Tiere:Wenn die Zikaden kommen

Lesezeit: 2 Min.

Die Zikade sticht nicht und überträgt auch keine Krankheiten. Aber die Männchen machen einen ohrenbetäubenden Lärm, um so viele Weibchen wie möglich abzubekommen. (Foto: Wirestockx/IMAGO)

Den USA steht im Frühjahr eine gigantische Plage bevor, denn zwei Bruten der rotäugigen Insekten schlüpfen gleichzeitig. Was das bedeutet, hat man zuletzt zu Napoleons Zeiten erlebt.

Von Tina Baier

Das letzte Mal, als Billionen von Zikaden die USA heimsuchten, plante Napoleon gerade die Invasion Großbritanniens und in Deutschland wurde der berüchtigte Räuberhauptmann "Schinderhannes" zum Tode verurteilt und geköpft.

Das war im Jahr 1803. Im Jahr 2024 sind Napoleon und Schinderhannes längst Geschichte, aber die Menschen in den USA werden wieder mit einer gewaltigen Zikadenplage zu kämpfen haben. Wie damals haben sich Singzikaden aus "Brut XIII" und "Brut XIX" bereits in Massen aus tieferen Bodenschichten nach oben gegraben. Die Tiere der Gattung Magicicada warten nur noch darauf, gemeinsam hervorzubrechen. Ende April wird es voraussichtlich so weit sein.

Das alles weiß man so genau, weil sich die zwei bis drei Zentimeter langen, rotäugigen Insekten an einen genauen Zeitplan halten. Zikaden aus Brut XIII kommen alle 17 Jahre an die Oberfläche, die Tiere aus Brut XIX alle 13 Jahre. Das Besondere in diesem Jahr: Die Erscheinungstermine der beiden Bruten überlappen sich, und das passiert nur alle 221 Jahre. "Das wird interessant", sagt der Schweizer Singzikaden-Experte Thomas Hertach.

Eine spannende Frage sei zum Beispiel, ob sich die Tiere aus den verschiedenen Bruten miteinander paaren. Und ob dabei dann vielleicht neue Arten oder gar neue Bruten entstehen. Vielleicht kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieses Jahr auch der Lösung des Rätsels näher, warum diese periodischen Zikaden, die es nur in den USA gibt, so viele Jahre unter der Erde leben, bevor sie sich ans Tageslicht wagen.

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"Eine Theorie ist, dass es sich dabei um eine Strategie handelt, Fressfeinden auszuweichen", sagt Hertach. "Kein Vogel und kein Säugetier ist in der Lage, sich auf einen derart langen Zyklus einzustellen." Würden die Zikaden in kürzeren Abständen auftauchen, zum Beispiel alle zwei Jahre, gäbe es bald Tiere, die genau in diesen Jahren besonders viel Nachwuchs zeugen, der dann problemlos mit Unmengen von Zikaden durchgefüttert werden könnte.

Die gute Nachricht für die Menschen in den betroffenen Regionen ist: Die Zikaden sind nicht gefährlich. Sie beißen nicht, sie stechen nicht und sie übertragen auch keine Krankheiten. Allerdings sind sie laut: Um Weibchen anzulocken, machen die männlichen Zikaden nämlich einen ohrenbetäubenden Lärm. "Das kann so laut sein wie ein fahrender Lkw", sagt der Göttinger Entomologe Herbert Nickel. "Um das Geräusch, das durch ein spezielles Trommelorgan im Hinterleib erzeugt wird, zu verstärken, haben Singzikaden spezielle Luftsäcke. Jedes Männchen will lauter sein als die anderen." Für die Insekten hat das ganze Spektakel nämlich nur einen einzigen Zweck: sich zu paaren. Und wer am lautesten zirpt, bekommt die meisten Weibchen.

Für die Natur wirkt sich die Insekteninvasion äußerst positiv aus

Unangenehm für Menschen kann auch der sogenannte Zikadenregen werden, der von den Bäumen tropft, auf denen die Tiere in Massen sitzen und Pflanzensaft schlürfen. Was sie nicht verwerten können, lassen sie einfach fallen.

Für Vögel, Eichhörnchen und einige andere Tiere sind die Zikadenmassen dagegen ein Festmahl. Überhaupt wirkt sich die Insekteninvasion auf die Natur eher positiv aus: Die Gänge, die die Tiere buddeln, wenn sie sich ins Freie graben, durchlüften den Boden. Und wenn die Singzikaden nach wenigen Wochen sterben - "lokal gibt es fast Massengräber", sagt Hertach -, fungieren ihre Kadaver als Dünger, der das Wachstum vieler Pflanzen ankurbelt.

Bevor die Insekten verenden, legt jedes Weibchen Hunderte Eier in kleine Schlitze, die es in die Rinde von Zweigen ritzt. Nach wenigen Wochen schlüpfen daraus Larven. Sie lassen sich zu Boden fallen und verschwinden in der Erde. So als sei nichts gewesen.

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