Das Leben auf dem Schulhof kann unbarmherzig sein. Kinder verfügen über ein erstaunliches Repertoire an Grausamkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen. Doch welche Faktoren entscheiden darüber, ob ein Kind zu den Tätern oder den Opfern zählt; ob es Gemeinheiten und Grausamkeiten austeilt oder einstecken muss?
Psychologen um Dieter Wolke von der britischen Universität von Warwick haben nun analysiert, in welchem Maße der Erziehungsstil der Eltern beeinflusst, wie Kinder in der Kampfarena Schulhof bestehen ( Child Abuse & Neglect, online). Die Forscher werteten für ihre Arbeit 70 Studien aus den vergangenen Jahren aus, an denen insgesamt mehr als 200.000 Kinder teilgenommen hatten. Kinder mit besonders behütenden Eltern haben demnach zum Beispiel ein etwas höheres Risiko, zum Mobbingopfer zu werden.
Mobbing an der Schule sei ein globales Problem, betonen die Autoren. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 2012 wird etwa ein Drittel aller Kinder Opfer von aggressivem Verhalten durch Gleichaltrige. Das habe langfristige Konsequenzen für die terrorisierten Kinder, betont Wolke, die Folgen seien noch im Erwachsenenalter deutlich zu spüren.
So erleiden gemobbte Kinder später häufiger körperliche Probleme und haben außerdem ein höheres Risiko, im Erwachsenenalter Depressionen, Angststörungen oder andere psychische Leiden zu entwickeln.
Der Erziehungsstil der Eltern wiederum beeinflusse die Fähigkeit von Kindern, sich in der Schule unter Gleichaltrigen zurechtzufinden und sich gegebenenfalls gegen übergriffige Schulkameraden zur Wehr zu setzen.
Ein besonders strenges Elternhaus schaffte laut den Daten der Psychologen keine guten Voraussetzungen, damit Kinder auf dem Schulhof bestehen. Kinder mit autoritären Eltern oder solche, die zu Hause viel negatives Feedback erhalten, zeigten ein leicht erhöhtes Risiko, Opfer von Mobbing zu werden.
Ein ähnlich erhöhtes Risiko hatten die Kinder besonders behütender Eltern - ein überraschender Befund, wie Wolke findet. Kinder aus einem besonders warmen Nest fehle womöglich das Rüstzeug, um mit den Schulhoftätern zurechtzukommen, sagt der Psychologe. Wer seine Kinder von allen negativen Erfahrungen fernhalte, mache sie dadurch mutmaßlich auch besonders verletzlich, so Wolke.
Die Daten der aktuellen Meta-Analyse zeigen außerdem, dass die Opfer vom Unglück fast verfolgt werden: Wenn Kinder zu Hause von ihren Geschwistern drangsaliert werden, müssen sie mit höherer Wahrscheinlichkeit auch unter Gemeinheiten von Schulkameraden leiden.
Das geringste Risiko zum Opfer chronischer Hänseleien und physischer Attacken zu werden hatten demnach Kinder, deren Eltern zu Hause zwar auf klare Verhaltensregeln bestanden - auf der anderen Seite aber emotionale Wärme und Geborgenheit vermitteln konnten.
Außerdem ließen es diese Eltern zu, dass ihre Kinder Konflikte mit Gleichaltrigen ausfechten, ohne sofort selbst einzuschreiten, sagt Wolke. Auf diese Weise sei es den Kindern möglich, Strategien zu erlernen, mit Streit umzugehen und ein Selbstbewusstsein zu entwickeln, das auf dem Schulhof kaum Angriffsfläche bietet.