Ökologie:Ernährung sichern - aber richtig

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Ein Feld in Arnsdorf ist durch die Trockenheit brüchig geworden. (Foto: Florian Gaertner/imago images/photothek)

Als Reaktion auf den Ukrainekrieg werden wichtige Umweltgesetze infrage gestellt. Umweltschutz ist aber kein Luxus und darf auch in Krisenzeiten nicht infrage gestellt werden.

Kommentar von Tina Baier

Es ist wirklich bitter. Diese Woche wollte die EU-Kommission endlich ihren Entwurf für ein Gesetz vorstellen, das darauf abzielt, entwaldete, zubetonierte, trockengelegte oder sonst wie zerstörte Flächen zu renaturieren. Es wäre ein wichtiger Schritt für die Bewältigung sowohl des Klimawandels als auch des Artensterbens gewesen. Doch der Termin wurde verschoben - auf unbestimmte Zeit.

Dahinter steht wohl die Überlegung, wegen des Krieges in der Ukraine möglichst viele Flächen für die Produktion von Lebensmitteln zu sichern. Das klingt erst einmal vernünftig und nach richtiger Prioritätensetzung. Trotzdem ist es falsch und kurzsichtig.

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Als Reaktion auf den Ukrainekrieg müsste Europa eigentlich erst recht daran gelegen sein, die Produktion von Lebensmitteln langfristig zu sichern. Und das ist nun mal nur möglich, wenn die Natur intakt ist und nicht ausgelaugt und am Rande ihrer Kapazitätsgrenzen ums Überleben kämpft.

Doch leider haben viele immer noch nicht verstanden, dass Ökologie kein Luxus ist, den man sich in guten Zeiten leisten kann und der in schlechten Zeiten als erstes wieder infrage gestellt wird und hinten herunterfällt. Funktionierende Ökosysteme sind unverzichtbar, um auf Dauer fruchtbare Böden zu haben und Lebensmittel erzeugen zu können.

Weniger Fleisch zu essen und Lebensmittel nicht zu verschwenden, wäre viel effektiver

Dazu kommt, dass die zusätzlichen Erträge, die durch den Stopp des Renaturierungsgesetzes erzielt werden könnten, global betrachtet minimal sind. Es gäbe wesentlich wirkungsvollere Mittel, um die Lebensmittelsicherheit auch in Krisenzeiten zu gewährleisten. Erstens: weniger Fleisch essen. Weizen, Mais und Soja, die in der EU angebaut werden, landen nämlich zum Großteil in den Mägen von Schweinen und Rindern. Würde man die Viehbestände reduzieren, könnten mit der gleichen Ackerfläche viel mehr Menschen ernährt werden. Zweitens: weniger Lebensmittel wegwerfen. Ein erheblicher Anteil der Ernten gelangt gar nicht erst in die Läden, weil er vorher aussortiert wird - meist weil das Aussehen der Produkte nicht den hohen Ansprüchen der Käufer entspricht. Zusätzlich werfen die Verbraucher etwa 30 Prozent der eingekauften Lebensmittel weg. Drittens: keine riesigen Ackerflächen für die Stromerzeugung mit Biogas verschwenden. Statt lebensfeindlicher Maismonokulturen könnten dort dann Grundnahrungsmittel angebaut werden.

Artensterben und Klimawandel setzen auch der Landwirtschaft zu. Es ist kontraproduktiv, Gesetze zu verschieben, die helfen würden, diese Krisen zu meistern. Ernährung wird so nicht gesichert, sondern gefährdet.

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