Vulkanausbrüche:Nichts wie raus aus der Wolke

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Vulkanasche raubt den Brennkammern eines Düsentriebwerks den Sauerstoff und kann so Abstürze verursachen. Für die Piloten gilt deshalb: Nichts wie raus aus der Wolke.

Patrick Illinger

In der Fliegersprache gibt es allerlei Spezialbegriffe für Notsituationen und irreguläre Ereignisse. CFIT zum Beispiel steht für controlled flight into terrain. Gemeint ist die tragische Kategorie von Unfällen, bei denen ein Flugzeugführer versehentlich mit dem Erdboden kollidiert, zum Beispiel, weil er im Nebel einen Berg übersieht.

Ein anderer Begriff lautet flameout, zu Deutsch etwa "Flamme aus". Er bezeichnet das Absterben eines Düsentriebwerks, wenn die Flammen in der Brennkammer erlöschen. In den Anfängen der Düsenfliegerei waren flameouts ein häufiger Grund für Unfälle.

Heute kommen sie nur noch selten vor, zum Beispiel wenn ein Vogel ins Triebwerk gerät. Noch seltener ist die Ursache für einen flameout eine Wolke aus Vulkanasche.

Aschepartikel rauben den Brennkammern den Sauerstoff

Doch ist ein solches Ereignis nicht ausgeschlossen, und wenn es passiert, gerät das Flugzeug in eine prekäre Situation. Aschepartikel oder auch nur die Abgase eines Vulkans können den Brennkammern eines Düsentriebwerks den nötigen Sauerstoff rauben, wodurch das Flugzeug augenblicklich den Schub verliert.

Geschehen ist das zum Beispiel am 15. Dezember 1989, als ein Jumbo-Jet der KLM auf dem Weg von Amsterdam nach Tokio über Alaska in eine äußerlich kaum bedrohlich wirkende Wolke flog, die der Vulkan Mount Redoubt nur 90 Minuten zuvor ausgespien hatte.

Die Wolke sehe nur leicht bräunlich aus, funkte der Pilot an die Bodenstation von Anchorage. Kurze Zeit später meldete er jedoch Gestank im Cockpit, und es sei alles schwarz um ihn herum. Dann fielen alle vier Triebwerke der Boeing 747 aus. "Wir sind im Fallen", alarmierte der Pilot die Bodenkontrolle.

Mit 231 Passagieren an Bord hätte es einer der schrecklichsten Unfälle der Luftfahrtgeschichte werden können. Doch die Crew bekam nach acht Minuten Sinkflug und mehreren Startversuchen zwei Triebwerke wieder in Gang und landete den Jumbo in Alaskas Hauptstadt.

Notfallprozedur namens "volcanic ash"

Ein Beamter der US-Flugsicherheitsbehörde berichtete später, die Maschine habe ausgesehen, "als wäre sie sandgestrahlt worden". Die Vulkanwolke hatte den Lack der Maschine abgeschabt, insgesamt betrug der Schaden 80 Millionen Dollar.

Nicht erst seit diesem Zwischenfall lernen Piloten eine Notfallprozedur namens "volcanic ash", die vorschreibt, was bei der Begegnung mit einer Vulkanwolke zu tun ist.

Fallen die Turbinen aus, sei das Wichtigste, sagt Jörg Handwerg, Flugkapitän und Pressesprecher der Vereinigung Cockpit: "180 Grad Kehrtwende und nichts wie raus aus der Wolke." Wie Triebwerke in der Luft dann wieder anzuwerfen sind, ist vom Typ der Maschine abhängig.

Da die Stromversorgung des Flugzeugs üblicherweise von Generatoren in den Triebwerken geleistet wird, müssen zunächst Batterien die nötigste Elektrik speisen. In einigen Flugzeugtypen wird ein Hilfsgenerator im Heck gestartet.

Abhängig von der Flughöhe kann es jedoch sein, dass der Luftdruck in den Brennkammern der Triebwerke zu gering für eine Zündung ist. "Dann ist es wie früher, als man Autos angekurbelt hat", sagt Kapitän Handwerg.

Der Pilot muss das Flugzeug in einen steilen Sinkflug steuern, damit die Maschine mindestens 300 Knoten (mehr als 550 km/h) schnell wird und Luft ins Triebwerk gepresst wird, bis das Kerosin-Luftgemisch in der Brennkammer wieder zünden kann. Im Fall des KLM-Flugs 867 verlor die Maschine mehr als die Hälfte ihrer Flughöhe, bis die Triebwerke wieder ansprangen.

© SZ vom 16.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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