Altenpflege:Misshandlungsvorwürfe im Seniorenheim Gleusdorf: Strukturversagen oder Einzelfall?

Lesezeit: 3 min

  • In der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf sollen Heimbewohner misshandelt worden sein. Auch von Todesfällen war die Rede.
  • Zwei Führungskräfte sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß, die Staatsanwaltschaft ermittelt allerdings weiter.
  • Unterdessen stellt sich der Gesundheitsausschuss im Landtag die Frage, warum die Missstände trotz Kontrollen nicht früher erkannt wurden.

Von Dietrich Mittler, München

Dunkel wie Gewitterwolken schweben über der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf im Kreis Haßberge die Vorwürfe, die im Herbst von ehemals dort beschäftigten Pflegekräften erhoben wurden: Hilflose Heimbewohner seien misshandelt, mit Medikamenten ruhig gestellt worden. Sogar von Todesfällen - letztlich zurückzuführen auf unterlassene Hilfeleistung - war die Rede. Einer dieser Todesfälle erschien der Staatsanwaltschaft tatsächlich von strafrechtlicher Relevanz.

Zwei Führungskräfte der Einrichtung wurden in Untersuchungshaft genommen - später dann aber wieder auf freien Fuß gesetzt, weil sich der Verdacht auf versuchten Totschlag nicht erhärten ließ. Indes, die Staatsanwaltschaft Bamberg ermittelt weiter. Ginge es nach dem am Dienstag zum Ausdruck gebrachten Willen aller Abgeordneten im Gesundheitsausschuss, so sollten die Ermittlungen "so rasch wie möglich abgeschlossen werden".

"Das Ermittlungsverfahren zieht sich schon sehr lange hin. Es wäre hilfreich, wenn es schneller ginge", sagte etwa der CSU-Abgeordnete Steffen Vogel. Und er erntete dafür Zustimmung. Jedoch, die Abgeordneten werden sich gedulden müssen. "Wir rechnen nicht vor Herbst mit einem Verfahrensabschluss", sagte der Bamberger Oberstaatsanwalt Matthias Bachmann der SZ. Ein Grund dafür: Der Staatsanwaltschaft liege zum Beispiel noch nicht der Schlussbericht der Polizei vor. Der Tatvorwurf lautet auf vorsätzliche Körperverletzung sowie die Misshandlung von Schutzbefohlenen. "Im Herbst", so hob Bachmann hervor, "werden wir entscheiden, in welchen Punkten Anklage erhoben werden kann, beziehungsweise für welchen Teil eine Einstellung erfolgen muss."

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Insbesondere die gesundheits- und pflegepolitischen Experten der SPD-Landtagsfraktion wollten aber bereits jetzt Aufklärung darüber, was sich nun wirklich in der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf ereignet hat. Sie haben also - gedeckt durch einen Beschluss des gesamten Gesundheitsausschusses - einen Bericht angefordert. Abzugeben vom Gesundheits- und Pflegeministerium. Die damit am Dienstag beauftragte Beamtin stellte klar: "Zu den Vorkommnissen bezüglich des Strafermittlungsverfahrens kann ich nichts sagen."

Doch Ruth Waldmann, der gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD, geht es eigentlich auch um ganz andere Erkenntnisse. "Wir wollen wissen, ob es im Fall Gleusdorf um das Versagen oder gar das kriminelle Handeln einzelner Personen ging - oder ob da ein Strukturversagen vorlag, wo die Politik nachbessern muss." Es gelte also, mögliche Schwachstellen bei Kontrollen aufzudecken. Denn solche haben auch im Fall der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf im unterfränkischen Untermerzbach stattgefunden.

Bei den Kontrollen, das hob auch die Ministeriumsmitarbeiterin in ihrem Bericht hervor, kam zum Beispiel die Heimaufsicht, im Fachterminus "Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen - Qualitätsentwicklung und Aufsicht", kurz FQA, zu dem Ergebnis: "Die Vorwürfe konnten nicht bestätigt werden." Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) wiederum hatte kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen die Einrichtung angegeben: "Die veröffentlichten Prüfberichte wiesen jedes Mal auf manifeste pflegerische Defizite hin."

Wie kann es zu einer solchen Diskrepanz kommen?

Aber auch die vom MDK festgestellten Mängel, so erfuhren die Abgeordneten, seien nicht von einem Ausmaß gewesen, dass sie unbedingt Anlass für einen Heimskandal gegeben hätten. "Die Brisanz, die jetzt im Raum steht, sei durch die Prüfungen "nicht feststellbar" gewesen. Was freilich fraktionsübergreifend zur Frage führte: Wie kann es zu einer solchen Diskrepanz kommen? Was hätten Heimaufsicht und MDK an Instrumenten gebraucht, um feststellen zu können, dass in dieser Einrichtung womöglich mehr im Argen lag?

Ruth Waldmann wollte auch wissen, ob es nach Aufkommen der Vorwürfe eine Kooperation oder wenigstens einen Austausch zwischen den Fachleuten der Heimaufsicht und den Strafermittlern gegeben habe. "Gibt es nicht", sagte die Ministerialbeamtin. Der Bamberger Oberstaatsanwalt Matthias Bachmann bestätigte dies auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung: "Unsere Aufgabe ist es festzustellen, ob Straftaten passiert sind. Und immer dann, wenn wir dabei an unsere Grenzen stoßen, wenden wir uns an Sachverständige."

Aus der Runde der Gesundheitspolitiker kamen eine Reihe von Vorschlägen, wie Missstände in Heimen künftig schneller ans Tageslicht kommen könnten: durch Ombudsleute etwa, wie es Peter Bauer von den Freien Wählern vorschlug. Ruth Waldmann forderte "eine stärkere Kultur des Hinschauens - sowohl unter den Pflegekräften als auch unter den Angehörigen der alten Menschen". Denn eines sei wohl klar: Im Schloss Gleusdorf "scheint schon länger etwas schief gelaufen zu sein". Die FQA-Mitarbeiter hoffen auf eine künftige Klarstellung im Gesetz, wie lange sie bei Missständen die betroffenen Heimträger beraten müssen und wann sie endlich einschneidende Anordnungen treffen können - etwa einen Aufnahmestopp.

Die Bilanz der Sitzung war am Ende ernüchternd: Eine umfassende Kontrolle gibt es nicht. Zumindest nicht derzeit.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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