Seit Monaten steht der Physiker Ranga Dias in der Kritik. Mit einer wissenschaftlichen Entdeckung - wie man damals glaubte - fiel er vor gut einem Jahr auf: Ranga Dias und sein Team von der University of Rochester in New York wollten ein Material namens Lutetiumhydrid (LuH) entdeckt haben, das hochattraktive elektrische Eigenschaften hat. Es sollte ein Raumtemperatur-Supraleiter sein, ein solches Material würde die Elektronik revolutionieren. Die Arbeit war damals im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlicht worden .
Bereits kurz nach der Veröffentlichung war Skepsis aus der Community zu vernehmen, andere Forschungsgruppen konnten die Ergebnisse nicht reproduzieren. Schließlich wendeten sich Dias' Ko-Autoren, von denen einige seine Doktoranden waren, an Nature und baten darum, den Artikel zurückzuziehen. Im November folgte das Journal deren Bitte.
Dias wiederum klagt seit Dezember gegen seine Universität, die ihm im August seine studentischen Mitarbeiter entzogen hatte. Im Zuge dieses Gerichtsverfahrens kam ein 124-seitiger Bericht über Ranga Dias' Fall zutage, den Nature News nun ausgewertet hat. Drei unabhängige Wissenschaftler haben ihn für die University of Rochester erstellt. Sie kommen zu dem Ergebnis, Dias habe bewusst Daten manipuliert, gefälscht und plagiiert. In allen 16 Vorwürfen, die die Gutachter geprüft haben, sei dem Physiker wissenschaftliches Fehlverhalten anzulasten.
Gezielt Messwerte weggelassen
Dias hat demnach wohl nicht einfach Fehler gemacht und unklug gehandelt, sondern wohl gezielt betrogen. Er soll seine Mitarbeiter und Ko-Autoren angelogen und nach erster Kritik an seiner Forschung gefälschte Messdaten veröffentlicht haben, legt der Bericht dar.
Vor dem LuH-Paper war bereits eine andere Arbeit von Dias' Gruppe in Nature zurückgezogen worden, die 2020 die Entdeckung eines anderen vermeintlichen Raumtemperatur-Supraleiter namens CSH gezeigt haben wollte. Im März hatte Nature News aufgedeckt, dass Dias in beiden Nature-Fachartikeln Daten verzerrt hatte, und seine Kollegen und mitarbeitenden Studenten darüber getäuscht hatte. Die neue Untersuchung beschreibt jetzt, wie er das wohl gemacht hat: Dias soll gezielt Messwerte weggelassen haben, die Zweifel an der Supraleitung des Materials LuH geweckt hätten. Außerdem habe Dias eine Messkurve Kurve auf den Kopf gedreht, damit eine für Supraleiter charakteristische Signatur entsteht. Der Bericht beschreibt auch, dass Dias in zwei weiteren Fachartikeln in anderen Journals ebenfalls getäuscht haben könnte.
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Bis heute hat Dias die echten Messdaten nicht herausgegeben, auf denen seine angeblichen Sensationsfunde beruhen. Der University of Rochester waren schon früh mehrere Beschwerden über Dias' Forschungsarbeit zugetragen worden, die die Universität wohl von zwei Forschern prüfen ließ, die früher selbst mit Dias zum betreffenden Thema zusammengearbeitet hatten, wie Nature News den Gerichtsdokumenten entnahm. Beide Gutachter hielten weitere Untersuchungen damals nicht für notwendig. Erst die amerikanische Forschungsinstitution NSF zwang die Universität, genauer hinzuschauen, ob Fehlverhalten vorlag.
Ranga Dias wollte sich gegenüber Nature News nicht zu dem Bericht äußern. In den Gerichtsdokumenten wird er mit dem Satz zitiert: "Es ist unerlässlich, unter all der Kritik und den Anschuldigungen die grundlegende Integrität und wissenschaftliche Gültigkeit unserer Arbeit zu bekräftigen." Die Autoren der Untersuchung empfehlen, ihn nicht mehr forschen und lehren zu lassen. Man könne Dias nicht trauen.