Fall Mollath:Nürnberger Justiz prüft sich selbst

Der Antrag auf Wiederaufnahme im Verfahren Mollath wird ausgerechnet der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung vorgelegt, unter deren Ägide es einst zu dem umstrittenen Urteil kam. Damit untersucht jetzt dieselbe Justiz, ob das eigene Verhalten korrekt war.

Von Frank Müller und Olaf Przybilla

Im Dezember hat der CSU-Abgeordnete Ernst Weidenbusch im Rechtsausschuss des Landtags eine Frage gestellt. Ob es eine Möglichkeit gebe, mit dem Wiederaufnahmeverfahren in der Sache Mollath eine Staatsanwaltschaft außerhalb des Oberlandesgerichtsbezirks, der bisher mit der Sache befasst war, zu betrauen. So etwas könne "deutlich zur Entspannung auf allen Seiten beitragen".

Was der Rechtsanwalt Weidenbusch im Dezember nicht für möglich gehalten hätte: Dass am Ende nicht nur innerhalb desselben Justizbezirks geprüft wird. Sondern der von der Regensburger Staatsanwaltschaft angefertigte Wiederaufnahmeantrag bei der Justiz in Nürnberg zur Prüfung vorgelegt werden muss. Der CSU-Mann findet das im SZ-Gespräch "mehr als nur unglücklich, dass nun wieder in Nürnberg geprüft wird, ob das eigene Verhalten korrekt war oder nicht: Das geht nicht."

"Offensichtliche Befangenheit"

Die Grünen und die Freien Wähler sehen das wie der CSU-Abgeordnete. Für "absolut inakzeptabel" halten sie es, dass der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg im Verfahren Mollath nun ausgerechnet dem Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich zur Überprüfung vorliege.

Nerlich sei bisher durch "erschreckende Einseitigkeit zu Lasten von Gustl Mollath aufgefallen". Augenfällig sei nicht nur das ständige Bemühen Nerlichs, Mollath als wirren Charakter darzustellen. Auch gehöre der Nürnberger Generalstaatsanwalt zu denen, die "das damalige Nicht-Vorgehen der Ermittlungsbehörden" nach dessen Anzeigen und Hinweisen bis zum heutigen Tag für richtig erklärten.

Mollath hatte sich 2004 zweimal an Nerlich gewandt, als dieser noch Amtsgerichtspräsident in Nürnberg war. Ohne Erfolg. Kürzlich hatte Nerlich als Generalstaatsanwalt der Regensburger Staatsanwaltschaft untersagt, der Presse über den dort entstehenden Wiederaufnahmeantrag Auskunft zu geben. Grüne und Freie Wähler erwarten nun, dass Nerlich "aufgrund offensichtlicher Befangenheit" nicht mit dem Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg befasst wird.

Wohl ohne Erfolg: Das Justizministerium hält dagegen, hier werde versucht, "einen Staatsanwalt öffentlich zu diskreditieren", ohne "auch nur den geringsten Beweis für Befangenheit" Nerlichs vorzulegen. Auch der Sprecher des Generalstaatsanwalts winkt ab: Als Dienst- und Fachvorgesetzter der Staatsanwaltschaft Regensburg trage Generalstaatsanwalt Nerlich "Verantwortung für das Handeln der ihm unterstellten Staatsanwaltschaften".

Dementsprechend sei auch die Prüfung der Wiederaufnahmevoraussetzungen im Fall Mollath "von Beginn an in Abstimmung zwischen der Staatsanwaltschaft Regensburg und dem Generalstaatsanwalt" erfolgt.

"Querulant" und "Spinner"

Im Rechtsausschuss wird sich am Donnerstag der Präsident des Landesamtes für Steuern, Roland Jüptner, erklären müssen. Oppositionsabgeordnete werfen ihm vor, den Ausschuss in der letzten Sitzung belogen zu haben. Jüptner hatte behauptet, es gebe keinen Aktenvermerk, in dem eine Einflussnahme auf das Steuerverfahren schriftlich niedergelegt sei.

Tatsächlich aber wurde Mollath - nach einem Gespräch des Richters Otto Brixner mit dem damaligen Dienststellenleiter der Steuerfahndung Nürnberg-Süd - in Notizen der Behörde als "Spinner" und "Querulant" bezeichnet. Das Gespräch fand 2004 statt, mehr als ein Jahr, bevor der erste psychiatrische Gutachten über Mollath erstellt wurde. Das Landesamt erklärt die Darstellung Jüptners damit, "eine handschriftliche Notiz" sei "kein Aktenvermerk".

Das bringt nun auch die SPD, die sich in der Sache Mollath bislang auffällig zurückgehalten hat, in Rage. "Der Rubikon ist überschritten", sagt SPD-Mann Horst Arnold. Zumal Jüptner in einer internen Stellungnahme ans bayerische Finanzministerium 2012 selbst die Notizen der Steuerfahnder als "handschriftlichen Aktenvermerk" bezeichnet hatte.

Mollaths Hamburger Anwalt Gerhard Strate kommentiert, die Auskunftspflicht der Regierung zur vollständigen und zutreffenden Antwort dem Parlament gegenüber scheine in Bayern "noch nicht überall angekommen" zu sein.

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