Raumfahrt:Von Deutschland aus ins All?

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Raketen, die in den Himmel steigen - bisher kennt man solche Bilder vor allem aus Florida, Kasachstan oder Französisch-Guayana. (Foto: AP)
  • Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) wünscht sich einen eigenen Zugang zum Weltall durch einen "Spaceport" in Deutschland.
  • Aus Sicherheitsgründen kämen dafür nur Standorte an der Küste infrage.
  • Doch dort könnte es Konflikte mit dem Naturschutz geben.

Von Hanno Charisius

Ja, warum eigentlich nicht Raketen von Deutschland aus ins Weltall schießen? Das wäre eine Wohltat für den Wissenschafts-Standort, Hightech-Industrie würde sich ansiedeln, es gäbe eine Touristenattraktion mehr. Ende vergangener Woche forderte der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) einen eigenen Zugang zum Weltall. Eine in Deutschland entwickelte Trägerrakete solle kleine Objekte ins All befördern. Man wolle damit nicht den großen, europäischen Raketen der Ariane-Klasse Konkurrenz machen, aber bei kleinen Satelliten gerne unabhängig sein.

Praktisch gibt es da allerdings ein paar Probleme. Üblicherweise werden Raketenstartplätze weit entfernt von dicht besiedelten Gebieten geplant. Solche sind in Mitteleuropa aber eher rar. Es sollen keine Anwohner gefährdet werden, erstens für den Fall, dass etwas schiefgeht beim Start. Und zweitens, wenn abgebrannte Raketenstufen zur Erde zurückfallen. Also kämen in Deutschland ohnehin nur Standorte an der Küste infrage. "Und bei der Ostsee bin ich schon sehr skeptisch", sagt der ehemalige Raumfahrer Thomas Reiter, der die internationalen Agenturen der Europäischen Weltraumorganisation Esa koordiniert. In der Ostsee sei es schwierig, einen geeigneten Startkorridor zu finden, der nicht über besiedeltes Gebiet führt. "Und man möchte ja nicht, dass eine Unterstufe in so einer Region niedergeht."

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Je nachdem, in welche Umlaufbahn eine Rakete fliegen soll, gibt es günstigere und ungünstigere Startplätze auf dem Globus. Als Faustregel gilt: Soll die Umlaufbahn nahe des Erdäquators liegen, und das ist oft der Fall, bieten sich Startplätze eben nahe des Äquators an. Von dort gestartete Raketen sparen zudem etwas Treibstoff, weil sie die Erdrotation nutzen können, um Geschwindigkeit aufzunehmen.

Der europäische Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch-Guayana, hat die günstigste Lage für solche Starts und liegt am Meer, sodass eventuell herabstürzende Raketenteile in der Regel kein Problem sind. Russland und die USA benutzen üblicherweise ihre Startrampen in Florida (ebenfalls am Meer) oder Kasachstan (fast menschenleere Wüste), um in diesen Teil des Himmels zu fliegen. Indien und China haben ebenfalls günstig gelegene Startplätze, um Raumfahrzeuge in den äquatorialen Orbit zu schießen. Möchte man Umlaufbahnen um die Polkappen herum erreichen, liegen hingegen Startplätze weiter im Norden und Süden günstiger.

Abwegig ist die Idee von einem Weltraumbahnhof in der EU jedenfalls nicht. Verschiedene Startplätze für Raketen mit geringer Nutzlast werden bereits seit einigen Jahren diskutiert. Erst im vergangenen Jahr verkündete die britische Raumfahrtagentur das Vorhaben, im kommenden Jahrzehnt von Schottland aus Satelliten in den Erdorbit zu schießen. Von dort sollen die britisch-dänische Entwicklung Orbex und die amerikanisch-neuseeländische Electron-Rakete einmal starten. Beide sollen in der Lage sein, zwischen 100 und 220 Kilogramm schwere Satelliten in eine Erdumlaufbahn zu bringen.

Auch die Idee eines "horizontalen Starts" wurde bereits diskutiert. Dabei bringen Flugzeuge die Raketen über einem sicheren Gebiet in größere Höhe, bevor die Triebwerke der Raumgefährte gezündet werden. Daneben gab es Diskussionen über Startplätze auf den Azoren. Die erste Spectrum-Rakete des bayerischen Raumfahrtunternehmens Isar Aerospace soll im Jahr 2021 von Schweden oder Norwegen aus in den Orbit gelangen. Und erst im April gab die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern bekannt, dass in einer Machbarkeitsstudie geprüft werden solle, ob der Flughafen Rostock-Laage als "Spaceport" infrage kommt. Da er wie der Flughafen in Nordholz an der Nordsee von Zivil- und Militärmaschinen angeflogen wird, gibt es bereits technische Infrastruktur vom Präzisionsradar bis zur Feuerlöschausrüstung, die andere Orte nicht bieten.

Auf der anderen Seite: Wollte man von diesen beiden Plätzen aus Satelliten in eine andere als eine polare Umlaufbahn befördern, würde man unweigerlich über besiedeltes Gebiet zielen müssen. In Nordholz kommt erschwerend der Nationalpark Wattenmeer hinzu, Unesco-Weltnaturerbe. Inwieweit Spaceport-Betrieb und Naturschutz in so einer Region vereinbar sind, müsste man erst untersuchen.

Besonders zuversichtlich ist Thomas Reiter angesichts dieser Hemmnisse nicht, wenn es um einen Weltraumbahnhof in Deutschland geht. Doch grundsätzlich begrüßt er die Idee, Startplätze für kleine Raketen in Europa zu schaffen. "Wichtig ist, dass man verstanden hat und bei diesem Geschäft mitmischen will." Viele Start-ups würden mittlerweile in diesen Bereich drängen. "Diverse Unternehmen werden in den kommenden Jahren Tausende kleiner Kommunikationssatelliten ins All schießen. Wir sehen uns nicht in Konkurrenz zu diesen Unternehmen, sondern wollen gemeinsam mit ihnen die notwendigen Fähigkeiten entwickeln", sagt Reiter. Natürlich sei es "logistisch einfacher, eine Rakete direkt vor der Haustür abzuschießen", als sie beispielsweise erst nach Kiruna in Nordschweden zu transportieren, einem bereits etablierten Startplatz für Kleinraketen. "Doch was bringt mir das, wenn ich von hier aus nicht den Orbit erreiche, den ich brauche?"

© SZ vom 22.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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