Volvo V60 T4 im Test:Teure Alternative

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Man kann dem Volvo V60 kaum etwas vorwerfen. Er ist ein Hightech-Kombi, der mit dem T4-Benziner stark motorisiert und zudem sehr sicher ist. Aber er kostet zu viel - und da ist noch die Sache mit dem Kofferraum.

Von Thomas Harloff

Angenommen, es steht der Kauf eines Neuwagens an. Es soll ein Modell der Mittelklasse sein, gerne ein Kombi, ein Auto mit gehobenem Image. Ein Benziner mit knapp 200 PS, denn es darf auch mal etwas flotter vorangehen. Das Budget beträgt etwa 57 000 Euro. Was liegt da näher, als sich im nächstgelegenen Audi-, BMW- oder Mercedes-Autohaus ein Angebot machen zu lassen? Dort würde man einen Kaufvertrag für einen A4 Avant 1.8 TFSI mit 170 PS und S-Line-Ausstattung unterschreiben. Oder für einen 320i Touring mit 184 PS und M-Paket. Oder ein C 200 T-Modell in der AMG-Line. Bei allen bliebe Geld für eine reichhaltige Ausstattung übrig. Okay, beim Mercedes etwas weniger, aber der hat dafür serienmäßig Allradantrieb.

In allen Fällen gilt: Man kann nichts falsch machen.

Auf die Idee, knapp 57 000 Euro in einen Mittelklasse-Volvo zu investieren, kommen die wenigsten. Dabei ist das problemlos möglich. Beim V60 sieht das Rechenexempel so aus: Man nehme den 190 PS starken T4-Benzinmotor nebst Automatikgetriebe und zahle mindestens 37 150 Euro. Hinzu kommen die zweithöchste Ausstattungslinie Momentum, das sportlich angehauchte R-Design-Paket und ein paar Extras und voila, der Preis beträgt wie beim Testwagen 56 935 Euro. Die Schweden können es also genauso teuer wie die Deutschen. Aber auch so gut?

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Geschmackvoller, aber kleiner Innenraum

Direkt nach dem erstmaligen Einsteigen dürften die meisten mit "ja" antworten. Bei der Auswahl der Materialien haben die Volvo-Designer Geschmack bewiesen. Die optionalen Leder-Sportsitze schmiegen sich sanft an den Körper. In technische Spielereien sind sie bei Volvo mindestens so verliebt wie die deutschen Ingenieure. Offensichtlich wird das bei den digitalen Instrumenten, die je nach gewähltem Fahrmodus nicht nur die Farbe wechseln, sondern auch andere Anzeigen in den Fokus rücken. Während in der Öko-Einstellung der Fahrstil auf einer Skala nach ökologischen Aspekten beurteilt wird, leuchten die Anzeigen im Sportmodus glutrot. Das zentrale Instrument wechselt vom Tacho zum Drehzahlmesser, in dessen Zentrum die Geschwindigkeit als Ziffer dargestellt wird. Schon schön, das Ganze. Solche Gimmicks sollen ja immer öfter kaufentscheidend sein.

Der V60-Innenraum hat aber auch Nachteile. Der erste: das Bedienkonzept. Ein großes, von einigen Drehrädchen ergänztes Tastenfeld auf der Mittelkonsole herrscht über die zahlreichen Bordfunktionen. Es dauert, bis man die Funktion eines jeden Knopfes tatsächlich gelernt hat. Besserung ist zwar in Sicht, aber bis es das sehr gute Touchscreen-System des neuen Volvo XC90 in die kleineren Baureihen schafft, wird es bis zur nächsten Generation dauern. Das zweite Aber handelt sich das Platzangebot ein. Vorne engt die breite Mittelkonsole ein, hinten herrscht wegen des früh abfallenden Daches wenig Kopffreiheit. Und der Kofferraum? Lässt sich von bescheidenen 430 auf - in dieser Klasse indiskutable - 1241 Liter erweitern.

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Dynamisch und leise

Nun könnte man sich auf die Volvo-Aussage berufen, der V60 sei eher ein "authentischer Sportkombi". Tatsächlich fehlt es ihm nicht an Temperament - wenn er in der entsprechenden Abstimmung unterwegs ist. Leuchten die Instrumente rot, reagiert der Schwede spontan auf Gaspedalbefehle, findet präzise die schnellste Linie und liegt in schnell gefahrenen Kurven straff und sicher. Trotz Frontantrieb kann der V60 ärgerliches Untersteuern lange hinauszögern, auch weil die elektrische Differenzialsperre, die das Drehmoment gezielt auf die Antriebsräder verteilt, effektiv arbeitet. Nur beim Einlenken macht sich das recht hohe Leergewicht von 1666 Kilogramm durch eine leichte Verzögerung auf sich aufmerksam.

Auch der Antrieb passt zu Volvos selbst definiertem Anspruch. Die Fahrleistungen - 7,3 Sekunden von Null auf Hundert, 225 km/h Spitzentempo - liegen auf dem Niveau der Konkurrenz, der 190 PS und maximal 300 Newtonmeter starke Vierzylinder-Turbo macht seine Sache sehr ordentlich. Und leise. Anders als andere Downsizing-Motoren fehlt ihm auch bei starker Beanspruchung das Angestrengte und Unwillige. Dafür zeigt sich einmal mehr, dass die Formel "Aufladung ersetzt Hubraum und sorgt für geringen Verbrauch" nicht gilt, wenn man sich vor allem auf der Autobahn und in der Stadt sowie flott über die Landstraße bewegt. Dann kann der Verbrauch durchaus auf zwölf Liter klettern. Laut EU-Norm sollen es 7,4 sein.

Ganz gute Karten für einen Durchschnittsverbrauch von unter zehn Litern hat, wer konsequent den Eco-Modus nutzt. Der beraubt den Motor zwar eines Großteils seines Temperaments, aber ihre erzieherische Wirkung verfehlt die Abstimmung nicht. Dennoch bleibt festzuhalten: Ein Wunder an Sparsamkeit ist das Triebwerk aus der Drive-E-Motorenfamilie nicht.

Höchstens überdurchschnittlich ist der Fahrkomfort. Ein Plus ist der sehr leise Antrieb und die gut vom Umgebungslärm abgeschirmte Karosserie. Wer die Tür des V60 schließt, kapselt sich ein Stück weit von der Außenwelt ab. Schade nur, dass das Fahrwerk ein großes Mitteilungsbedürfnis hat, wenn es um den Zustand der Fahrbahn geht. Schlaglöcher, Querfugen oder andere Gemeinheiten, die ein Straßenbelag so bieten kann, kommen nur unzureichend gefiltert am Rückgrat der Insassen an. Wer es lieber bequem haben möchte, sollte also lieber nicht zur R-Design-Ausstattung greifen, die ein um 15 Millimeter tiefergelegtes Fahrwerk beinhaltet.

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Große Palette an Fahrassistenten

Souveräne Fahreigenschaften zeichnen den Volvo V60 mit beiden Fahrwerken aus. Dass er zudem ein hohes Sicherheitsniveau erreicht, gehört bei den Schweden zum Markenkern. Und so bringt er eine ganze Palette an elektronischen Assistenzsystemen mit, von denen jedes hervorragend funktioniert. Sei es der Tempomat mit Abstandsradar, dessen automatisches Notbremssystem neben Autos auch Fußgänger und Radfahrer erkennt. Oder die Hilfe beim Halten und Wechseln der Spur. Auch die Totwinkelüberwachung, der Verkehrszeichenscanner und das automatisch abblendende Fernlicht erledigen ihren Job ohne Beanstandung. Besonders schnell zu schätzen lernt man den "Cross Traffic Alert", der beim rückwärtigen Ausparken die Umgebung überwacht und den Fahrer vor Querverkehr warnt, wenn dieser ihn noch nicht erkennen kann. Etwa, weil ein großer Transporter die Sicht versperrt. Doch, und auch hier unterscheidet er sich nicht von seinen deutschen Rivalen, die Technologien wollen teuer bezahlt werden.

Zwei Lösungen für ein Dilemma

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Aber zurück zur Ausgangsfrage: Ist es gerechtfertigt, dass der Volvo V60 ähnlich viel kostet wie ein vergleichbar motorisierter und ausgestatteter BMW 3er Touring, Audi A4 Avant oder Mercedes C-Klasse-Kombi? Die Antwort lautet: Nein, nicht ganz, denn in keiner Disziplin außer bei den Assistenzsystemen ist der Schwede wirklich spitze. Stets hat er mindestens einen seiner Konkurrenten vor der Nase.

Das bringt Volvo in ein Dilemma, für das es zwei Lösungen gibt. Die erste: Sie könnten ihn 5000 Euro billiger machen, doch da lauern schon die sehr gut gelungenen Geschwister VW Passat Variant und Škoda Superb Combi. Oder, und das ist wohl die erfolgversprechendere: Das Auto wird den Tick besser, der zur Konkurrenz fehlt. Daran arbeiten die Schweden bereits mit Hochdruck: der neuen Plattform für ihre Mittelklassemodelle. Wenn damit ein ähnlicher Sprung gelingt wie beim neuen XC90, dürften Fuhrparkleiter und Privatkäufer künftig auch das schwedische Angebot in ihre Überlegungen mit einbeziehen.

Technische Daten Volvo V60 T4 Momentum R-Design Geartronic:

R4-Benzinmotor mit 2,0 Litern Hubraum und Turboaufladung; Leistung 140 kW (190 PS); max. Drehmoment: 300 Nm bei 1300 - 4000/min; Leergewicht: 1666 kg; Kofferraum: 430 - 1241 l; 0 - 100 km/h: 7,3 s; Vmax: 225 km/h; Testverbrauch: 12,0 l / 100 km (lt. Werk: 7,4; CO2-Ausstoß:136 g/km); Euro 6; Grundpreis: 42 800 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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