Umweltbericht:UN warnen vor Millionen Todesopfern durch Umweltzerstörung

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Die Vermüllung der Meere - wie hier an einem Uferabschnitt im indischen Mumbai - zählt zu den derzeit gravierendsten Umweltproblemen. (Foto: dpa)
  • In einem umfangreichen Bericht warnen die Vereinten Nationen, dass Umweltprobleme Millionen Menschenleben kosten.
  • Verseuchtes Wasser verursache jährlich rund 1,4 Millionen Todesfälle, die Luftverschmutzung mehr als sechs Millionen.
  • Auch die Vermüllung der Meere mit Plastikmüll thematisiert der Bericht.
  • Die Politik müsse nun umsteuern und den Umweltschutz stärken.

Um die Umwelt unseres Planeten steht es einem UN-Bericht zufolge so schlecht, dass die Gesundheit der Menschen zunehmend bedroht wird. "Entweder wir verbessern den Umweltschutz drastisch - oder Millionen Menschen werden in Städten und Regionen in Asien, dem Nahen Osten und in Afrika bis Mitte des Jahrhunderts vorzeitig sterben", heißt es in einer heute veröffentlichten Studie der Vereinten Nationen (UN), dem sechsten "Global Environment Outlook" (GEO 6). Neun Millionen Todesfälle allein im Jahr 2015 sind dem Bericht zufolge auf Umweltverschmutzung zurückzuführen.

Seit 1997 veröffentlichen die Vereinten Nationen den Global Environment Outlook, der ähnlich den Berichten des Weltklimarats von Experten zusammengestellt und anschließend abgestimmt wird. Der aktuelle Bericht steht unter dem Motto "Healthy Planet, Healthy People", wobei das eine sehr positive Formulierung ist - tatsächlich geht es eher darum, wie sehr ein kranker, verschmutzter Planet auch der Gesundheit der Menschen schadet.

Der Bericht befasst sich mit den fünf Kernbereichen Atmosphäre, Artenvielfalt, Trinkwasser, Ozeane und Landflächen, wovon die ersten beiden nach Auffassung der Autoren am schwersten belastet sind. Luftverschmutzung und Treibhausgase führen dem Bericht zufolge weltweit zu den meisten Todesfällen, Krankheiten und Fluchtbewegungen. Der Zustand der Artenvielfalt wird aufgrund von Artensterben, Biotopzerstörung und Insektenverlusten sogar noch schlechter bewertet, die unmittelbaren Folgen für die Menschen seien aber bislang geringer.

Mehr als ein Viertel der Wirbellosen-Arten sind vom Aussterben bedroht

Die vorzeitigen Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung beziffert der Bericht auf zwischen sechs und sieben Millionen Menschen jährlich weltweit. Am schwersten betroffen, insbesondere von Feinstaub, seien Menschen in Ländern mit schneller Urbanisierung und jene drei Milliarden Personen, die zum Kochen auf zumeist offenen Feuerstellen, Heizen oder für Beleuchtung Brennstoffe anzünden, sei es Holz, Kohle, Dung oder Petroleum.

Zwar räumt der Bericht ein, dass manches besser geworden ist, etwa durch die internationale Ächtung mancher Chemikalien oder durch Luftreinhalte-Vorschriften in Industrieländern. Diese Fortschritte würden aber durch noch größere Verschlechterungen in anderen Bereichen zunichtegemacht, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern und in schnell wachsenden Städten. Auch der Ausstoß von Treibhausgasen nimmt trotz aller Anstrengungen weiter zu. Immerhin: Zwischen 1998 und 2010 habe sich die Zahl der nationalen Klimagesetze verfünffacht.

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Was die Artenvielfalt angeht, zeichnet der Bericht ein ähnlich düsteres Bild: Zwischen 1970 und 2014 seien Wirbeltier-Populationen im Schnitt um 60 Prozent zurückgegangen. Je nach Lebensraum seien zwischen 25 und 42 Prozent der Wirbellosen-Arten, zu denen auch Insekten gehören, vom Aussterben bedroht. Der Rückgang der genetischen Vielfalt gefährde sowohl die Nahrungsmittelproduktion als auch die Versorgung mit Medikamenten.

Auch die Vermüllung der Ozeane durch Plastik thematisiert der Bericht. Jedes Jahr gelangten rund acht Millionen Tonnen Kunststoff in die Meere. Zudem seien Ozeane von Erwärmung, Versauerung und Überfischung geplagt, dabei seien 3,1 Milliarden Menschen weltweit für ihre Proteinversorgung auf Fisch angewiesen. Maßnahmen gegen Überfischung hätten gemischte Resultate gebracht - dort, wo es an Kontrolle und Sanktionen fehle, gehe die illegale oder heimliche Fischerei weiter.

Aufruf zu nachhaltiger Entwicklung

Die Frischwasserqualität habe sich in den meisten Regionen seit 1990 verschlechtert, was an der Verschmutzung mit Keimen, Chemikalien, Schwermetallen oder Pestiziden liege. Jeder dritte Mensch auf der Erde habe noch immer keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und einer Toilette, 1,4 Millionen Menschen sterben laut dem Bericht deshalb jährlich an vermeidbaren Erkrankungen wie Durchfall und Parasiten.

Zudem verbreiteten sich Antibiotika-Resistenzen aus Landwirtschaft, Aquakultur und Abwasser über Wasserwege. Wenn nichts unternommen werde, könnten gegen Antibiotika resistente Keime zu vielen Todesfällen aufgrund von Infektionskrankheiten führen. Um dies zu vermeiden, müssten günstige Technologien zur Abwasserreinigung viel mehr Menschen erreichen. Auch die Nutzung von Antibiotika müsse bei Menschen und in der Landwirtschaft viel stärker kontrolliert werden. Immerhin: Zwischen dem Jahr 2000 und 2015 hätten 1,5 Milliarden Menschen erstmals Zugang zu einer modernen Trinkwasserversorgung erhalten, das ist ein enormer Fortschritt.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse seien eindeutig, sagte die Leiterin des UN-Umweltprogramms, Joyce Msuya: "Die Gesundheit und der Wohlstand der Menschheit ist direkt mit dem Zustand unserer Umwelt verbunden." Die Politik müsse sich nun für einen neuen Weg der nachhaltigen Entwicklung entscheiden. Derzeit sei die Welt nicht auf Kurs, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu erreichen.

Der GEO-6-Bericht ist nach UN-Angaben die ausführlichste Umwelt-Studie der Organisation seit fast sieben Jahren. Demnach arbeiteten 250 Wissenschaftler und Experten aus mehr als 70 Ländern daran. Er wurde im Rahmen der fünftägigen UN-Umweltkonferenz veröffentlicht, die noch bis Freitag in Nairobi stattfindet.

© SZ.de/weis/cvei/Mit Material von dpa und AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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