CSU-Parteitag in Nürnberg:Denkzettel für Seehofer

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Beim Parteitag in Nürnberg hält CSU-Chef Seehofer eine kämpferische Rede und lobt die Stärke der CSU. Sie setze wieder Themen durch - gerade in Berlin. Dennoch erhält der 60-Jährige bei seiner Wiederwahl weniger Stimmen als noch vor einem Jahr.

Birgit Kruse, Nürnberg

Plötzlich hat es Karl-Theodor zu Guttenberg eilig. Rasch ergreift er noch einen DIN-A-4-Umschlag, dann setzt er zum Sprint durch die Halle 7 auf dem Nürnberger Messegelände an. Sein Parteichef Horst Seehofer ist gerade ans Rednerpult getreten. Gleich wird er den Mr. Euro der CSU, Theo Waigel, als zweiten Ehrenvorsitzenden nach Edmund Stoiber vorschlagen.

Parteichef Horst Seehofer überreicht Theo Waigel nach dessen Wahl zum Ehrenvorsitzenden der CSU eine Urkunde. (Foto: Foto: AP)

Seehofer hat bereits zu den ersten Lobeshymnen auf den ehemaligen Bundesfinanzminister angestimmt, ihn für seine "Weitsicht" bei der Einführung des Euro und des Stabilitätspaktes gedankt, als Guttenberg in der ersten Reihe ankommt. Rasch nimmt er Platz - wenn auch auf dem Stuhl des CSU-Fraktionschefs Georg Schmid.

Wie alle anderen Delegierten im Saal wählt auch zu Guttenberg Waigel zum Ehrenvorsitzenden. Nur einer enthält sich: Theo Waigel selbst. "Sonst wäre er nicht der Theo", sagt Seehofer. Dass auf der vorbereiteten Urkunde "einstimmig gewählt" steht, wird dem 70-Jährigen sicherlich egal sein.

So eine große Zustimmung bekommt Horst Seehofer bei seiner Wiederwahl zum Parteichef indes nicht. Ihm verpassen die Delegierten einen Dämpfer. Nur 88,06 Prozent der Stimmen kann er auf sich vereinen. Das ist für CSU-Verhältnisse wenig. Vor knapp einem Jahr bekam er noch eine Zustimmung von 90,3 Prozent der Delegierten.

Kämpferische Rede

Seine vier Stellvertreter - Landesgruppenchef Peter Ramsauer, Justizministerin Beate Merk, Landtagspräsidentin Barbara Stamm sowie der frühere EU-Abgeordnete Ingo Friedrich - wurden ebenfalls im Amt bestätigt, wobei Stamm mit 86 Prozent am besten und Merk mit 73 Prozent am schlechtesten abschnitt. Für Irritationen sorgte Ramsauers Ergebnis: Keine drei Monate vor der Bundestagswahl stimmten nur 78,9 Prozent für den Spitzenkandidaten.

Dabei hat sich Seehofer als kämpferischer Parteichef präsentiert. Er zählte auf, was er in den letzten Monaten in Berlin für die CSU alles rausgeholt hat. "Wir setzen uns nicht nur ein für Themen, wir setzen sie auch durch".

In Berlin nichts zu erreichen - dieser Vorwurf wurde dem Tandem Beckstein/Huber immer wieder gemacht. Seehofers Bilanz ist eine andere: "Wir haben alle Ziele, die wir uns gesteckt haben, erreicht", sagt er. Die CSU hat "wieder Selbstbewusstsein", das Vertrauen bei der Bevölkerung sei wieder spürbar. Auch bei der Europawahl habe die CSU ein Ergebnis eingefahren, mit dem kaum einer - nicht einmal er selbst - gerechnet habe.

Zum Auftakt des Bundestagswahlkampfes präsentiert sich Seehofer der CSU als Kämpfer, als einer, dem der Erfolg wichtiger ist als Beliebtheit. "Mir ist nicht so wichtig, dass ich im Ranking ganz oben bin, sondern, dass unsere Familie CSU an der Wahlurne Erfolg hat." Und dass er weiß, wie man Wahlen gewinnt, davon ist Seehofer überzeugt.

Leise Kritik an der Daueropposition

Und auch in der Partei glaubt die große Mehrheit, dass Seehofer der Richtige ist. Seehofer habe vieles erreicht, wo man sagen kann: "Da kann man die bayerische Landschaft lesen", ist zu hören. Dass Seehofer mit seinem Gepolter gegen die große Schwester in Berlin einen "bewährten Weg" einschlage - auch wenn dies andere Strategien künftig nicht ausschließe. Oder, dass Seehofer die Partei wieder zu alter Stärke führen werde.

Anderen geht die Daueropposition in Europa- und Steuerfragen etwas zu weit. "Die Wahl ist geheim, die Rechnung groß", sagt einer seiner Kritiker.

So kam Seehofers Kotau vor denjenigen in der CSU, die er in den letzten Monaten kritisiert oder gar verprellt hat, wohl etwas zu spät. Wenn man immer eisenhart zu sich selbst sei, sagt Seehofer am Ende seiner mehr als einstündigen Rede, fehle es manchmal an dem nötigen Einfühlungsvermögen.

Seitenhiebe gegen die Liberalen

Doch wer glaubt, Seehofer übe sich in einem neuen Kuschelkurs, der irrt. Er poltert nicht nur gegen den politischen Gegner SPD, die man in Bayern "bis auf die Knochen abgefieselt" habe. Auch der Wunsch-Koalitionspartner, die FDP, wird nicht verschont. Man wolle die große Koalition beenden, ruft Seehofer den Delegierten zu, und künftig mit der FDP in Berlin die Geschicke des Landes lenken. Deshalb sei es endlich an der Zeit, auch von den Liberalen eindeutige Koalitionsaussage für die Union zu erhalten.

FDP-Chef Guido Westerwelle wolle sich bislang ein "Hintertürchen" für eine Jamaika-Koalition offen lassen, wirft er ihm vor. Deshalb laviere Westerwelle. Notwendig sei aber ein "klares Bekenntnis" der Liberalen zur Union. Seehofer mahnte, wer eine schwarz-gelbe Koalition wolle, der müsse die Union wählen.

Ob der neue Friede zwischen Parteichef Seehofer und Kanzlerin Merkel bis zur Bundestagswahl hält, wird sich zeigen. "Beide sind Profis genug", sagt ein Vorstandsmitglied. Sie wüssten, dass sie zumindest bis zur Wahl zusammenhalten müssen, wenn sie Erfolg haben wollen. Das gelte vor allem für die Kanzlerin. "Wenn sie ihr Ergebnis optimieren will", so die Überlegung," braucht sie eine starke CSU." Andere sind indes skeptischer. Dieser Friede werde nur so lange halten, bis die CSU wieder eine gute Überschrift brauche.

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Für sein Kabinett hat Seehofer indes Lob im Gepäck: "Ich habe schon viele Kabinette erlebt - aber ich bin stolz auf das bayerische", sagt er und hebt vor allem Söders Engagement in der Gesundheitspolitik hervor. Er habe einen "neuen Faden an die Spule gelegt".

Er erhielt weniger Stimmen als 2008: Horst Seehofer, der alte und neue Parteivorsitzende der CSU. (Foto: Foto: dpa)

Dieses Lob wird Söder bestimmt gut tun. Für ihn ist dieser Parteitag nicht so gut gelaufen. Abstimmen lassen wollte er die fast 1000 Delegierten über einen Kurswechsel beim Dauerthema Donauausbau. Doch nur 12 Delegierte schlossen sich seinem Antrag an. Eine herbe Niederlage für den Minister. Aber auch eine Niederlage mit Ansage.

Noch vor wenigen Tagen hatte man ihn im Parteivorstand davor gewarnt, über den Antrag debattieren zu lassen. Das Gutachten laufe noch, der Donauausbau sei derzeit kein Thema, hat es dort geheißen. So erzählen es Teilnehmer. Man habe ihm auch vorgeschlagen, den Antrag direkt an die Fraktion zu überweisen. Das wollte er nicht.

Doch Söder lässt sich von dieser Schlappe nicht entmutigen. Das wäre auch gegen seine Kämpfernatur. Ein Vierteljahrhundert habe man über den Donauausbau gestritten, man können nun nicht erwarten, das Rad in drei Monaten wieder zurückzudrehen.

Doch für die nächsten elf Wochen steht eines ganz oben auf der Politiker-Agenda: Wahlkampf, Wahlkampf, Wahlkampf. An Urlaub ist da bei den meisten nicht zu denken. Seehofer jedenfalls wird auf Erholung verzichten - übrigens auch auf den regen SMS-Versand an seine Kabinettmitglieder, wie er angekündigt hat.

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