Artenschutz:Die Zeit läuft ab für den Tiger

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Bis 2022 ist die Gattung Tiger ausgestorben, wenn sich nichts ändert, warnt der WWF. 13 Tigerstaaten haben auf einem Gipfel in Petersburg nun ein Sofort-Programm beschlossen. Aber wird es reichen?

Frank Nienhuysen

Er hat ihn ja nicht erschossen, es war doch nur ein Betäubungsgewehr, und außerdem hat Wladimir Putin den Tiger anschließend geküsst, als dieser ermattet auf dem Boden lag. Sogar "Auf Wiedersehen" habe er ihm noch gesagt, berichtete damals die Nachrichtenagentur Interfax.

Ein WWF-Ranger untersuchen einen gewilderten Amur-Tiger in Russland. Es gibt nur noch etwa 450 Tiere dieser Tiger-Unterart in Russland. Wilderer dezimieren die Population weiter. (Foto: obs/WWF - World Wide Fund For Nature)

Vor zwei Jahren war die Begegnung zwischen dem russischen Ministerpräsidenten und einem Tiger ein Ereignis, das sich für ihn prächtig verwerten ließ. Putin rettete einen russischen Fernsehreporter von Westi vor dem Angriff einer wilden Raubkatze, die bei einem Fototermin ausgebrochen war.

Putin bändigte, Putin bezwang einen Tiger, hieß es wahlweise damals in den Agenturen. Wie viel genau davon wahr, was im Detail vielleicht dramaturgisch ausgeschmückt wurde - es passte jedenfalls in das Bild des kernigen, starken Regierungschefs.

Putin streifte damals durch ein Naturschutzgebiet im Fernen Osten, um sich über den Bestand und die Zukunft der bedrohten Tierart zu informieren. Nun wurde das Thema auch offiziell behandelt. Bei einem hochkarätig besetzten Gipfeltreffen in St. Petersburg vereinbarten die Teilnehmer ein millionenschweres Hilfsprogramm. Von den laut der Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) benötigten 350 Millionen US- Dollar (255 Millionen Euro) wurde aber nur 127 Millionen angekündigt.

Sogar US-Außenministerin Hillary Clinton war eigens in die russische Ostseestadt gereist, obwohl die Amerikaner Tiger nur in heimischen Zoos oder ähnlich kontrollierter Umgebung sehen können.

Der Schauspieler Leonardo DiCaprio versprach eine Spende von einer Million Dollar und wollte ebenfalls nach St. Petersburg kommen, wurde zunächst jedoch auf der Reise gestoppt, weil er in jener Delta-Maschine saß, die wegen eines Triebwerkausfalls nach dem Start in New York dort gleich wieder notlanden musste. "Wenn wir jetzt nichts unternehmen, wird eines der bekanntesten Tiere unseres Planeten vielleicht in ein paar Jahrzehnten verschwunden sein", sagte er.

Dass auch der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao den Gipfel besuchte, zeigt, wie dringlich der Schutz der Tiger ist.

Nach Angaben von WWF war die Konferenz der 13 Tigerstaaten die erste, auf der Regierungschefs sich um eine einzige Tierart kümmerten. Es geht schließlich ums Überleben. Vor 100 Jahren gab es noch etwa 100.000 Tiger in der Welt, inzwischen ist die Zahl dieser Raubkatzenart auf 3200 geschrumpft. "Wenn sich nichts ändert, ist die Gattung bis 2022 vermutlich ausgestorben", sagte der Generalsekretär des WWF, James Leape.

Doch es wird sich etwas ändern, zumindest laut Beschlusslage des Gipfels. Mit dem Rettungspaket soll die Zahl der Tiger bis 2022 nahezu verdoppelt werden. Im russischen Fernen Osten ist die Einrichtung weiterer Schutzgebiete geplant, dafür hat die deutsche Bundesregierung eine Soforthilfe mit dem WWF von insgesamt 4,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. In Fernost leben derzeit noch etwa 450 Amur-Tiger.

Der russische Regierungschef Wladimir Putin unterhält sich auf dem Tiger-Gipfel mit dem US-Schauspieler Leonardo DiCaprio. (Foto: AP)

Tierschützer sehen in Wilderern und Schmugglern die ärgsten Feinde der größten Katzenart. "Jedes Jahr werden bis zu 50 Sibirische Tiger im Fernen Osten getötet und anschließend nach China verkauft", sagt Jelena Awerijanowa vom Internationalen Tierschutz-Fonds. Aus den Fellen, Knochen und dem Fleisch werden Stoffe entwickelt, denen Heilkräfte zugesprochen werden. 2022 ist in China wieder das Jahr des Tigers, bis dahin sollte das Tier besser geschützt sein. Es gibt allerdings auch reiche Russen, für die Tigerfelle einfach chic sind.

In Angebot und Nachfrage bilden skrupellose Wilderer und Käufer beider Länder eine düstere Allianz, und so wollen Russland und China nun gemeinsame Schutzzonen bilden und gegen den illegalen Handel vorgehen. Ein Drittel der Gesamtsumme ist allein für diesen Kampf bestimmt. "Für die meisten Menschen sind Tiger eines der Wunder dieser Erde", sagt WWF-Generalsekretär Leape. Mit Geld sollen die seltenen Wunder nun vermehrt werden.

© SZ vom 24.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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