Klinikum Erlangen:Schwanger trotz Chemotherapie

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Glücklich: Sandra G. mit Mann, Isabel und Matías. (Foto: Schlieper)
  • 2008 erkrankte Sandra G. aus Nürnberg an Brustkrebs. Sie unterzog sich einer Chemotherapie, zu deren größten Risiken Unfruchtbarkeit gehören.
  • Die Ärzte im Erlanger Uniklinikum wiesen Sandra G. auf die Möglichkeit eines neuen Verfahrens in der Reproduktionsmedizin hin.
  • Vor der Behandlung wurde Eierstockgewebe entnommen, eingefroren und nach der Krebstherapie wieder eingepflanzt. Sandra G. wurde so auf natürlichem Wege schwanger.

Von Katja Auer, Erlangen/Neu-Ulm

Isabel liebt ihren kleinen Bruder. Matías ist der einzige in der Familie, der von ihr Küsschen bekommt, erzählt ihre Mutter Sandra. Dass die Zweijährige vor wenigen Wochen noch ein Geschwisterchen bekommen hat, war nicht selbstverständlich. Denn Sandra G. ist eine medizinische Rarität: Sie ist die erste Frau in Deutschland, die nach einer Brustkrebstherapie unfruchtbar wurde und doch noch zwei Kinder bekam. Die Ärzte am Erlanger Uniklinikum entnahmen der Nürnbergerin vor der Behandlung Eierstockgewebe, froren es ein und pflanzten es nach der Krebstherapie wieder ein. Sandra G. wurde auf natürlichem Wege schwanger. Nun sogar zum zweiten Mal.

"Das ist ein Geschenk", sagt die junge Frau. Ehrfürchtig und dankbar sei sie, sagt sie, auch wenn sie im Alltag manchmal vergesse, wie außergewöhnlich ihr Schicksal ist. So gut geht es ihr inzwischen wieder. Weil sie anderen Frauen Mut machen will, erzählt sie ihre Geschichte.

Der Knoten in der Brust war bösartig, es folgte Chemotherapie

2008, da war sie 28 Jahre alt, erkrankte Sandra G. an Brustkrebs. Sie hat es gar nicht glauben wollen, erzählt sie, noch nie habe es in ihrer Familie einen Fall von Brustkrebs gegeben. Doch der Knoten war bösartig, es folgten Chemotherapie, Operation, Bestrahlung. Und die Prognose, dass sie vielleicht nie Kinder haben würde. Unfruchtbarkeit gehört zu den größten Risiken der Therapie.

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Die Ärzte im Erlanger Uniklinikum wiesen Sandra G. auf die Möglichkeit hin, sich Eierstockgewebe entnehmen und später wieder einsetzen zu lassen. Ohne Garantie freilich. Aber auch ohne größeres Risiko. "Das war der Strohhalm, an den ich mich geklammert habe", sagt sie. Zuvor hatte sie nie von der Möglichkeit gehört, wieso auch, in dem Alter setzt sich kaum eine gesunde Frau mit solchen Fragen auseinander. Deshalb würden alle Krebspatientinnen im Erlanger Klinikum inzwischen auf dieses Verfahren hingewiesen, sagt der Biologe Ralf Dittrich, der Wissenschaftliche Leiter der Reproduktionsmedizin. Zumindest solche, die jünger sind als 35 Jahre.

"Viele wissen nicht einmal, dass sie nach einer Chemotherapie unfruchtbar werden können"

Bei älteren Frauen wird Eierstockgewebe nur ausnahmsweise entnommen, da die Chance stark sinkt, dass sie noch schwanger werden können. "Aber wir nehmen das nicht ganz genau", sagt Dittrich. Viele Patientinnen wüssten nichts von der Methode, sagt er, "viele wissen nicht einmal, dass sie nach einer Chemotherapie unfruchtbar werden können." Aber während der ganzen psychischen Belastung, die eine Krebsdiagnose mit sich bringe, die ja meistens überraschend gestellt wird, könnte es beruhigend wirken, wenigstens den Kinderwunsch nicht direkt aufgeben zu müssen.

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Noch zahlen die Krankenkassen diese Behandlung nicht, sagt Dittrich, dafür wollten sich die Wissenschaftler an der Uniklinik Erlangen aber nun einsetzen. Immerhin sei die Erfolgsquote der Beweis, dass die Methode erfolgreich sei: 21 Frauen sei bis Ende 2013 ihre entnommenes Eierstockgewebe wieder transplantiert worden, sieben davon hätten inzwischen ein Kind geboren. Bis jetzt wurden 39 Frauen behandelt, es werden immer mehr.

Sandra G. hat ihren Matías am Muttertag bekommen. In Neu-Ulm, da sie umgezogen ist. Aber sie hat gleich im Erlanger Klinikum angerufen. "Wir haben uns riesig gefreut", sagt Dittrich.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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