freiwillig" verlassen.
  • Viele Politiker setzen sich für den Verbleib Pouyas ein und fordern, ihm ein Aufenthaltsrecht zu ermöglichen.
  • Pouya hat in politischen Liedern seine frühere Heimat kritisiert.

Von Dietrich Mittler

Die Bühnenscheinwerfer sind erloschen, die Aufführungen des Singspiels "Zaide" in München beendet, und deren männlicher Hauptdarsteller Ahmad Shakib Pouya ist nicht länger der gefeierte Bühnendarsteller, sondern einzig der Flüchtling aus Afghanistan, der Deutschland nun schleunigst verlassen soll. Entweder "freiwillig" oder - wenn er nicht "freiwillig" geht - per Abschiebung. Folglich liegt Pouyas Ticket für den Flug in die afghanische Hauptstadt Kabul schon bereit: Am Freitag hebt die Maschine ab, 18.30 Uhr definitiv. Ob mit Ahmad Shakib Pouya oder ohne ihn, das steht noch in den Sternen.

Pouya hofft, dass sich das Wunder wiederholt, das ihn kurz vor Heiligabend davor verschonte, in den Flieger nach Kabul steigen zu müssen. In buchstäblich letzter Minute konnte das verhindert werden durch die Vermittlungsarbeit des ehemaligen bayerischen Kultusministers Thomas Goppel. Der CSU-Politiker hatte seine Verbindungen bis hin zum Ministerpräsidenten Horst Seehofer genutzt, um für Pouya einen Aufschub zu bekommen - Aufschub, um dessen Auftritt bei "Zaide" nicht zu gefährden.

Goppel ist beileibe nicht der einzige CSU-Politiker, der sich für den 33-Jährigen einsetzte. Auch der Kelheimer Landrat Martin Neumeyer, als langjähriger Integrationsbeauftragter der Staatsregierung, legte ein Wort für Pouya ein sowie auch der Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl. Claudia Roth, die amtierende Bundestagsvizepräsidentin (Grüne), appellierte am Montag an die verantwortlichen Politiker in Bayern, Pouya ein Aufenthaltsrecht zu ermöglichen: Seit mehr als fünf Jahren tue er alles, um sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, bei Gerichten sei er als Übersetzer gefragt, Altenheime hätten ihm längst einen Job in der Pflege angeboten und, und, und.

"Wenn sich jemand so intensiv wie er um seine Integration bemüht hat, dann ist seine letztlich erzwungene Ausreise ein Signal, dass man diese Menschen einfach nicht integrieren will", sagte Roth. Auf alle anderen Asylbewerber müsse dies wie ein Schlag ins Gesicht wirken. "Die fragen sich doch nun: Warum sollen sie sich noch bemühen, sich hier einzubringen, sich zu integrieren, wenn am Ende der Dank für all das ist, dass man sie in eines der unsichersten Länder der Welt abschiebt", sagte Roth.

Pouyas Leben ist aus Roths Sicht in Afghanistan gefährdet: "In politischen Liedern hat er die Zustände in seiner früheren Heimat kritisiert", und dabei habe er auch das Handeln der Machthaber thematisiert. "Die Taliban werden wieder stärker. Jemand, der sich wie Pouya künstlerisch exponiert, ist da in Afghanistan in höchster Lebensgefahr. In jeder Region dieses Landes", betonte Roth. Schließlich gebe es überall in Afghanistan Internet. "Man kennt dort Pouyas Stimme, man kennt dort sein Gesicht", sagte Roth. Sie appellierte an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, er solle zeigen, "was ein wahrhaftig starker Staat ist - stark an Humanität".

Ob sich Herrmann dazu durchringen kann, bleibt die Frage. Der Süddeutschen Zeitung liegt ein Schreiben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor - gerichtet an die Kollegen in den einzelnen Bundesländern. Darin heißt es: "Spätestens seit dem verheerenden und menschenverachtenden Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016, bei dem zwölf Menschen ihr Leben verloren haben, steht die Abschiebepraxis in unserem Land auf dem Prüfstand."

Weiter ist De Maizière der Ansicht, Abschiebungen "deutlich konsequenter durchführen und fortsetzen zu müssen, als dies bisher der Fall war". Und die Sicherheitslage in Afghanistan könne "jedenfalls nicht als allgemein unsicher bezeichnet werden". Pouyas Unterstützer befürchten längst, dass der 33-Jährige - quasi als Bauernopfer einer verschärften Asylpolitik - das Land verlassen soll. Pouya selbst hat im Augenblick keine Kraft mehr, ans Telefon zu gehen. Seine Freunde sagen: "Er hofft, aber wie lange noch?"

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