Sieben Jahre, vielleicht ein paar Monate mehr oder weniger, dauert der Lebenszyklus einer Generation eines Automodells. Danach muss ein Nachfolger her, sonst verlieren die Kunden das Interesse. Wer es anders macht, bedient entweder einen Nischenmarkt oder hat schlicht kein Geld für Neuentwicklungen.
Eine Ausnahme ist der Volvo XC90. Dass die Schweden 13 Jahre gebraucht haben, bis sie endlich einen Nachfolger auf den Markt bringen, hat andere Gründe. Denn als der Modellwechsel fällig gewesen wäre, hatte die ehemalige Konzernmutter Ford die Lust an ihrer skandinavischen Tochter verloren. Erst als im Frühjahr 2010 mit der Geely-Gruppe ein Käufer gefunden war, konnten die Ingenieure mit ihrer Arbeit beginnen. Und die Chinesen erlaubten ihnen die große Lösung. Volvo sollte nicht nur einen Nachfolger für sein großes SUV entwickeln, sondern gleich eine ganze Plattform, die künftig als technische Basis für alle großen Modelle dienen wird. So etwas braucht Zeit.
Fast ein bisschen versnobt
Der neue XC90 bedeutet für Volvo eine Zäsur. Er geht die Dinge anders an als sein Vorgänger, der nach außen einen kernigen Charakter verkörperte, aber dann doch genau so ein Softie war wie die meisten anderen SUVs. Der Neue ist eitler, fast ein wenig versnobt. Für ihn geziemt es sich nicht, sich schmutzig zu machen, das würde seinem eleganten Blechkleid nicht stehen. Er gehört auf den Boulevard und in die wohlhabenden Wohnsiedlungen der Großstädte. Zur Not in die Vorstadt oder ab und an auf einen Feldweg. Aber nur einen möglichst ebenen. Es wäre doch schade, wenn die Chromapplikationen an der Karosserie oder die bis zu 22 Zoll großen Felgen abseits befestigter Straßen Schaden nehmen würden.
Die Langstrecke, das ist sein Metier. Hier fühlt er sich wohl, hier zeigt er seine fürsorgliche Seite. Der XC90 ist bequem, geht sanft mit seinen Insassen um und gibt sein Bestes, sie vor den Widrigkeiten unebenen Straßenbelags zu bewahren. Schnell stellt sich ein Gefühl der Entspannung ein. Nicht so stark wie beim neuen Audi Q7, aber der Abstand zur neuen Komfort-Messlatte unter den großen SUVs ist klein.
Drei Motoren zum Marktstart
Dabei ist der Schwede nicht etwa ein Straßendampfer mit weichem Schaukelfahrwerk. Im Gegenteil: Gemessen am Mindestgewicht von 2,1 Tonnen und den fahrdynamischen Talenten anderer Volvo-Modelle durchfährt er Kurven, falls gewünscht, sehr agil. Zumindest dann, wenn - wie bei den Testwagen - das 2560 Euro teure Luftfahrwerk installiert ist. Das bietet auch die Möglichkeit, die Charakteristika des Autos zwischen sportlich, ökologisch und komfortabel zu variieren. Der Effekt auf das Fahrwerk hält sich jedoch in Grenzen, auch in der Dynamik-Einstellung ist die Federung nicht zu straff abgestimmt.
Zur Markteinführung am 13. Juni haben XC90-Kunden die Wahl zwischen drei Motorvarianten: einem Diesel (D5 mit 225 PS) und zwei Benzinern (T6 mit 320 PS und T8 mit 400 PS). Auch wenn die Modellbezeichnungen etwas anderes suggerieren, verbergen sich dahinter Vierzylindermotoren mit zwei Litern Hubraum, die jeweils mehrfach aufgeladen werden. Der Diesel von zwei Turboladern, der Benziner von einem Turbo und einem Kompressor. Das soll den Verbrauch senken. Auf dem Papier funktioniert das. Der Diesel soll nur 5,7 Liter auf 100 Kilometer konsumieren, beim kleinen Benziner verspricht Volvo acht Liter.
83 Prozent greifen zum Diesel
Nur die wenigsten XC90-Käufer werden von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Volvo rechnet für das Jahr 2015 mit einem Dieselanteil von 83 Prozent. Für ihn sprechen das hohe Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen (470 Newtonmeter bei 2200 Umdrehungen) und der Verbrauchsvorteil - jedenfalls theoretisch. Solange man gemütlich durch die Gegend gondelt, hin und wieder von Stadt- auf Landstraßentempo beschleunigt, ist der Motor leise, ausreichend kräftig und sparsam.
Probleme hat er dann, wenn er aus dieser Komfortzone geholt wird. Wenn er zum Beispiel nach der Autobahn-Baustelle wieder auf Höchsttempo beschleunigen oder bei einem schnellen Überholmanöver auf Zack sein muss. Hier fehlt es ihm trotz seines Drehmoments an Durchzugskraft und an der akustischen Zurückhaltung. Die Anstrengung ist deutlich hörbar und wird beim Nachtanken auch sichtbar. Während der flotten Probefahrt errechnet der Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von 10,4 Litern. Das schaffen moderne V6-Diesel mit drei Litern Hubraum und souveränerer Kraftentfaltung auch.