Psychologie:Schwul und homophob

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Auch unter den größten Eiferern gegen Schwule und Lesben gibt es Menschen, die selbst homosexuell sind - das belegen prominente Fälle wie der des evangelikalen US-Predigers Ted Haggard. Psychologen in Großbritannien und den USA haben untersucht, wieso manche Schwule zu den größten Kritikern ihrer eigenen Neigung werden.

Markus C. Schulte von Drach

Der Skandal war groß, als bekannt wurde, dass der konservative republikanische US-Senator Larry Craig 2007 in der Herrentoilette des Flughafens von Minneapolis offenbar versucht hatte, einen Sexpartner zu finden. Dabei war er an einen Polizisten geraten. Der Öffentlichkeit hätte die homosexuelle Neigung, die ihm deshalb nachgesagt wurde, egal sein können. Doch ausgerechnet Craig war bekannt für seinen Kampf gegen die Rechte der Schwulen in den USA.

Noch größer war die Aufregung ein Jahr zuvor gewesen, als der bekannte evangelikale US-Prediger Ted Haggard von einem Callboy verpfiffen wurde, mit dem er sich über Jahre heimlich getroffen hatte. Haggard hatte zuvor die gleichgeschlechtliche Liebe bei seinen Auftritten öffentlich verurteilt.

Mitunter sind die, die Homosexualität besonders heftig bekämpfen, selbst schwul. Manche, wie Craig und Haggard, leben ihre Sexualität heimlich aus. Andere homophobe Menschen aber gestehen sich ihre eigene Homosexualität nicht ein. Und das gilt offenbar besonders für Menschen mit autoritären und zugleich homophoben Eltern. Das zeigen Versuche von Psychologen aus Großbritannien und den USA.

"Personen, die sich für heterosexuell halten, sich aber in psychologischen Tests stark vom gleichen Geschlecht angezogen fühlen, betrachten Schwule und Lesben als Bedrohung, da Homosexuelle sie an entsprechende Tendenzen bei sich selbst erinnern", erklärt Studienleiterin Netta Weinstein von der britischen University of Essex.

Tendenzen, die sie aufgrund ihrer Sozialisation ablehnen.

"In vielen Fällen", ergänzt Mitautor Richard Ryan von der University of Rochester, "sind das Menschen, die mit sich selbst im Krieg liegen und den inneren Konflikt nach außen kehren". Dazu passt nach Einschätzung der Forscher, dass Menschen, die Homosexuelle angreifen, häufig von Hass getrieben zu sein scheinen und sich von Menschen mit anderer sexueller Orientierung bedroht fühlen.

"Über die krasse Heuchelei [in Fällen wie Craig und Haggard] lachen wir, aber eigentlich sind diese Menschen selbst häufig Opfer von Unterdrückung und nehmen völlig übertriebene Gefühle von Bedrohung wahr", stellt Ryan fest. "Homophobie ist nicht zum Lachen." Nicht nur, weil versucht wird, Menschen in ihrer Selbstbestimmung und ihrer Freiheit einzuschränken. Sie kann auch zu Gewalt gegen Homosexuelle führen - bis hin zum Mord, betont Ryan.

Verräterische Assoziationen

Die Forscher hatten in den USA und Deutschland vier Untersuchungen mit jeweils etwa 160 Studenten vorgenommen. Dabei hatten sie unter anderem die Diskrepanz zwischen den Aussagen über die sexuelle Präferenz der Teilnehmer und ihrem Verhalten in einem Test untersucht. Den Studenten wurden am Bildschirm kurz Worte und Begriffe gezeigt, die sie schnellstmöglich in die Kategorien "schwul" oder "hetero" einordnen sollten.

Die Forscher "prägten" die Versuchspersonen während der Tests, indem sie die Begriffe "ich" und "andere" einblendeten, allerdings nur so kurz, dass die Teilnehmer sie nicht bewusst wahrnehmen konnten.

Aufgrund früherer Studien gehen die Psychologen davon aus, dass sich dies auf die Reaktionsgeschwindigkeit auswirkt, so dass sich beobachten lässt, was Menschen unbewusst stärker oder weniger stark assoziieren. Eine schnelle Reaktion im Zusammenhang mit "mir" und "schwul" sowie eine langsamere, wenn "mir" und "hetero" zusammen auftaucht, deutet den Wissenschaftlern zufolge auf eine unbewusste homosexuelle Orientierung hin.

Mit Hilfe von Fragebögen fanden die Forscher außerdem heraus, wie autoritär die Studenten erzogen worden waren, und welche Haltung die Eltern in Bezug auf Homosexuelle hatten. Schließlich testeten sie noch das Ausmaß der Homophobie der Teilnehmer.

Im Journal of Personality and Social Psychology berichten sie nun, dass bei Versuchspersonen mit unterstützenden, toleranten Eltern die angegebene sexuelle Orientierung durch die Experimente eher bestätigt wurde. War die Erziehung dagegen durch einen autoritären, homophoben Vater geprägt, traten hier Diskrepanzen auf. Darüber hinaus zeigten gerade jene, bei denen die Tests die angegebene Heterosexualität nicht bestätigten, besonders häufig eine ablehnende oder gar feindselige Haltung gegenüber Homosexuellen.

In einer überwiegend heterosexuellen Gesellschaft kann es für Homosexuelle bereits eine Herausforderung, sein, die eigene Persönlichkeit zu akzeptieren, sagt Weinstein. In strengen und homophoben Famlien aber könne es furchtbar sein, einer sexuellen Minderheit anzugehören. Schließlich würde der Nachwuchs riskieren, von den Eltern abgelehnt zu werden, wenn dies herauskäme.

Also leugneten oder unterdrückten manche der Betroffenen diesen Teil ihrer Persönlichkeit. Werden sie jedoch mit Homosexualität konfrontiert - und damit mit innerlich verurteilten eigenen Neigungen, können sie mit besonders harscher Ablehung reagieren.

Beweisen lässt sich die Schlussfolgerung nicht. Aber "wenn man aus dem Bauch heraus eine Gruppe ablehnt, sollte man sich selbst fragen: Warum?", fordert Ryan. "Gerade diese intensiven Gefühle sollten als Aufruf zur Selbstreflexion dienen."

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