Die international anerkannten Forschungsergebnisse zur Krebsgefahr durch Passivrauchen sind ebenso zahlreich wie eindeutig. Dennoch haben in der Vergangenheit einige deutsche Toxikologen in Publikationen oder bei Auftritten immer wieder Zweifel an dieser erdrückenden Beweislage geäußert.
Durch die gezielte Vergabe von Forschungsgeldern hat die Tabakindustrie über Jahre hinweg versucht, Einfluss auf Wissenschaftler zu nehmen.
(Foto: dpa)Dokumente der Tabakindustrie legen offen, welche Beziehungen zwischen dieser Gruppe von Toxikologen und der Tabakindustrie bestehen.
Seit Ende der 1990er Jahre sind Tabakkonzerne in den USA durch Schadenersatzprozesse dazu gezwungen, ihre internen Dokumente im Internet zu veröffentlichen (www.legacy.library.ucsf.edu).
In den 1990er Jahren beobachtete der Zigarettenhersteller Philip Morris, dass in zahlreichen Ländern Rauchverbote erlassen wurden. Den internen Industriedokumenten zufolge waren der Firma Publikationen bekannt, die das Lungenkrebsrisiko durch Passivrauchen mit tabakspezifischen Nitrosaminen (TSNA) in Verbindung brachten. Die Firma plante, Forschungsvorhaben zu fördern, um sich an der Debatte zu beteiligen. Eine "TSNA Strategie" sah vor, für die Industrie unvorteilhafte Studien in Frage zu stellen und günstige Studienergebnisse zu duplizieren. Dazu sollten unabhängige Wissenschaftler genutzt werden.
Eine interindustrielle Arbeitsgruppe, an der neben Wissenschaftlern internationaler Zigarettenhersteller auch der deutsche Verband der Cigarettenindustrie (VdC, 2007 aufgelöst; Nachfolger ist der Deutsche Zigarettenverband) beteiligt war, formulierte entsprechende Ziele. So sollten Publikationen entstehen, die zeigen, dass Nitrosamine im Passivrauch aufgrund ihrer geringen Menge keine relevante Gesundheitsgefahr darstellen. Andere Forschungsprojekte sollten zeigen, dass die aufgenommenen Nitrosamine durch Nikotin gehemmt werden oder nicht aus Tabak, sondern aus Nahrungsmitteln stammen.
Obwohl TSNA nicht die einzigen krebsauslösenden Substanzen im Tabakrauch sind, haben sie große Bedeutung für die Erforschung des kanzerogenen Potenzials von Tabakprodukten. Eigene Testergebnisse von Philip Morris wiesen früh darauf hin, dass Tabakrauch in der Raumluft Kanzerogene freisetzt.
Aber Philip Morris verbarg dieses Wissen vor der Öffentlichkeit. Internen Dokumenten zufolge war der Firma auch bekannt, dass Mitte der 1990er Jahre weltweit nur vier Labors Erfahrungen mit dieser Art von Forschung aufweisen konnten, die nicht im Besitz der Tabakindustrie waren. Der Industrie war zudem bewusst, dass die Nachweismethodik für TSNA für die meisten Forscher zu teuer ist. Indem die Industrie gezielt Forschungsgelder vergab oder Forschungsgruppen die kostspielige Nachweismethodik finanzierte, ergab sich über die Jahre die Möglichkeit, Einfluss auf dieses Forschungsfeld zu bekommen.