Walschutz:Leben oder sterben lassen

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Bedroht oder nicht? Ein Foto des australischen Zolldienstes zeigt ein japanisches Schiff beim Erlegen eines Minkwal-Weibchens. (Foto: dpa)
  • In Brasilien findet diese Woche die 67. Konferenz der Internationalen Walfangkommission (IWC) statt.
  • Es sind schicksalhafte Tage, denn zur Debatte steht die Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs.
  • Norwegen, Island und Russland unterstützen das Vorhaben Japans; Brasilien, Argentinien, Uruguay und Chile wollen dagegen den Walschutz ausbauen.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro, und Christoph Neidhart, Tokio

Vor der Küste des südbrasilianischen Bundesstaates Santa Catarina war am vergangenen Wochenende ein einzigartiges Schauspiel zu beobachten: 284 Glattwale tummelten sich im Wasser, darunter etliche Jungtiere. Vom Strand aus sah man ihre typische v-förmige Atemfontäne, immer wieder schienen sie mit ihren Schwanzflossen in die Kameras zu winken. Wale sind in dieser Gegend um diese Jahreszeit keine Seltenheit. Wenn auf der Südhalbkugel Winter ist, wandern sie aus antarktischen Gewässern nach Norden, um sich zu paaren und zu kalben. Laut der Hafenbehörde von Imbituba, etwas südlich der Stadt Florianópolis gelegen, ist eine derart große Anzahl von Glattwalen aber seit mehr als zehn Jahren nicht gesichtet worden. Fast hat es den Anschein, als wären sie gekommen, um etwas PR in eigener Sache zu machen.

In Florianópolis findet diese Woche die 67. Konferenz der Internationalen Walfang-kommission (IWC) statt. Es sind schicksalhafte Tage für die Zukunft der weltweit größten Säugetiere, denn zur Debatte steht die Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs. Delegationen aus 75 Ländern haben sich eingefunden, wobei sich zwei Gruppen gegenüberstehen: die Walfänger- und die Walschützer-Nationen. Zu den Befürwortern der Jagd auf Wale gehören Norwegen, Russland und Island. Angeführt wird diese Fraktion aber von Japan, das mit Joji Morishita auch den Vorsitzenden der diesjährigen Konferenz stellt.

Japan nutze die Forschung nur als Deckmantel für die Waljagd, so der Vorwurf

Morishita, früher Chefunterhändler seines Landes, kämpft seit Jahren für die erneute Legalisierung des Walfangs. Dazu habe Japan auch schon, so ein früherer australischer Umweltminister, die Stimmen kleiner Inselstaaten in der IWC gekauft. Tokio will das seit 1986 geltende Walfang-Moratorium kippen, an das es sich ohnehin nie gehalten hat. Angeblich zur Forschung - das sei bloß ein Deckmantel, befand der internationale Gerichtshof in Den Haag 2014 - tötet Japan jährlich Hunderte Minkwale. Auch Norwegen, Island und Russland haben das Moratorium nie anerkannt.

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Im Lager der Walschützer hat Gastgeber Brasilien die Führung übernommen. Dessen Umweltminister Edson Duarte stellte sich in der Eröffnungsrede klar gegen den japanischen Vorstoß. Sein Land lehnt jede "Flexibilisierung" des Walfangverbots ab und hat in der "Florianópolis-Erklärung" einen Gegenentwurf zum Antrag Japans vorgelegt. Ziel ist es, die IWC zu einem Walschutzgremium umzubauen. Brasilien wird von Argentinien, Uruguay und Chile unterstützt, aber auch von Natur- und Tierschutzorganisationen. Sowohl für den japanischen als auch für den brasilianischen Reformvorschlag wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig. Noch sind beide Lager hinter den Kulissen um einen Konsens bemüht, aber die Positionen gelten als nahezu unvereinbar, wie aus Teilnehmerkreisen zu hören ist. Am Dienstag scheiterte ein Antrag der Walschützer-Länder. Sollte es bis Freitag keine Einigung geben, dürfte es zur Kampfabstimmung um die Wale kommen: Leben oder sterben lassen.

Die Südamerikaner machen keinen Hehl daraus, dass sie sich auch aus wirtschaftlichen Gründen für den Schutz der Tiere engagieren. Dort ist mit Whale Watching deutlich mehr zu verdienen ist als mit Whale Killing. Gerade in Brasilien und Argentinien haben sich Wal-Safaris zu einem wichtigen Tourismusfaktor entwickelt. Die Glattwale von Imbituba haben das am Wochenende allen Konferenzteilnehmern vor Augen geführt.

Seit 1986 hat das Fang-Moratorium Hunderttausenden Walen das Leben gerettet. Nach Angaben der Organisation Ocean Care ging die Zahl der getöteten Wale schon in den ersten fünf Jahren nach Inkrafttreten um etwa 75 Prozent zurück. Tokio behauptet, in Japan sei Walfang eine alte Tradition, vergleichbar mit der Jagd in Europa. Allerdings wurde die angebliche Tradition, zu der auch Feste gehören, mit denen man dem Wal dankt, dass er für die Menschen gestorben sei, erst im 20. Jahrhundert erfunden. Historische Menüs enthalten kein Walfleisch. Traditionell gab es in Küstenorten einen Gelegenheitswalfang, mehr nicht: Wenn sich ein Wal in die Bucht verirrte, jagte man ihn.

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Somit hat Japan auch kaum dazu beigetragen, dass die Wale nahezu ausgerottet wurden. Das waren Briten, Norweger, Niederländer und vor allem Amerikaner, deren Widerstand gegen den Walfang die Japaner besonders ärgert. Zudem nutzen die Japaner ihre erlegten Tiere ganz, nicht nur Tran und Barten wie die Amerikaner einst, die das Fleisch ins Meer zurückwarfen. Schon deshalb wirft Tokio dem Westen Doppelmoral vor. Zu einer relevanten Walfangnation wurde Japan erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Land hungerte, vor allem herrschte Proteinmangel. Die US-Besatzer rieten Tokio, diesen mit Walfleisch zu beheben. Doch damals war bereits absehbar, dass die Walbestände drastisch zurückgehen würden.

Die große Mehrheit der Japaner isst kein Walfleisch, ältere Leute lehnen es ab, weil sie es tranig und schlecht zubereitet einst als Schulmahlzeit vorgesetzt bekamen. Wirtschaftlich spielt der Walfang keine Rolle, die japanische Regierung subventioniert die Walfangflotte mit jährlich etwa 40 Millionen Euro. Sie hält vielmehr am Walfang fest, weil sie den Wählern damit demonstrieren will, dass sie sich vom Ausland, vor allem den USA, nichts diktieren lässt. Und weil das Walfleisch, das sie jagen lässt, nicht alles verkauft werden kann, ruft sie die Japaner regelmäßig auf, mehr Wal zu konsumieren.

© SZ vom 13.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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