Raumfahrt:Analyse: Gerst bereit für Mission im All

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Baikonur (dpa) - Sein letzter öffentlicher Auftritt vor dem großen Flug ins All ist fast vorbei - doch Deutschlands Raumfahrer Alexander Gerst will noch eine Sache klarstellen.

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Baikonur (dpa) - Sein letzter öffentlicher Auftritt vor dem großen Flug ins All ist fast vorbei - doch Deutschlands Raumfahrer Alexander Gerst will noch eine Sache klarstellen.

Die schwere internationale Krise wegen des Ukraine-Konflikts gehe nicht völlig am dreiköpfigen Team aus Deutschland, Russland und den USA vorbei, betont Gerst bei der Pressekonferenz in der kasachischen Stadt Baikonur. „Aber unsere Familien haben die Wochenenden gemeinsam auf der Datscha verbracht, und wir sind Freunde geworden“, sagt der 38-Jährige. „Wir fliegen als Mannschaft in den Weltraum, nicht als Vertreter einzelner Staaten.“

Gerührt verfolgen Großmutter und Vater Hans-Dieter Gerst in der ersten Reihe den humanistischen Appell des Astronauten. Da sie seit Tagen aus Gesundheitsgründen von der Öffentlichkeit abgeschirmt ist, sitzt die Crew hinter einer großen Glasscheibe. Doch vor dem für den späten Mittwochabend geplanten Start dürfen Vater und Sohn noch einmal miteinander sprechen - bevor der Astronaut ein halbes Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS arbeitet. „Mach's gut, Junge, und komm heil und gesund zurück“, habe er gesagt, erzählt Hans-Dieter Gerst in Baikonur der Nachrichtenagentur dpa. Eine Umarmung war nicht erlaubt.

„Besucher der Astronauten müssen einen Meter Abstand halten, um jede Ansteckung zu vermeiden“, betont Raimund Lentzen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Allein schon der Startort Baikonur hält massive Belastungen für den menschlichen Organismus bereit. Brütende Hitze von mehr als 30 Grad liegt an diesem Maitag über der staubtrockenen Steppe. Schatten spenden auf dem Weltraumbahnhof nur die Abschussrampen, die wie Bohrtürme in den Himmel ragen. Kamele liegen dösend zwischen braunen Grasbüscheln.

Putz bröckelt von den Mietskasernen, der Straßenasphalt zeigt breite Risse. Gut 50 Jahre nach dem Bau leidet das Areal unter erheblichen Alterserscheinungen. Die 115 Millionen US-Dollar (84,4 Millionen Euro) Pacht, die Russland jährlich für seine Starts an die kasachische Führung zahlt, reichen längst nicht für den Unterhalt des größten Kosmodroms der Welt. Frühere Pläne, das riesige Areal nach dem Vorbild der US-Weltraumbahnhöfe für Touristen zu erschließen, scheiterten auch an Sicherheitsfragen. Noch immer wird Baikonur militärisch genutzt.

„Unsere Steppe ist für Raketenstarts ideal, denn angesichts dieser tristen Landschaft fällt den Raumfahrern der Abschied von der Erde leicht“, sagt Ingenieur Nurlan Otarbajew und lacht. Vorsichtig legt er Geldstücke auf die Schienen, auf denen gleich eine Diesellok die weiße Sojus-Rakete für Gerst und seine Kollegen Maxim Surajew und Reid Wiseman zur Startrampe zieht. Als der 40 Tonnen schwere Zug vorbeigerollt ist, nimmt Otarbajew die platt gewalzten Münzen von den Gleisen. „Die schenke ich meinen Kindern. Bringt Glück“, sagt der 43-Jährige und zeigt beim Grinsen ein paar Goldzähne.

An der Startrampe verfolgt Hans-Dieter Gerst gespannt das Auftanken der Sojus. Sein ältester Sohn habe schon immer eine Leidenschaft für ungewöhnliche Fahrzeuge gehabt, sagt der 59-Jährige. „Als Kind ist er in Seifenkisten herumgerast“, erzählt der Schlossermeister aus Baden-Württemberg und lächelt wie bei einer schönen Erinnerung.

Für Ulf Merbold, der als einziger Deutscher dreimal im All war, ist Alexander Gerst die richtige Wahl für den Flug. „Er ist in hohem Maße ein Mannschaftsspieler, das ist wichtig, denn die bemannte Raumfahrt funktioniert nur im Team“, meint der 72-Jährige. Merbold ist zum Start nach Baikonur gereist und ahnt, was Gerst in den letzten Stunden vor dem Abheben im Kopf herumgeht. „Du denkst ständig: Hätte ich das doch bloß besser trainiert und jenes noch einmal diskutiert“, sagt er. „Aber dafür ist es dann zu spät.“

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