Materialforschung:Gentechnischer Eingriff lässt Raupen Spinnenseide produzieren

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Mit diesen Drüsen produzieren Seidenraupen ihren Faden. (Foto: JUNPENG MI)

Forscher aus China haben Seidenraupen so verändert, dass sie wertvolle Spinnenseide herstellen. Das wäre ein großer Fortschritt in der Materialwissenschaft.

Von Christian Weber

Einem chinesischen Forscherteam ist es nach eigenen Angaben gelungen, mithilfe gentechnisch veränderter Raupen Spinnenseide zu produzieren. Damit könnte es möglich werden, Spinnenseide auf biologischem Weg in größerem Maßstab herzustellen, berichten die Forscher um Junpeng Mi und Qing Meng von der Southwest University in Chongqing im Fachmagazin Matter.

Die Fäden, mit denen Webspinnen ihre Netze bauen, gelten seit Langem als ein Material mit fast schon magischen Eigenschaften: Spinnenseide ist viermal so belastbar wie die gleiche Menge Stahl, sie ist extrem reißfest, kann deshalb bis um das Dreifache ihrer Länge gedehnt werden. Dabei sind die Fäden sehr leicht, wasserfest, resistent gegen mikrobiologische Angriffe und dennoch biologisch abbaubar.

Spinnengene in Ziegenmilch? Hat nicht funktioniert

Kein Wunder, dass die Menschen seit der Antike Anwendungen für dieses ganz besondere Material finden. Schon damals diente es als Wundauflage. Heute ist es zumindest im Labor gelungen, Arzneistoffe mit künstlicher Spinnenseide auf Mikro- und Nanoebene zu verpacken; die Nasa möchte das Material bei Weltraumliften einsetzen, womöglich lassen sich mit ihm auch besonders leichte kugelsichere Westen herstellen. Eher vorübergehend blieben Ansätze im 19. Jahrhunderte, Kleider aus echter Spinnenseide zu weben. Bei einem Experiment des Victoria and Albert Museum in London sammelten 80 Mitarbeiter fünf Jahre lang Spinnenfäden, damit wurde dann 2012 ein einziges Spinnengewand gewebt und ausgestellt.

Das Problem ist: Spinnen, zumindest die hiesigen, sind eher klein, ihre Produktionskapazitäten begrenzt. Stattdessen setzen Menschen vor allem auf synthetische Fasern, die schädliches Mikroplastik in der Umwelt hinterlassen und häufig aus klimaschädlichem Erdöl hergestellt werden. Zahlreiche Versuche, auf biologischem Weg künstliche Spinnenseide herzustellen, erweisen sich als mühsam. So meldetet 2010 das Unternehmen Nexia, dass es ihm gelungen sei, Spinnengene in Ziegen einzupflanzen, sodass sie mit ihrer Milch die begehrte Seide produzieren. Das Produkt erreichte jedoch nicht die Marktreife, das Unternehmen ging pleite. Dennoch wird weiterhin intensiv an Säugetierzellen und auch Bakterien geforscht.

Ein wesentliches Problem bei all diesen Ansätzen sei, so die Studienautoren, dass natürliche Spinnenseide über eine Art "Anti-Aging-Hautschicht" aus Glykoproteinen und Lipiden verfüge, das ihr Netz vor Feuchtigkeit und starker Sonnenstrahlung schütze. Dieses Problem sei nun mit den gentechnisch veränderten Seidenraupen gelöst, weil diese von Natur aus auch ihre Fäden mit einer ähnlichen Schutzschicht versehen. Dabei kämen laut Studie Fäden von größter Reißfestigkeit heraus: Sie überträfen die Stärke von eigentlich sehr robusten synthetischen Kevlarfasern um das Sechsfache.

Hinzu komme, dass "Seidenraupen bereits jetzt als einzige Art eine Seidenfaser kommerziell und in großem Maßstab und mit gut etablierten Aufzuchttechniken produzieren", wird Junpeng Mi in einer Mitteilung des Journals zitiert. Mit dieser Erfahrung ließe sich auch eine kostengünstige Spinnenseidenproduktion in großem Maßstab aufbauen.

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