Renault-Nissan-Mitsubishi:Renault strebt nach der Führungsrolle

IAA - Renault

So stellen sich Renault-Designer die Autozukunft vor: Der Symbioz soll rein elektrisch und weitgehend autonom fahren.

(Foto: dpa)

Mehr Elektroautos, mehr Digitalisierung, mehr Billigmodelle: Renault ist für die automobile Zukunft gut gerüstet. Der Mut von Firmenchef Carlos Ghosn scheint sich auszuzahlen.

Von Georg Kacher

Carlos Ghosn hat viel erreicht, aber viel war nie genug für den charismatischen Sohn libanesischer Eltern, der mit dem Hasardeur Sergio Marchionne und dem Technik-Genie Ferdinand Piëch diese Industrie in den letzten Jahren geprägt hat wie kaum ein anderer. Nach dem Motto "Wo ich bin, ist oben" rief der Wegbereiter der Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz im Oktober das Ziel aus, bis zum Jahr 2022 den Absatz um 44 Prozent zu erhöhen und die Umsatzrendite auf sieben Prozent zu verdoppeln. Für das dritte Quartal 2017 meldeten die Franzosen eine Umsatzsteigerung um 15,9 Prozent.

Zwei Drittel der Fahrzeuge sollen künftig eine von vier gemeinsamen Plattformen nutzen. Von der Marke Renault wird erwartet, die Führungsposition bei den Elektrofahrzeugen auszubauen und die Synergieeffekte der Allianz noch besser zu nutzen. Ghosns profiliertester Gegenspieler im eigenen Land ist sein ehemaliger Stellvertreter: Der Portugiese Carlos Tavares, der nach 37 Jahren bei Nissan und Renault 2014 zum Vorstandsvorsitzenden der PSA-Gruppe berufen wurde, zu der Peugeot, Citroën und neuerdings auch Opel gehören.

Die Integration von PSA und Opel steht noch am Anfang, Renault und Nissan sind schon seit 1999 eng miteinander verbunden. Weil jetzt mit Mitsubishi eine dritte Kraft zum Team stößt, und weil die fortschreitende Elektrifizierung zu raschem Handeln zwingt, muss die für alle Marken taugliche CMF-Architektur (Common Modular Family) vorzeitig überarbeitet und erweitert werden.

Während Toyota das E-Auto in Relation zum Hybrid und zur Brennstoffzelle kleinzureden versucht, hat Carlos Ghosn schon vor zehn Jahren eine vier Milliarden Euro teure E-Offensive gestartet. Ein mutiger Schritt, bei dem Rückschläge nicht ausblieben. Das Batterietausch-Pilotprojekt mit Better Place entpuppte sich als Kurzschluss, der projektierte Mega-Energiespeicher ging nie ans Netz, am Ende wurde die gesamte Akku-Sparte an einen chinesischen Investor verkauft.

Der Kauf von Lada war 2016 ein Überraschungscoup

Gemeinsam mit Ghosn waren es zwei Ausnahme-Manager, die fast im Alleingang die in die Beliebigkeit abgedriftete Marke Renault wieder auf Vordermann brachten. Carlos Tavares setzte innovative Akzente, Chefdesigner Laurens van den Acker zeichnete ein Erfolgsmodell nach dem anderen. Während Dacia fast im Handstreich zu Europas Nummer eins im Niedrigpreis-Segment avancierte, soll das Comeback von Alpine der Hauptmarke Renault ebenso neuen Glanz verleihen wie das Engagement in der Formel 1 (aus der Formel E will sich Renault hingegen im Juli 2018 verabschieden). Im Jahr 2016 gelang dem umtriebigen Chef mit dem Zukauf von Lada ein Überraschungscoup im wichtigen Wachstumsmarkt Russland. Als Genspender für die Lada-Palette mit künftig vier Modellreihen ist Renault vorgesehen.

Die CMF-Architektur wird Zug um Zug elektrifiziert, doch das dauert, denn selbst der neue Nissan Leaf steht noch auf einer alten Bodengruppe. Trotzdem will die Allianz bis 2022 zwölf neue Elektroautos auf den Markt bringen. Darunter sind mindestens vier Renaults: ein innovatives Stadtauto (CMF-A), ein kleiner Crossover (CMF-A), der Zoe-Nachfolger (CMF-B) und ein SUV im Format des VW Tiguan (CMF-C/D). Der skalierbare Modulbaukasten ist variabel in Bezug auf Abmessungen, Aufbau und Antrieb. Ein oder zwei Elektromotoren sind ebenso möglich wie stärkere Batterien, kürzere Ladezeiten und längere Reichweiten. Die künftigen E-Modelle laufen vom gleichen Band wie Hybride und Verbrenner.

Weniger Verbrennungs- und mehr Elektromotoren

2019 sollen die Nachfolger von Clio, Captur und Kangoo in Serie gehen. Man darf gespannt sein, ob es in nur zwei Jahren gelingt, die CMF-Plattform komplett zu elektrifizieren und damit auch für die zweite Auflage des Kadjar, der im Jahr 2021 kommen soll, fit zu machen. Dacia wird zeitnah nachziehen, unter anderem mit dem E-Kwid, der als emissionsfreies Billigauto in China startet. Für den Espace schlägt 2021 die Stunde der Wahrheit: Auf Basis der neuen Großraumlimousine ist ein leichter Crossover geplant, der batteriefähig sein soll und von dem man sich deutlich höhere Stückzahlen erhofft. Alpine und Renault Sport standen unter dem persönlichen Schutz von Tavares, bekommen aber unter Ghosn eine zweite Chance - vorausgesetzt, die Zahlen stimmen.

In der Verbrennerwelt wird die Anzahl der Motorenfamilien bis 2022 von 38 auf 31 schrumpfen. Der Diesel bleibt zwar im Programm, verliert aber spätestens 2020 mit der Einführung neuer Akkus und E-Maschinen weiter an Bedeutung. Weil diese Batterien flacher und kompakter bauen, sind sie auch für Kleinwagen wie Twingo und Clio geeignet.

Wo Renault besser aussieht als Peugeot-Citroën

Schon in den nächsten Monaten werden die Infotainment-Systeme markenübergreifend verbessert, verbilligt und vereinheitlicht. In Vorbereitung sind intuitivere Bedienkonzepte, zusätzliche Assistenzsysteme, schnellere Datenübertragung und mehr Sicherheit durch Schwarmintelligenz. Der erste vollautonom fahrende, auf Wunsch komplett elektrifizierte Renault soll 2022 in Form des Talisman-Nachfolgers kommen. Während die Kosten für das circa 90 kWh starke Batteriepaket bis dahin um ein Drittel sinken dürften, ist die für das fahrerlose Auto notwendige Sensorik - Kameras, Radar, Laser, Ultraschall - für einen Volumenhersteller vermutlich immer noch unverhältnismäßig teuer.

Wie schneiden die PSA-Marken Citroën/DS, Opel und Peugeot im Vergleich mit Renault ab? Die Integration von Opel kostet Zeit, Energie und Geld. Die Nabelschnur zum Ampera E wurde von GM per Lizenzgebühr praktisch gekappt, und auch die BEV-Kooperation mit Mitsubishi ist endlich. Das Tavares-Team will mit nur zwei Plattformen (CMP/EMP) die gesamte Bandbreite abdecken. Das funktioniert bisher ganz gut, nur die Elektrifizierung in China wird immer mehr zum Wettlauf gegen die Zeit. Wenn es um Stückzahlen und entsprechende Einspareffekte geht, hat die PSA-Gruppe gegen die Renault-Allianz kaum eine Chance. Im Gegenteil: Die von Citroën abgespaltete Premium-Marke DS tut sich schwer, das Peugeot-Design schwächelt schon seit Jahren, Opel muss schlanker und effizienter werden, es fehlen ein starker Partner in Asien und eine Discountmarke nach Art von Dacia oder Datsun.

Das autonome Fahren wird für Renault immer wichtiger

Das junge Geschäftsfeld der Digitalisierung will Renault noch aggressiver in Angriff nehmen als die Konkurrenz. Der nächste Espace, der mit gegenläufig öffnenden Türen besonders einladend gestaltet werden soll, findet emissionsfrei allein nach Haus, speist nachts überschüssigen Strom zurück ins Netz und verdient als autonomes Call Car nebenher gutes Geld statt in der Garage zu verstauben. Der Kangoo-Nachfolger soll ab 2021 selbsttätig Lieferdienste oder Zubringerfahrten erledigen können und nebenbei als rollende Litfaßsäule funktionieren. Selber ins Steuer zu greifen ist zwar noch möglich, doch sobald das Telefonat laut wird oder die Augen zuzufallen drohen, übernimmt automatisch die künstliche Intelligenz.

Renault will hier deutliche Akzente setzen. Dazu gehören eine im autonomen Fahrmodus umlaufende blaue Lichtsignatur, die mit Fußgängern kommunizieren kann; unterschiedlichste Innenraumwelten; die Fähigkeit des unsichtbaren Co-Piloten, aufs Wort zu gehorchen und auf fast alle Fragen eine Antwort zu haben. Fakt oder Fiktion? Vermutlich von beidem etwas.

Ghosn, dessen Vertrag 2018 ausläuft, wird die Endphase dieser Entwicklungen vermutlich aus der Distanz betrachten. Vielleicht gelingt es ihm zuvor sogar noch, den Staat zum Verkauf seiner Renault-Anteile zu bewegen und damit auch an der Börse ein Zeichen zu setzen.

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