Berge:Unbekannter fällt Gipfelkreuze in bayerischen Alpen

Berge: Deutschlands höchste Straftat im Sommer 2016: Ein unbekannter Mann hat das Gipfelkreuz auf dem 2102 Meter hohen Schafreuter zerstört.

Deutschlands höchste Straftat im Sommer 2016: Ein unbekannter Mann hat das Gipfelkreuz auf dem 2102 Meter hohen Schafreuter zerstört.

(Foto: Deutscher Alpenverein)
  • Ein unbekannter Täter hat in den Bergen bei Lenggries im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen drei Gipfelkreuze umgelegt.
  • Augenzeugen beobachteten ihn: "Der hat sich aufgeführt wie ein wildes Tier."
  • "Der Mann muss was gegen christliche Symbole haben", sagt der Vizechef der Bad Tölzer Polizei

Von Christian Sebald

Es sollte eine ruhige Sommernacht am Schafreuter werden, doch dann waren es ziemlich unheimliche Stunden. Bettina Bahnmüller (Name geändert) ist am Samstagabend mit einer Freundin auf den Aussichtsgipfel am Karwendel gestiegen, um dort zu biwakieren. Nun lagen sie da im Dunkeln unter sternenklarem Himmel auf einem Grasplateau, 20 Minuten unterhalb des Gipfels.

Da ertönten schauerliche Geräusche. "Als ob einer mit voller Wucht etwas einhackt", sagt Bahnmüller, "mal laut, mal leiser." Zwei Stunden ging das so, die Frauen hatten keinerlei Erklärung - oben auf dem 2102 Meter hohen Schafreuter ist man weit über der Baumgrenze. Bis Bettina Bahnmüllers Freundin in die Dunkelheit hinein sagte: "Wenn das bloß nicht der Gipfelkreuz-Hacker ist."

Es war der Gipfelkreuz-Hacker. Sonntagfrüh gegen 6.30 Uhr entdeckten die Frauen den Vandalismus, als sie auf dem Gipfel den Sonnenaufgang genießen wollten. Zwar stand das fünf Meter hohe Gipfelkreuz aus Eichenholz noch aufrecht in der Morgensonne. Aber oberhalb der Stahlschienen, mit denen es im Boden verankert war, klaffte eine tiefe Kerbe. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Kreuz umkrachen würde. "Da war noch ein junger Einheimischer auf dem Gipfel", sagt Bahnmüller. "Er war genauso geschockt wie wir - mit so was rechnet doch keiner."

Es ist das dritte Mal, dass der Gipfelkreuz-Hacker zugeschlagen hat - und wieder in den Bergen bei Lenggries (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen). Das erste Mal legte er um Pfingsten herum ein Holzkreuz an der Dudl-Alm um. Die Dudl-Alm liegt im Längental, nahe der Benediktenwand. Die Almbauern entdeckten den Vandalismus erst, als sie die Weiden für das Vieh herrichteten.

Sie meldeten den Fall nicht, zumindest liegt der Polizei keine Anzeige vor. Anders am letzten Juli-Wochenende am Prinzkopf, gleich neben dem Schafreuter. Der Fall ist aktenkundig. Da beobachteten zwei Hirten den Unbekannten, wie er das Gipfelkreuz fällte. Auch sie waren von den Axtschlägen aufgeschreckt worden. "Der hat sich aufgeführt wie ein wildes Tier", sagte eine Sennerin der Lokalzeitung. Jetzt also am Schafreuter.

Für Josef Mayr sind die Fälle klar. "Der Mann muss was gegen christliche Symbole haben", sagt der Vizechef der Bad Tölzer Polizei. "Deshalb haut er die Gipfelkreuze um." Zwar hat der Unbekannte nichts an den Tatorten hinterlassen, was auf sein Motiv deutet. Aber Mayr hat im Internet recherchiert. Dabei ist er auf die Freidenker-Vereinigung der Schweiz gestoßen.

Hirten beobachteten ihn mit dem Fernglas

Die verlangte schon vor Jahren, dass auf den Schweizer Gipfeln keine Kreuze mehr aufgestellt werden. Ihre Begründung: Berge seien öffentlicher Raum, der solle frei sein von religiöser Symbolik. Ein Anhänger der Schweizer Freidenker sägte sogar mehrere Gipfelkreuze um. "Unser Mann ist wohl aus ähnlichem Holz geschnitzt", sagt Mayr. "Der tut das gezielt. Normale Menschen schleppen keine Axt auf einen Gipfel."

Andreas Kyriacou, Präsident der Schweizer Freidenker, weist die Mutmaßung, der Täter könne aus ihrem Umfeld stammen, als "absurd und verleumderisch" zurück. Zwar trete seine Organisation weiterhin dafür ein, dass keine neuen Kreuze errichtet würden. Keinesfalls rufe man aber zu Sachbeschädigungen oder Selbstjustiz auf, schließlich vertrete man eine weltlich-humanistische Ethik. Und der Täter in der Schweiz sei auch kein Mitglied der Freidenker gewesen sei.

Auch Michael Bubeck ist sich sicher, dass es der Unbekannte auf Gipfelkreuze abgesehen hat, und zwar ausschließlich. Bubeck ist Wirt der Tölzer Hütte, die gleich unterhalb dem Schafreuter liegt und ein beliebtes Ziel für Wanderer ist. Dort ist der Gipfelkreuz-Hacker jetzt Tagesgespräch. "Der Unbekannte hat sich nicht gegen Wanderer gewandt, obwohl er wiederholt welche traf", betont Bubeck. "Man sollte auf keinen Fall in Panik geraten." Aber natürlich wünscht sich auch der Hüttenwirt, dass die Umhackerei ein Ende hat.

Die einzige Chance sind die Wanderer

Was die Aufklärung der Fälle anbelangt, ist die Polizei aber skeptisch. Denn die Beschreibung des Unbekannten trifft auf viele Männer zu: zwischen 30 und 40 Jahre alt, etwa 1,80 Meter groß und eher füllig. Außerdem soll er dunkelblondes oder braunes Haar haben, eine dunkle Dreiviertel-Hose und Knieschützer tragen, wie man sie von Handwerkern kennt. Er hört über einen Kopfhörer laute Musik und soll mit ausländischem Akzent sprechen.

Es gibt aber noch einen Aspekt, der die Aufklärung erschwert. "Die Bergwelt ist zu groß und abgelegen, dass wir aktiv fahnden könnten", sagt Mayr. "Unsere einzige Chance sind die Wanderer." Sie sollen verdächtige Beobachtungen dokumentieren - "mit der Handykamera ist das ja einfach" (Mayr) - und sofort melden. "Sie sollen auf keinen Fall warten, bis sie im Tal sind", sagt Mayr. "Nur wenn der Täter einigermaßen nah am Tatort ist, können wir reagieren." Am Sonntag war die Polizei schnell am Schafreuter - per Hubschrauber. Doch der Unbekannte war verschwunden.

Beim Tölzer Alpenverein, der für das Gebiet rund um den Schafreuter verantwortlich ist, wollen sie das Gipfelkreuz schnell wieder aufrichten. "Noch am Sonntag hat es unser Wegewart oben vermessen", sagt Sektionschef Paul Schenk. "Es soll noch heuer hinaufkommen." Das jetzige Kreuz war 2003 aufgestellt worden. Seinerzeit trugen die Helfer die 250 Kilo schweren Balken in langer Plackerei auf den Berg. Das neue wird womöglich hinaufgeflogen.

Bleibt die Frage, warum Bettina Bahnmüllers Freundin so schnell wusste, dass es nur der Gipfelkreuz-Hacker sein konnte, der nächtens oben auf dem Schafreuter sein Unwesen trieb? "Ich habe ihr das erst auch nicht geglaubt", sagt Bahnmüller. "Sie hatte schon von den Taten gehört."

Die ursprüngliche Version des Textes haben wir um die Stellungnahme von Andreas Kyriacou, dem Präsidenten der Schweizer Freidenker, ergänzt.

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