Bodensee: neues Fährschiff:Mit dem Joystick in die Kurve

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Auf dem Bodensee wurde jetzt das bislang größte und modernste Fährschiff in Dienst gestellt - es hat Platz für 700 Fahrgäste und 64 Personenwagen.

Hannes Geier

Die bekannte Fährverbindung auf dem Schwäbischen Meer zwischen Konstanz und Meersburg hat Zuwachs bekommen. Anfang Mai wurde die Lodi in Dienst gestellt, ein wichtiger Schritt in der Geschichte dieser wichtigen Verkehrsader.

Nach allen Seiten offen: Die neue Bodensee-Fähre, die zwischen Konstanz und Meersburg verkehrt. (Foto: Stefan Puchner)

Die Verbindung hat erheblichen Anteil am internationalen Fernverkehr mit der Schweiz, am Nah- und Regionalverkehr im Bodenseeraum und saisonbedingt am Urlaubs- und Reiseverkehr. Neben Lastzügen und Reisebussen nutzen auch öffentliche Busse auf ihrem Linienweg dieses Verkehrsangebot.

Benannt nach der italienischen Partnerstadt von Konstanz, 30 Kilometer südöstlich von Mailand gelegen, bieten die Stadtwerke Konstanz mit diesem Neubau im Wert von etwa elf Millionen Euro für eine Fahrtstrecke von 4,5 Kilometer und rund 15 Minuten Fahrzeit neueste Technologien an.

Die Doppelendfähre ist mit 82,3 Meter Gesamtlänge nicht nur das größte Fährschiff, sondern das längste Schiff auf dem Bodensee überhaupt. Pro Überfahrt kann die Lodi etwa 700 Personen und bis zu 64 Mittelklasse-Pkw befördern, Lkw, Busse sowie Motor- und Fahrräder verändern die Anzahl natürlich entsprechend.

Während bei den seit mehr als 30 Jahren eingesetzten Fähren mit nur 4,2 Meter Durchfahrtshöhe moderne Lastzüge den Umweg um den Nordwestteil des Bodensees nehmen müssen, gibt es auf der Lodi mit 4,5 Meter Ladehöhe keine Beschränkungen mehr. Bei einer Breite von 13,40 Meter und einer Leerverdrängung von etwa 720 Tonnen kann das Fährschiff bis zu 400 Tonnen zuladen, was einen Tiefgang von maximal 2,09 Meter bedeutet.

Gegenüber dem sechs Jahre alten Schwesterschiff Tábor wurden die beidseitigen Steuerhäuser schmäler angelegt. Moderne Joystick-Bedienung machte es möglich. Die zwei umweltfreundlichen Achtzylinder-V-Motoren stammen von MTU im nahen Friedrichshafen. Sie treiben, weit in den Vorschiffen platziert, mit je 1015 PS die beiden Propeller an.

Unterwasserflügel für die optimale Manövrierfähigkeit

Die Technik ist gerade am Bodensee weit verbreitet: Statt der konventionellen Schrauben und Ruderblätter oder drehbarer Antriebsgondeln unter dem Schiffsrumpf wirken hier jeweils fünf Flügel, die aus einer horizontalen Scheibe im Schiffsboden nach unten ins Wasser reichen. Bei konstanter Drehzahl von 1600 U/min. sorgen die hydrodynamisch geformten Flügel mit je über einem Meter Länge durch ihre von der Scheibenumdrehung unabhängigen vertikalen Drehbarkeit nicht nur für den Vortrieb der Fähre mit einer Geschwindigkeit von maximal 21 km/h, sondern auch für die Richtungswahl.

Mit einem kammartigen Steg längs unterm Schiffsboden und einem Bugwulst an jedem Ende wird nicht nur die Richtungsstabilität verbessert, sondern auch der Treibstoffverbrauch durch 20 Prozent weniger Wasserwiderstand optimiert. Da die Antriebe an beiden Schiffsenden permanent laufen, können diese bei entsprechender Stellung der Flügel die Fähre auch ohne Vortrieb quer zur Fahrtrichtung versetzen oder auf der Stelle drehen. Gerade die engen Platzverhältnisse am Hafen Meersburg mit seiner 60-Grad-Kurve an der Einfahrt erfordern optimale Manövrierfähigkeit.

Die früher durch Trossen vertäuten Schiffe werden heutzutage nur noch durch die Landebrücken fixiert, die sich auf entsprechende Rastpunkte im Vorschiff absenken. Auch die anachronistische Absperrkordel quer über die Zufahrt zum Fahrzeugdeck gehört bei der Lodi der Vergangenheit an. Eine Doppelschranke, ähnlich einer Bahnübergangssicherung, wird zusammen mit der uferseitigen Landebrücke durch den Schiffsführer vom Steuerstand aus bedient. Dies entlastet nicht zuletzt die auf drei Mann reduzierte Besatzung.

Gerade Vielfahrer nutzen den Restaurationsbetrieb im Oberdeck oder entspannen im Fahrgastsalon. Bänke auf dem Promenadendeck erlauben den Blick auf landschaftliche Schönheiten wie die nahe Insel Mainau. Neben flacheren und damit bequemeren Treppenaufgängen zum Oberdeck wird ein Aufzug angeboten, der zur vollen Nutzbarkeit aller vier Spuren auf dem Fahrzeugdeck schräg an der leicht geneigten Seitenlängswand montiert wurde.

Da die schiffstechnisch notwendige Rundung des Unterwasserkörpers keinen Lift im Unterdeckbereich zulässt, finden in der Mobilität eingeschränkte Passagiere neben einer rundum barrierefreien Ausstattung eine eigene Toilette im Oberdeck. Die Ausstattung wurde bei der neuen Fähre schließlich noch durch kleine Krananlagen und Bergeplattformen ergänzt.

Fußgängerwege werden mit Restwärme eisfrei gehalten

Flugzeugähnliche Rutschen an den Außenseiten des Schiffs garantieren reibungsloses Evakuieren. Die zentralen Feuerlöscheinrichtungen sowie die Anschlüsse zur Versorgung mit Frischwasser, Treibstoff und zur Abwasserentsorgung sind an den Schiffsenden gegenüber den entsprechenden Hafeneinrichtungen positioniert. Die im Winter beheizbaren Fußgängerspuren auf den Vorschiffen werden mit der Restwärme des aus Seewasser gewonnenen Kühlwassers eisfrei gehalten.

Seit 82 Jahren bildet die Fährverbindung zwischen Konstanz und Meersburg einen wichtigen Teil des Verkehrsnetzes im Bodenseeraum. Seinerzeit setzte der damalige Konstanzer Bürgermeister Fritz Arnold den Aufbau der Fährverbindung durch. Das nach ihm benannte Schiff wird mit der Inbetriebnahme der Lodi außer Dienst gehen.

Insgesamt wurden bislang 264 Millionen Fahrgäste befördert, allein 2008 überquerten die sechs Fähren den Bodensee 68.116 Mal, das sind durchschnittlich 186 Fahrten pro Tag. Dabei wurden 4,4 Millionen Fahrgäste befördert. Im Sommer wird das von Enthusiasten wieder aufgebaute erste Schiff, die Meersburg ex Konstanz, die Fährgeschichte fortsetzen. Die Stadtwerke Konstanz haben dafür die noch vorhandenen Teile der alten Landebrücke restaurieren lassen und errichten sie neben dem Hafen im Konstanzer Stadtteil Staad.

© SZ vom 31.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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