Bayern-SPD:Uli Grötsch - Kohnens Mann für die Provinz

Bundestag

Im Bundestag hat Uli Grötsch als Abgeordneter schon Reden gehalten, wie er sich als Generalsekretär im Bierzelt schlägt, wird sich zeigen.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Einst verwettete die CSU kistenweise Bier, dass es Grötsch nicht mal in einen Gemeinderat schafft. Jetzt ist er der neue Generalsekretär der Bayern-SPD.

Von Lisa Schnell, Weiden

Auf dem Fußballplatz steht Uli Grötsch hinten links. Stürmen ist nicht so seine Sache. In der Politik aber muss Abwehrspieler Grötsch, Trikotnummer 3, jetzt nach vorne preschen und aufs Tor zielen. Er ist der neue Generalsekretär der SPD in Bayern und damit zuständig für die Abteilung Attacke.

Noch kennt den neuen SPD-Stürmer kaum einer in Bayern. Jetzt aber wollen den Bundestagsabgeordneten alle kennenlernen. Sein silbernes Etui, aus dem er seine Visitenkarten zu ziehen pflegt, war am Parteitag der SPD vergangenes Wochenende nach einem Tag leer. Viele Genossen haben ihm dort zum ersten Mal die Hand geschüttelt. Das hinderte sie nicht daran, ihn mit fast 92 Prozent - das beste Ergebnis im Vorstand - zu wählen. Wer ist dieser Mann, den außerhalb der SPD kaum jemand kennt und dem seine Partei so viel zutraut?

Um das zu erfahren muss man in die Oberpfalz fahren, nach Weiden. Um die Ecke geht es zum Keramikmuseum, gegenüber ein Würstlstand, an der Hauswand ein orangenes Schild. Es weist auf ein Kino hin, das es gar nicht mehr gibt. Hier hat Grötsch sein Büro, hier wurde er vor 41 Jahren geboren, der wohl einzige Ort in Bayern, wo er auf der Straße erkannt wird und den er nie verlassen möchte.

Während Landeschefin Natascha Kohnen die Großstadt bedient, ist Grötsch der Mann fürs Land. Er ist sehr bestimmt in der Aussage, dass die Leberkässemmel von einem Oberpfälzer erfunden worden ist. Hinter seinem Haus in dem 2500-Seelen-Dorf Waidhaus fängt der Wald an. Als Kind verschwand er darin mittags um eins und kam erst am Abend wieder, erzählt er. Grötsch ist in der Freiwilligen Feuerwehr und war zweimaliger Jugendkönig im Schützenverein.

Da, wo er herkommt, gehörte das CSU-Parteibuch dazu, wie die Knödel zum Schweinsbraten. Auch sein Vater hatte eins, eigentlich ein Arbeiter, Werkzeugmacher, eigentlich unpolitisch, aber es hatte ja jeder eins. Mindestens einen Sozialdemokraten aber muss es gegeben haben in der Gegend. An einem Tag nämlich, er war gerade 19, wurde Grötsch gefragt, ob er nicht bei den Jusos mitmachen wolle, eine Aktion gegen Rechtsextremismus. Wo er da genau gelandet war, wusste er nicht, aber es gefiel ihm.

Es war Anfang der Neunzigerjahre. Über die tschechische Grenze kamen rumänische Flüchtlinge. Und wie heute gab es die einen, die ihnen Kleidung, Essen und Windeln für die Kinder brachten und die anderen, die Angst hatten. Mit ihnen zu diskutieren, ihre Argumente auf Veranstaltungen zu widerlegen, das hat in Grötsch die Leidenschaft für Politik geweckt.

Grötsch muss den Sprung vom Fachpolitiker zum Generalisten schaffen

Die Sozialdemokraten überzeugten ihn nicht zuletzt, weil er deren Widerstand gegen die Nazis bewunderte. Kistenweise habe man beim CSU-Stammtisch das Bier verwettet, Grötsch werde es nicht in den Gemeinderat schaffen. Er hat es geschafft. Man muss nicht angepasst sein, um gewinnen zu können, das habe er damals gelernt. Und mit jedem Erfolg stieg die Lust auf mehr Politik.

Die war für Grötsch damals aber noch Nebenberuf. Er war bei der Grenzpolizei und bei der Schleierfahndung. Morgens in der Früh um fünf raste er mit 240 Kilometer die Stunde und viel Adrenalin im Blut über die Autobahn einer rumänischen Diebesbande hinterher. Er kennt den Schichtdienst und er weiß, was sich die Kollegen erzählen. Innere Sicherheit ist eines der wenigen Themen, in die sich Grötsch als neuer General nicht einarbeiten muss. Im Bundestag sitzt er im Innenausschuss, er war Obmann in zwei NSU-Untersuchungsausschüssen.

Auch damit schließt er eine Lücke, die bei Landeschefin Kohnen noch offen war. In einem Wahlkampf, in dem die CSU viel über Fußfesseln, Präventivhaft und Gefährder reden will, ist jemand wie Grötsch sicher nicht schlecht für die SPD. Auch wenn Grötsch innere Sicherheit als ursoziales Thema anpreisen kann ("Der kleine Mann kann sich keinen privaten Sicherheitsdienst leisten") weiß auch er: Ein Gewinnerthema ist die innere Sicherheit für die SPD nicht. Er muss deshalb den Sprung vom Fachpolitiker zum Generalisten schaffen.

Grötsch ist als General der Mann der kurzen, knackigen Sätze. Kann er das? Schaut man sich seine Reden im Bundestag an, steht dort einer, der nicht vom Blatt abliest, sich nicht verhaspelt, natürlich rüber kommt, aber auch Sätze sagt wie: Er sei froh, dass alle so gesprochen haben, wie sie gesprochen haben. Grötsch sei noch ein ungeschliffener Diamant, sagt ein Mitglied. Zum ersten Mal geglänzt hat er auf dem Parteitag. Da sprühte Grötsch fast vor Leidenschaft und versprach, er werde sich zerreißen für die SPD.

Grötsch scheut sich nicht, deutliche Worte zu finden, ein Hau-Drauf aber will er nicht sein. Da ist er ganz auf der Linie von Landeschefin Kohnen. Sie wollte Grötsch, weil er "inhaltlich top" und einer der loyalsten Kollegen sei. Kohnen kannte er nicht gut, aber es passe einfach, sagt Grötsch. Wie sie will er eine offene Aussprache, Teamarbeit, endlich wieder ein Miteinander statt ein Gegeneinander in der Partei. Und nicht das ständige Abarbeiten an der CSU.

Was er dann als General so macht? Kritik an der CSU werde es schon noch geben, aber in erster Linie will Uli Grötsch zeigen, was die SPD zu sagen hat. Dafür will er Veranstaltungen organisieren. Natascha Kohnen soll sich um Landespolitik kümmern, er um Bundesthemen. Immer aber werde er die Interessen der Bayern-SPD vertreten, auch wenn die mal gegen die der Bundestagsfraktion stünden. Im Bund werde die SPD ja eh bald den Kanzler stellen, meint er. Und wenn nicht, kann Grötsch wieder von seinem Fußballer-Leben zehren. Da ist er Niederlagen gewöhnt. Grötsch ist Club-Fan.

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