Ahmad Shakib Pouya:"Ich danke allen Menschen, die sich für mich eingesetzt haben"

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Der afghanische Künstler Ahmad Shakib Pouya wollte am Donnerstag freiwillig aus Deutschland ausreisen. (Foto: privat)

Der afghanische Künstler Ahmad Shakib Pouya darf vorerst in Deutschland bleiben. Ursprünglich sollte er abgeschoben werden

interview Von Dietrich Mittler

Der afghanische Musiker und Schauspieler Ahmad Shakib Pouya kann nun offenbar doch vorerst in Deutschland bleiben. Pouya stand schon am Frankfurter Flughafen, um "freiwillig" zurück in seine alte Heimat zu fliegen. Er tat dies aus zwei Gründen: Nur so konnte er einer drohenden Abschiebung entgehen, und nur so darf er irgendwann wieder in Deutschland einreisen - zurück zu seiner Partnerin. Pouya sprach mit der Süddeutschen Zeitung über seine Hoffnung, seine Träume, seine Angst.

SZ: Sie haben die vergangenen Nächte kaum schlafen können - und wenn, dann haben Albträume Sie verfolgt. Wie geht es Ihnen jetzt?

Pouya: Ich bin überglücklich, dass ich vorerst bleiben darf. Ich danke allen Menschen, die sich für mich eingesetzt haben.

Wie ging es Ihnen so kurz vor dem drohenden Flug in Ihre alte Heimat?

Klar, Afghanistan ist mein Heimatland, aber für mich fühlte sich das gerade so an, als ob man zur Hölle fährt. Ich weiß nicht, was mir in Kabul passiert wäre.

Was war Ihre größte Befürchtung?

Dass ich jetzt bald in ein Land zurück muss, in dem ich meinen Vater verloren habe, in dem ich meines Lebens nicht mehr sicher war.

Sie haben dort Ihren Vater verloren, was heißt das?

Bis vor meiner Flucht aus Afghanistan habe ich in einem französischen Krankenhaus gearbeitet. Da haben auch Leute, die zu den Taliban Verbindung haben, ihre Verwandten hingebracht. Weil aber dieses Krankenhaus Ausländern gehört, haben die gesagt: "Wenn ihr wisst, dass ihr Menschen nicht helfen könnt, dann gebt ihr ihnen eine Spritze und tötet sie." Auch wenn wir tausendmal widersprochen haben, das wurde uns nicht geglaubt.

Und dann?

In meiner Schicht war eine Patientin, die aus dem Kreis dieser Leute stammte. Zu meinen Aufgaben gehörte es, Daten bezüglich der Patienten aufzunehmen und nach Frankreich weiterzuleiten. Als ich das auch bei dieser Patientin gemacht habe, haben diese Leute mir gesagt: Du arbeitest mit Ausländern, und unser Gericht entscheidet, dass du nicht am Leben bleiben darfst. Dann war ich mit meinen Eltern am Abend zusammen, da kommt plötzlich eine Granate durch ein Fenster ins Haus geflogen. Mein Vater hatte Herzprobleme. Er bekam einen Infarkt - und drei Tage später war er tot, im Krankenhaus gestorben.

War dies das Signal für Sie, Afghanistan zu verlassen?

Ich habe Anrufe bekommen, in denen es hieß: "Wir haben versucht, dich zu töten, aber nun ist dein Vater gestorben. Das war nicht unser Ziel. Wir versuchen es wieder bei dir." Da war mir klar, ich kann nicht in diesem Land bleiben.

Seit damals sind acht Jahre vergangen.

Ja, nur hier in Deutschland habe ich angefangen, politische Lieder zu schreiben über die Zustände in Afghanistan. Über elektronische Medien hat sich das auch dort rumgesprochen. In Afghanistan darf man aber nicht die Wahrheit sagen, wenn es um die politischen Verhältnisse geht - schon gar nicht, wenn im Lied von den Taliban und dem IS die Rede ist.

Warum sollten Sie Deutschland nun so schnell "freiwillig" verlassen?

Die Papiere, die mir die Ausländerbehörde in Augsburg übergeben hat, waren nur bis Donnerstagabend gültig. Wäre ich nicht am Flughafen erschienen, hätte ich mich strafbar gemacht. Aber bis zum Schluss habe ich auf ein Wunder gehofft.

Und nun ist das Wunder eingetreten.

Mein Fall ist bei der Härtefallkommission eingereicht. Die kann sich jetzt hoffentlich für mich einsetzen und mir zu einem Bleiberecht verhelfen. Meine deutschen Freunde sagen mir, dass dies bislang stets einen Schutz vor Abschiebung bedeutete.

Warum aber wollte man Sie abschieben?

Ehrlich gesagt, bis jetzt habe ich das auch noch nicht verstanden. Die Politiker sagen derzeit: "Wir schieben die Kriminellen ab." Ich bin kein Krimineller!

Sie hatten bereits Abschied von Ihren Freunden genommen?

Ja, der Mittwoch war ein Katastrophentag. Die haben alle geweint. Und wie es in mir aussah, das will ich gar nicht sagen ..

. Wer hatte Sie zum Flughafen begleitet?

Meine Frau. Wir sind von einem islamischen Geistlichen getraut worden. Unsere standesamtliche Hochzeit scheiterte daran, dass ein Dokument fehlte. Meine Frau wollte nun mit nach Afghanistan kommen und mit mir ihre freien Tage verbringen.

Sie können wohl bis Mitte Januar bleiben, um bei einer Opernaufführung in München eine der Hauptrollen zu spielen. Die endet damit, dass man Sie abschiebt.

Das war plötzlich mein wahres Leben!

Glauben Sie, dass Anschläge - wie nun in Berlin - den Druck auf Flüchtlinge wie Sie erhöhen?

Ja, leider ist das so. Manche Menschen geben uns nun die Schuld. Dabei sind wir doch vor genau diesem Terror geflohen. Ich sage: Die Leute, die solche Taten begehen, sind keine wirklichen Flüchtlinge! Sie benutzen uns.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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