Prozess in Bayreuth:Junger Syrer soll terroristischen Anschlag geplant haben

Lesezeit: 3 min

  • Mamdoh A. steht unter Verdacht, einen Terroranschlag geplant zu haben: Eine Anleitung zum Bombenbau und IS-Videos wurden bei dem Mann gefunden.
  • Im Prozess gegen einen terrorverdächtigen Syrer plädieren Staatsanwalt und Verteidiger höchst unterschiedlich: Das zeigt die Widersprüche um den 19-Jährigen, den die einen für sympathisch und andere für gefährlich halten.

Von Olaf Przybilla, Bayreuth

Der letzte Zeuge im Prozess gegen Mamdoh A. ist Arzt. Ihm gehört das Haus, in dem im fränkischen Pegnitz minderjährige Flüchtlinge untergebracht sind. Früher hatte der Arzt eine Praxis in dem Gebäude, als diese umzog, vermietete er die Immobilie an den Landkreis Bayreuth.

Anfangs war er öfters als Vermieter dort, im Lauf der Zeit aber interessierte er sich auch für dessen Bewohner. Aus dem Kreis der Flüchtlinge ragten zwei heraus, erzählt er. Einer davon war der heute 19 Jahre alte Mamdoh A., jener Mann, der sich nun am Landgericht Bayreuth verantworten muss. Oberstaatsanwalt Andreas Franck geht davon aus, dass A. einen Anschlag in Deutschland oder Syrien verüben wollte.

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Warum A. so besonders war? Der Zeuge wirkt ergriffen, als er zu erzählen beginnt. Der junge Mann aus dem syrischen Raqqa habe die deutsche Sprache so gut beherrscht, mit ihm habe man sich hervorragend unterhalten können über Zukunftspläne, erzählt er. "Große Pläne" seien es gewesen, A. habe als Apothekenhelfer arbeiten wollen.

Es habe sich ein intensiver Austausch entwickelt, bis die Partnerin des Arztes klagte, A. sei über "SMS nicht mehr so greifbar". Im Sommer 2017 brach der Kontakt ab. Als der Arzt sich durchfragte, wo A. geblieben sein könnte, gab man ihm eine Münchner Nummer. Als er dort anrief, wurde er weitergereicht zu Andreas Franck. Das ist einer der Anklagevertreter, die bei der Generalstaatsanwaltschaft in Sachen islamistischer Terror ermitteln.

A. hat aus der Haft einen Brief an den Arzt geschrieben. Der Vorsitzende Richter Michael Eckstein fordert den Arzt auf, den Brief zu verlesen. Der Arzt will nun den Angeklagten fragen, ob er das dürfe. Worauf es etwas lauter wird im Saal, weil ein Zeuge nicht beim Angeklagten nachzufragen hat, was er darf und was nicht.

Also liest der Arzt vor. "Es geht mir so weit gut, ich habe meinen Abschluss bestanden, juhu. Endlich hab ich was erreicht", schreibt er. "Weißt du was: Ich könnte es draußen auch schaffen." Dann hält A. sozusagen Gerichtstag über sich selbst: "Aber ich war zu dumm. Hab nicht ein einziges Mal nachgedacht. Ich war viel zu blöd."

Der Brief geht noch weiter, seinen Optimismus hat A. offenbar nicht verloren. "Aber nicht schlimm. Jetzt hab ich aus meinen Fehlern gelernt." Müsse er im Knast bleiben, so wolle er dort den Quali machen und danach die Mittlere Reife. Komme er aber raus, so werde er sich auf den Weg machen, Apothekenhelfer zu werden.

Das Verstörendste an diesem Verfahren sind die Widersprüche und Fallhöhen. In kürzester Zeit werden Beweismittel vorgeführt, die nicht zusammenzupassen scheinen. Kurz bevor der Arzt den Brief verliest, hat sich das Gericht in der Ecke des Saals vor einem Video versammelt. Gezeigt wird das Bekennervideo des Attentäters von Ansbach.

Man hört, was die Übersetzerin vorträgt. Es ist von "Märtyrerhandlungen" die Rede, von "Rache an den kriminellen Handlungen des Westens" und davon, dass dieser Anschlag nicht der letzte gewesen sein wird. Das Video wurde auf dem Handy von A. entdeckt.

Gleich danach sagt ein Sozialarbeiter des Heims aus, in dem A. untergebracht war. Er schildert, wie überrascht er war, weil A. im deutschen Rap-Text selbst kryptische Passagen verstand. Er berichtet, wie A. nach einem Bombenangriff aufs Nachbarhaus seiner Eltern in Syrien begann, sich selbst zu verletzen. Wie er unter Druck stand, weil seine Familie erwartete, dass aus ihm in Deutschland was wird und er "Karriere macht".

Wie A. mit "ernst und ehrlich klingender Abscheu" sich über Menschen äußerte, die Anschläge verübt haben. Und über die Unreife des A. berichtet er. Es habe einen "Trend" gegeben unter den minderjährige Flüchtlingen, sich "mit schockierenden Videos untereinander zu überraschen". Einmal sei er selbst Opfer geworden, wie A. ihm so ein Video unter die Nase hielt. Kein IS-Video. Ein Film, in dem ein blankes Hinterteil zu sehen ist, wie "es sich dünnflüssig erleichtert".

Die Anleitungen zum Bombenbau, die im Zimmer von A. gefunden wurden, die IS-Videos - womöglich nur pubertärer Kram eines jungen Mannes, um maximalmöglich zu schockieren? Staatsanwalt Franck sieht das anders. Er attestiert A. ein "sympathisches, einnehmendes, gewinnendes Wesen".

Trotzdem habe er nicht nur menschenverachtende Videos verschickt. Er habe auch Material aus dem Internet abfotografiert, das zeige, wie man "Ungläubigen" einen Lkw entzieht und einen Anschlag begeht. Franck ist zur Überzeugung gelangt, dass A. ein Attentat begehen wollte mit vielen Toten.

Bei "aller Sympathie für den Angeklagten" dürfe man nicht die Augen davor verschließen, dass A. von der "Doktrin des IS voll beherrscht" gewesen sei, "auch "wenn das sein Umfeld nicht glauben wollte". A. brauche ein enges Führungskonzept, in einer Haftanstalt sei das gewährleistet. Franck plädiert auf eine Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten.

Anwalt Jochen Ringler erklärt, viele Jugendliche verschickten furchtbare Videos. In kurzer Zeit habe sich A. gut integriert und eine "enorme Entwicklung" genommen. Voraussetzungen für eine Jugendstrafe sieht er nicht. Die Screenshots seien "ein Problem", aber viele hätten schon mal "nicht ganz legale" Dinge im Internet angeschaut.

In der Tat habe A. kinderpornografisches Material besessen und sei einmal ohne Fahrerlaubnis Auto gefahren. Berücksichtige man aber die achtmonatige U-Haft, könne man es mit vier Wochen Jugendarrest bewenden lassen. Das letzte Wort hat der Angeklagte. Er sagt, er habe grausames Material auf dem Handy gehabt. "Das gebe ich gerne zu. Aber ich bin kein Terrorist, ich hatte keine Ziele."

© SZ vom 21.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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