Banken:Bayern verliert seine Sparkassen - und ein Gefühl der Sicherheit

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  • In ganz Bayern stehen 225 Geschäftsstellen auf der Streichliste.
  • Zu Beginn der Neunzigerjahre gab es in Bayern etwa 3400 Sparkassenfilialen, heute sind es noch 2245 - macht rund 50 Schließungen pro Jahr.

Von Andreas Glas, Regensburg

Als Stadtmensch mit Girokonto sollte man hin und wieder eine Dorfsparkasse besuchen. Kein Sparkassenkunde? Macht nix, man zahlt die Fremdkundengebühren gern, allein um mal was anderes zu sehen als hingeprotzte Glasbauten, in denen die Banker keine Kunden betreuen, sondern "Kundenkonzepte umsetzen".

In der Sparkassenfiliale in Alteglofsheim ist das anders, hier menschelt es noch, behauptet jedenfalls das Werbeplakat im Automatenvorraum. "Verstehen ist einfach", steht auf dem Plakat, und drunter steht, wann Verstehen einfach ist: "Wenn man einen Finanzpartner hat, der die Region und ihre Menschen kennt."

Klingt gut, muss man aber nicht betonen, ist ja in Bayern ganz normal: ein Dorf, eine Kirche, ein Feuerwehrhaus, eine Sparkassenfiliale. Man kennt sich, man vertraut sich, und Vertrauen ist eine kostbare Sache, wenn es ums Geld geht. So ist es auch hier, in Alteglofsheim nahe Regensburg, 3000 Einwohner.

So ist es, aber so wird es nicht bleiben, die Sparkasse Regensburg möchte neben Alteglofsheim 16 weitere Filialen im Landkreis zusperren, in ganz Bayern stehen 225 Geschäftsstellen auf der Streichliste, und das allein in diesem Jahr. Je kleiner die Filiale, desto größer die Gefahr, ausradiert zu werden. Den bayerischen Gemeinden steht ein flächendeckender Kassensturz bevor.

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Mit dem Rollator zum Bankschalter

"So geht man nicht mit Bürgern um", findet Alteglofsheims Bürgermeister Herbert Heidingsfelder, der von der Optik her sofort hinterm Sparkassenschalter anfangen könnte. Schlohweißes Haar, graues Sakko, weinrote Krawatte. In seinem Büro im Rathaus hängt an der Wand eine Luftaufnahme der Ortschaft: in der Mitte Häuser wie Mosaiksteine, drum herum die Wiesen und Felder, grüne Parzellen, wie mit dem Lineal gezogen.

Von oben gesehen macht es keinen Unterschied, ob die Sparkasse dicht macht oder nicht, von oben sieht man nur das Blechdach der Filiale. Von unten schaut die Sache schon anders aus. Unten herrscht dicke Luft.

Zurzeit schlagen die Leute in Scharen bei ihm auf, sagt Bürgermeister Heidingsfelder, vor allem ältere Leute, die ihr Konto schon immer bei der Sparkasse im Ort haben, treue Kunden seit 50 Jahren, "und ausgerechnet jetzt, wo sie die Sparkasse in ihrer Nähe brauchen, weil sie nur noch mit dem Rollator gehen können, haben sie das Gefühl, dass man sie fallen lässt wie eine heiße Kartoffel".

Seit Jahren schon schließen Banken und Sparkassen ihre Zweigstellen, nur haben sie das bisher langsam und sanft getan. Zu groß war die Furcht, ihre Kunden zu verschrecken. Zu Beginn der Neunzigerjahre gab es in Bayern etwa 3400 Sparkassenfilialen, heute sind es noch 2245 - macht rund 50 Schließungen pro Jahr.

Niedrigzinsen drücken die Gewinne der Banken

Doch weil immer mehr Menschen ihre Bankgeschäfte online machen und weil die Niedrigzinsen die Gewinne drücken, beschleunigt sich dieser Trend nun enorm. Wenn die Sparkasse dieses Jahr wirklich 225 bayerische Filialen zumacht, dann wird es im Freistaat erstmals seit Jahrzehnten weniger Zweigstellen (2020) geben als selbständige Städte, Märkte und Gemeinden (2056).

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Für Bayern ist das Sparkassensterben eine größere Zäsur als für andere Bundesländer. Weil es hier die kleinsten Gemeinden gibt, die kleinsten Städte, die kleinsten Landkreise - und deshalb die meisten Filialen pro Einwohner. "Die Sparkasse ist ein Mittelpunkt im Ort", sagt Bürgermeister Heidingsfelder, ein sozialer Treffpunkt wie die Kirche, der Metzger, das Café, der Tabakladen.

Mehr gibt es ja nicht im Alteglofsheimer Ortskern, und das ist eh eine Menge, in anderen Dörfern dominiert längst der Leerstand. Erst verschwanden die Kramerläden, dann haben die Wirtshäuser zugesperrt, jetzt brechen die Sparkassen weg. "Die Leute gehen da rein, um ins Gespräch zu kommen", sagt Heidingsfelder.

Er fürchtet, dass es in Alteglofsheim bald ist wie in der Stadt, "dass man Tür an Tür wohnt und keiner weiß, wer der Nachbar ist. Wenn es keinen Treffpunkt mehr gibt, wo man miteinander reden kann, dann geht das Dorfleben verloren".

Mit der Dorfsparkasse dürfte auch ein Gefühl verschwinden. Das Gefühl, dass das eigene Geld sicher ist, man kennt ja den Menschen hinterm Schalter, man vertraut ihm, und außerdem trägt die Sparkasse ihr Geschäftsprinzip im Namen: sparen statt spekulieren. Die Sparkassenfiliale ist die Kuschel-Nische für einen Rentnerschlag, der das geordnete Leben der Wirtschaftswunderjahre nie losgelassen hat.

Für diejenigen, die ihr Geld lieber am Schalter hingeblättert kriegen als an Maschinen, die einen zwar "Herzlich Willkommen" heißen, aber nie fragen, wie es so geht. Für diejenigen, die Internetbanking für gefährlich halten, denen einfach wohler ist, wenn sie an einem Pult aus Mahagoniholz einen Überweisungsträger aus Papier ausfüllen, mit einem Kugelschreiber, der an einem Kugelschreiberhalter angebunden ist. Warum auch nicht?

Ihm sei schon klar, dass es diese Generation irgendwann nicht mehr geben werde, sagt Bürgermeister Heidingsfelder, er verstehe deshalb auch, dass sich die Banken neu aufstellen müssen, dass es irgendwann nicht mehr wirtschaftlich sein wird, sich in jedem Kaff eine Filiale zu leisten.

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Und natürlich dürfe die Sparkasse nicht ignorieren, dass das Sparen altmodisch geworden ist und vor allem uninteressant in einer Zeit der Null-Zins-Politik. Aber andererseits, sagt Heidingsfelder, sei die Sparkasse halt keine Privatbank, sie ist ein öffentlich-rechtliches Institut, das den Kommunen gehört, Bürgermeister und Landräte sitzen in den Verwaltungsräten und "da muss ich eben sagen, dass sie gegenüber den Mitbürgern eine Mitaufgabe bei der Daseinsvorsorge hat".

In Bayern hat der Filz eine besondere Tradition

Diese Verquickung von Bank und Politik fördert allerdings auch den Filz, zumal in Bayern, wo der Filz ja bekanntlich eine besondere Tradition hat. Es ist eben eine heikle Sache, wenn ein Kommunalpolitiker irgendwie auch Kreditgeber für Kommunen ist.

Das legt eine gewisse Vorzugsbehandlung nahe, wenn es um Kreditgeschäfte geht, im Gegenzug lässt die Sparkasse dann und wann einen Satz Trikots für die F-Jugend des Dorfvereins springen. Und wenn die Feuerwehr ein Fest feiert, sagt Herbert Heidingsfelder, dann gehe er schon mal runter zur Filiale, "dann frage ich: Habt ihr was für mich?" - und schon ist das Grillfleisch bezahlt.

Wenn er künftig in einer fremden Sparkassenfiliale nach einem Grillfleischzuschuss fragen muss, "dann ist der persönliche Bezug nicht mehr so da, dann verliert sich das", fürchtet Heidingsfelder, der froh ist, dass es in Alteglofsheim auch eine Raiffeisenbank-Filiale gibt.

Er empfiehlt den Dorfbewohnern dorthin zu wechseln, wenn die örtliche Sparkasse dicht macht, er sagt das ganz offen, obwohl er natürlich weiß, dass auch die Raiffeisenbanken immer mehr Zweigstellen auf dem Land schließen.

So ganz, sagt Bürgermeister Heidingsfelder, habe er die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es sich die Verwaltungsräte der Sparkasse Regensburg doch anders überlegen, wenn sie an diesem Sonntag endgültig entscheiden, welche Filialen im Landkreis geschlossen werden.

Dass alles beim Alten bleibt, ist aber unwahrscheinlich. Wenn es gut läuft, ist die Sparkasse in Alteglofsheim bald ein toter Automatenraum. Läuft es schlecht, verschwindet das rote Sparkassen "S" komplett von der Rauputzfassade am Kirchplatz.

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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