Weltraum-Thriller "Gravity":Die seltsame Physik Hollywoods

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Plötzlich schwebt eine Zahnspange durch das Spaceshuttle. Auch im Weltraum-Thriller "Gravity" finden sich etliche abwegige Szenen. Dennoch besticht der Film mit enormer Realitätsnähe und Detailtreue. Über Science-Fiction-Effekte und Totalausfälle der Naturgesetze im Kino.

Von Patrick Illinger

"Jeder Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen, geradlinigen Bewegung, sofern er nicht von einwirkenden Kräften gezwungen wird, diesen Zustand zu ändern." - Isaac Newton

Keine Aliens, keine Laserwaffen, kein Warp-Antrieb. Der aktuelle Kinoerfolg "Gravity" ist ein puristischer, intensiver und enorm realitätsnah wirkender Weltraum-Thriller. Die Genrebezeichnung Science-Fiction wird dem Film dabei nicht gerecht, denn es fehlt der damit üblicherweise konnotierte Zeitsprung in die Zukunft. Die Geschichte spielt im Hier und Jetzt, wobei man das Hier etwas großzügig auslegen muss.

Ort der Handlung ist der erdnahe Weltraum, wo sich menschengemachte Außenposten wie die Internationale Raumstation, das Hubble-Teleskop und die chinesische Station Tiangong-1 bewegen. Sogar ein Spaceshuttle ist mit von der Partie, obwohl die Raumgleiter vor zwei Jahren von der Nasa ausgemustert wurden. Insofern: "Gravity" ist fiction, aber nicht future, was die Begeisterung der Zuschauer nicht mindert. In Deutschland wie in den USA steht der 91-minütige Höllenritt durchs All auf Platz eins der Kino-Charts.

Teil des Geheimnisses ist die Akkuratesse, mit der technische und physikalische Vorgänge in die Handlung gebettet werden. Nie zuvor wurden die bizarren Effekte der Schwerelosigkeit derart gelungen filmisch umgesetzt. Gleiches gilt für Details der Raumfahrzeuge, Apparaturen und Ausrüstung. "Als ich den Film sah, war ich erstaunt über die Stimmigkeit des Spaceshuttles, der Gerätschaften und sogar der Werkzeuge, mit denen ich selbst gearbeitet habe", sagt der Nasa-Astronaut Michael Massimo.

Auch German Zoeschinger, der bei der DLR in Oberpfaffenhofen als Flugdirektor der Internationalen Raumstation arbeitet, äußert sich erfreut. Bei einer Szene in der Raumstation habe er einen Laptop entdeckt, auf dem die Software lief, die tatsächlich den Alltag der Astronauten bestimmt. "Sogar das Akronym stimmte", staunt Zoeschinger: OSTPV für Onboard Short Term Plan Viewer.

Unnötig zu sagen, dass Regisseur Alfonso Cuarón grobe Schnitzer vermieden hat, Geräusche zum Beispiel, wenn gefährlicher Weltraumschrott durchs All donnert. Schall im luftleeren Raum - das wäre das Pendant zu den berüchtigten auf Sand quietschenden Autoreifen.

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