Anspruch und Wirklichkeit bei Automodellen:Alphabet der automobilen Enttäuschungen

Lesezeit: 6 min

Es gibt keine schlechten Autos mehr? Das mag stimmen, wenn man nur von A nach B kommen will. Doch Beispiele für Etikettenschwindel, gruselige Designs und ungeschickt platzierte Bedienungsinstrumente gibt es genug. Eine Übersicht.

Von Georg Kacher

Es gibt Dinge, auf die muss der Autofahrer vermutlich ewig warten. Für den Wagen, der garantiert nicht verunfallen kann, fehlt die vernetzte Infrastruktur. Für den Reifen, der nicht mehr platzen kann, fehlt die Bereitschaft, in neue Technologien wie Füllschaum oder eine versteifende Wabenstruktur zu investieren. Für ein Scheibenreinigungssystem, das den antiquierten Scheibenwischer ersetzen kann, fehlt der Geistesblitz.

Für ein Bedienkonzept, mit dem selbst Unbegabte auf Anhieb umgehen können, fehlt der Konsens zwischen den rivalisierenden Anbietern. Schieben, drücken, kippen, ziehen, drehen - fast jede Marke verfolgt hier ihr eigenes Ding, das nicht immer in erster Linie der Funktionalität verpflichtet ist. Wer sich schon einmal nach der Mietwagenübernahme mit der überfrachteten Mittelkonsole eines aktuellen Ford oder Opel konfrontiert sah, weiß, was gemeint ist.

Sie sehen schon: es geht hier nicht nur um Komplettausfälle wie den Lada Niva oder den Renault Latitude. Uns beschäftigt vielmehr die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Erwartung und Erfüllung. Je weiter diese Pole voneinander entfernt sind, desto schlechter werden wir das Modell XYZ in Erinnerung behalten.

Ein Punto von Armani

Unsere Reise durch das Alphabet der automobilen Enttäuschungen beginnt beim Alfa Romeo Mito Twinair, den selbst Alfisti als einen von Armani eingekleideten Punto empfinden, dem die Controller ein Herz von H+M eingepflanzt haben. Nein, auch Audi baut bestimmt keine schlechten Autos. Aber warum schafft die Marke mit den vier Ringen immer noch nicht den Spagat zwischen geschmeidigem Fahrkomfort und knackigem Handling? Und warum klafft zwischen der erreichten Perfektion und der viel beschworenen Emotion seit Jahren eine fast unverändert große Lücke? RS4, S7 oder Q7 V12 sind unglaublich schnell und souverän, aber der vermittelte Erlebniswert ist so spritzig wie der Prosecco von vorgestern.

BMW überlässt es dem Kunden, seine Autos schlecht zu machen. Das klappt problemlos - man muss nur zum Beispiel einen X3 35i mit Sportfahrwerk, 19-Zöllern, Verstelldämpfern und Sportlenkung bestellen. Das Resultat ist ein unkomfortabler Crossover, der schlecht geradeaus läuft, zickig lenkt und zu viel verbraucht. Schlechte Erfahrungen haben wir auch mit dem frühen Chevrolet Captiva gemacht. Schlecht und wie beiläufig verarbeitet, ruppig motorisiert, unharmonisch abgestimmt. Die Zeiten der wirklich schlechten Citroën wie Xsara oder Saxo sind zwar längst vorbei, aber leider ist die Marke inzwischen auch des avantgardistischen Designs und der innovativen Technik verlustig gegangen. Kuckuckseier wie C1, C4 Aircross oder C-Crosser ramponieren das Image und frustrieren die Kunden. Der DS5 galt als große Comeback-Chance, aber er hat das Federn verlernt und das grandiose Raumgefühl einer DS verpasst.

Automobile Demokratisierung macht keinen Spaß

Dacia steht für die Demokratisierung der Mobilität - viel Auto für wenig Geld. Das mag sinnvoll sein, aber es macht keinen Spaß. Die Grenze zum schlechten Auto tangiert die Renault-Tochter nicht nur mit billigen Werkstoffen und schwacher Geräuschdämmung, sondern auch in puncto Sicherheitsausstattung und Fahrdynamik. Fiat baut Modelle wie den 500, dem wir fast alles verzeihen, weil er Stil hat und Charakter. Doch bei Punto und Bravo tendiert diese Nachsicht gegen null, denn wenn schon der Pragmatismus auf der Strecke bleibt, dann hätte man wenigstens gerne ein Mindestmaß an Komfort, Lenkqualität und Anmutung. Honda vertraut bei Insight und CR-Z auf die Hybridisierung, aber leider fahren wir schlecht damit, trotz tiefgrünen CO2-Werten und progressivem Design. Die zwei Modelle leiden unter schlechter Übersichtlichkeit, temperamentlosem Antrieb, bedenklichem Komfort und dürftigen Werkstoffen.

Für Hyundai und Kia gilt das Gleiche wie für Opel und Ford: ordentliches Mittelmaß, getrübt durch gelegentliche Mängel im Detail. Kein Grund zum Jubeln, aber auch keine rote Karte. Jeep soll im Schulterschluss mit Alfa und Maserati zur Kultmarke ausgebaut werden. Als ultimative Offroad-Ikone glänzt der Wrangler, der - analog zum Defender - dafür auf befestigten Straßen keinen Stich macht. Ein schlechtes Auto? Überall, außer im Gelände.

Lancia perfektioniert den Etikettenschwindel und verliert gleichzeitig das Gespür für das nötige Mindestmaß an italienischem Chic. Das Ergebnis sind schlechte Karten für eine Marke, die vor noch wenigen Jahren richtig gute Autos gebaut hat. Lexus hat uns Sternstunden bereitet mit dem unglaublichen LFA und dem kernigen IS-F, doch der CT ist sprödes Mittelmaß, der große LS macht als unausgewogene Overkill-Limousine in Europa keinen Stich und der RX bildet trotz Hybridantrieb das Schlusslicht in diesem Segment. Apropos Hybrid: Auch Audi, BMW, Porsche und Infiniti tun alles, damit sich der Kunde nach der Probefahrt für einen Benziner oder Diesel entscheidet.

Mercedes muss sich vor allem am eigenen Anspruch messen lassen. Die Zweitürer der E-Klasse sind keine schlechte Wahl, nur weil die Technik von der C-Klasse stammt. Der SLS verliert kaum an Faszination, obwohl er im Konzert der Supersportwagen deutlich abfällt. Die R-Klasse ist kein großer Wurf, aber sie war den Versuch Wert. Die A-Klasse verdient es nicht mit Liebesentzug bestraft zu werden, nur weil sie den Innovations-Bonus gegen einen Emotions-Bonus eingetauscht hat. Mini hätte dem Clubman eine vierte Tür spendieren sollen und der gesamten Baureihe ein klügeres Bedienkonzept, doch die schlimmste Mini-Sünde sind die prolligen Deko-Kits, deren Bestellung eigentlich mit einem Tagfahrverbot verbunden sein müsste.

Das Dilemma des Elektroautos

Der Mitsubishi i-Miev steht für das Dilemma des Elektroautos. Auch in diesem Stromer hockt man frierend hinter zugeeisten Scheiben und fixiert im Schneckentempo die Reichweitenanzeige, die trotz selbst auferlegtem Überholverbot und abgeklemmter Sitzheizung den Prospektwert ad absurdum führt.

Peugeot hat mit dem neuen 208 einen charmant gestylten Kompaktwagen lanciert. Leider hält der Inhalt nicht, was die Form verspricht, denn ungeschickter kann man Instrumente kaum platzieren, künstlicher eine Lenkung kaum auslegen, poltriger ein Fahrwerk kaum abstimmen.

Dem Panamera wäre ein Stammplatz in der Tiefgarage unseres Herzens sicher, wenn er nicht so gruselig gestylt wäre. Und warum hat gerade Porsche, wo sich stets alles um den Fahrer dreht, Nachholbedarf in Sachen Bedienkonzept, Zugriff zu den Fahrprogrammen und Instrumentierung? Renault war klug genug, den von Samsung ausgeborgten Latitude und den blassen Fluence mit E-Antrieb vom deutschen Markt zu nehmen, aber eigentlich hätte man auch dem Koleos und dem Laguna Coupé die schwarze Flagge zeigen müssen - dem Softroader als fahrdynamischen Grenzgänger und dem Zweitürer als insgesamt dürftigen Wertverlust-Champion.

Auch Rolls-Royce könnte besser sein

Der Begriff "schlecht" hat viele Facetten. Selbst ein Rolls-Royce könnte besser sein, wenn man sich in München nicht auf das idiosynkratische Türkonzept eingeschossen hätte, dessen größter Vorteil die unverwechselbare Schrulligkeit ist. Der Seat Exeo hat der Marke unter Umständen mehr geschadet als genutzt, denn die Qualität eines Audi A4 made in Spain dürfte ein einmaliger Ausrutscher nach oben gewesen sein. Mit der Qualität ist das ohnehin so eine Sache. Der neue Toledo fällt diesbezüglich ebenso ab wie der am gleichen Band montierte Škoda Rapid, und auch der neue Leon ist innen nicht so wertig wie er sein sollte - Hyundai und Kia legen hier inzwischen strengere Maßstäbe an. Subaru baut einerseits Geheimtipps wie den extremen WRX STI und andererseits rollende Schlaftabletten wie den rundum unterdurchschnittlichen Forester. Diese Marke ist dabei, sich zu verbiegen. Auch bei Suzuki liegen Licht und Schatten dicht beisammen: hier der kompetente Swift, dort der antiquierte Jimny.

Man könnte den Lamborghini Aventador abwerten ob des kleinen Kofferraums, den E63 AMG wegen der harten Federung und den Bentley GT W12, weil er so viel verbraucht. Doch das Prädikat schlecht ist fehl am Platz, wenn es nur einen speziellen Aspekt berücksichtigt, statt das komplette Eigenschaftsprofil. Warum stehen so viele Toyotas auf unserer schwarzen Liste? Weil Autos wie Urban Cruiser, Aygo, Avensis oder Land Cruiser nur mit Mühe die Mindestanforderungen erfüllen. Das sind passiv abgestimmte, lieblos eingerichtete, anonym gestylte und rundum verzichtbare Fahrzeuge, deren Anspruch über den eines biederen Transportmittels nicht hinausgeht. VW macht das viel geschickter, denn in Wolfsburg entscheiden die Technokraten, nicht die Erbsenzähler. Trotzdem ist der Scirocco nicht so mitreißend wie ein Toyota GT-86, der Eos nicht so dynamisch wie ein BMW Einser Cabrio, der Phaeton nicht so komplett wie seine Rivalen. Volvo zehrt noch von der Ford-Connection, vom eigenen Sicherheits-Know-how und vom markanten Nordic Design. Trotzdem ist der veraltete S80 in der oberen Mittelklasse ungefähr eine so kluge Wahl wie ein Citroën C6 oder Kia Optima.

Aktuell nimmt die Zahl der schlechten Autos eher zu als ab. Ein Beispiel, stellvertretend für viele, sind die meisten E-Mobile, Hybriden und Range Extender der ersten oder zweiten Generation, die man nicht wirklich besitzen will, weil weder die Kosten-Nutzen-Rechnung stimmt noch der umweltrelevante Mehrwert.

So wie es aussieht, nehmen wir Kurs auf eine automobile Zwei-Klassen-Gesellschaft. Die Premiumhersteller werden als Vollsortimenter künftig das komplette Spektrum abdecken, denn sie sind finanzstark genug, um in Innovationen wie Leichtbau, intuitive Bedienkonzepte und effizientere Antriebe zu investieren. Die Volumenhersteller müssen sich entweder untereinander arrangieren wie PSA und Opel oder mit den Top-Anbietern kooperieren wie Renault/Nissan und Daimler.

Die wirklich schlechten Autos, die vorrangig in China und Amerika vom Band rollen, haben im anspruchsvollen Europa ohnehin keine Chance. Die weniger guten Autos, die sich schon heute nur mit hohen Rabatten verkaufen lassen, drohen spätestens dann auf der Strecke zu bleiben, wenn VW mit seiner geplanten Billigmarke solide Technik unters Volk bringt. Denn der beste Gradmesser für die Einstufung auf der Skala von gut bis schlecht ist und bleibt der Konsument.

© SZ vom 05.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: