Astronomie:Kam unser Wasser aus dem All?

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Ende Februar 2021 fiel dieser Stein aus dem Weltall auf das Städtchen Winchcombe im Westen Englands. (Foto: Jonathan E.Jackson / NHM Photo U/The Natural History Museum, Lond)

Ein Meteorit, der 2021 im englischen Winchcombe landete, wurde anders als frühere Exemplare fast sofort geborgen. Seine Chemie dürfte also unverfälscht sein - und stützt eine Theorie zum Ursprung der Ozeane.

Es war im Wortsinn ein Glücksfall: Anfang 2021 fiel ein Meteorit auf eine Garageneinfahrt im Städtchen Winchcombe in England und wurde binnen kürzester Zeit gefunden, also noch bevor sich seine chemische Zusammensetzung großartig ändern konnte. Nun wurden der Brocken und seine Brösel analysiert: Dabei fanden Wissenschaftler unter anderem Wasser, dessen chemische Signatur stark derjenigen des irdischen Wassers ähnelt. Demnach stützen die Ergebnisse, über die die Forscher in der Fachzeitschrift Science Advances berichten, eine Theorie, wie das Wasser einst auf die Erde gekommen ist: nämlich durch Meteoriteneinschläge aus dem All.

Meteoriten können Wissenschaftlern wertvolle Informationen über das junge Sonnensystem liefern. Das Problem: Nach dem Aufprall verändern irdische Einflüsse rasch die Steine aus dem Weltall und verwischen damit Spuren. 2021 aber geschah etwas Besonderes: Am 28. Februar um 21.54 Uhr Ortszeit zog eine leuchtend helle Sternschnuppe über den Himmel der Grafschaft Gloucestershire im Südwesten von England. Die Leuchtspur wurde von 16 Spezialkameras eines Meteoriten-Netzes aufgenommen sowie von zahlreichen Überwachungs- und Dashboardkameras. Mehr als tausend Augenzeugenberichte gingen bei Sternwarten und anderen Forschungseinrichtungen ein. So wurde der Meteorit innerhalb weniger Stunden aufgespürt.

Er lag auf einer Auffahrt im Städtchen Winchcombe, zersplittert in einen Haufen dunkler, zentimeter- bis millimetergroßer Bruchstücke mit einer Gesamtmasse von 319,5 Gramm. Die Stücke wurden sofort in sorgfältig versiegelte Behälter gepackt. Innerhalb der folgenden Tage fanden die Forscher zahlreiche weitere Bruchstücke, das mit 152 Gramm größte Teil auf einem Acker in der Umgebung von Winchcombe.

Es gibt zwei konkurrierende Theorien, wie das Wasser auf die Erde gelangt ist

Mehr noch: Untersuchungen der Forscher um Ashley King vom Natural History Museum in London zeigen, dass der Meteorit auch kaum durch kosmische Strahlung verändert worden ist. Er kann sich also nicht allzu lange im Weltall aufgehalten haben. "Er ist bereits kurz nachdem er von seinem Ursprungskörper abgespalten wurde auf die Erde gefallen", folgern die Wissenschaftler. Durch Zusammenstöße im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter können solche Trümmer in das innere Sonnensystem gelangen - und mitunter in die Erdatmosphäre eindringen.

Wie das Team um King berichtet, enthält das Gestein eine große Menge an Silikaten, in die Wasser eingebunden ist. Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass das Gestein bei seiner Entstehung mit flüssigem Wasser in Kontakt war. Wassermoleküle bestehen aus je zwei Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom. Für die Forscher spannend ist dabei der Wasserstoff, denn er kommt in drei Isotopen vor: als leichter, schwerer und überschwerer Wasserstoff. Die schweren Isotope sind selten, ihre Häufigkeit im Wasser erlaubt deshalb Rückschlüsse auf dessen Herkunft. "Die nahezu rein erhaltene Zusammensetzung der Wasserstoffisotope im Winchcombe-Meteoriten ähnelt jener der irdischen Hydrosphäre", so King und seine Kollegen. Das bestätige die These, dass der überwiegende Teil des Wassers auf der Erde von Asteroiden stammt.

Es gibt zwei konkurrierende Hypothesen, wie das Wasser auf die Erde gelangt ist. Die eine geht davon aus, dass der Stoff schon bei der Entstehung der Erde in das Material eingeschlossen war, aus dem sich die Erde zusammengefügt hat. Die andere Theorie besagt, dass die junge Erde dafür zu heiß war: Hätte es Wasser gegeben, wäre es durch die intensive Sonneneinstrahlung großteils verdampft und durch Sonnenwinde ins All geweht worden. Nur in der äußeren Region des Sonnensystems flogen demnach Brocken mit Wassergehalt herum. Von dort, so die Hypothese, sei der Stoff dann später über Kometen und Asteroiden auf die Erde gefallen.

Neben den aufschlussreichen Wasserstoffisotopen enthält der Winchcombe-Meteorit auch viele komplexe chemische Verbindungen auf der Grundlage des Elements Kohlenstoff. Sogar Aminosäuren sind darunter, die in der irdischen Biologie eine wichtige Rolle als Bestandteile von Proteinen besitzen. "Präbiotische Moleküle wie diese Aminosäuren sind entscheidende Komponenten für die Entstehung von Leben", betonen die Forscher. "Ihr Vorhandensein in dem reinen Winchcombe-Meteoriten zeigt, dass diese organischen Substanzen durch Meteoriten auf die junge Erde gebracht worden sein können."

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