Biologie:Träumer wie wir

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In ihrer ruhigen Schlafphase färben sich Oktopusse weiß. (Foto: Keishu Asada (OIST))

Oktopusse sind mit Säugetieren nur sehr entfernt verwandt - doch wenn sie schlafen, durchleben sie unterschiedliche Phasen, ganz wie der Mensch. Das Muster scheint intelligenten Organismen Vorteile zu bieten.

Der Schlaf von Oktopussen und Menschen weist erstaunliche Parallelen auf: Beide wechseln beispielsweise zwischen zwei Phasen hin und her. Die Ähnlichkeit ist umso verblüffender, als der letzte gemeinsame Vorfahre von Kopffüßern und Wirbeltieren vor etwa 550 Millionen Jahren lebte. Daraus folgern Forscher des Okinawa Institute of Science and Technology im Fachjournal Nature, dass dieses Schlafmuster bei den Tiergruppen unabhängig voneinander entstanden ist. Anscheinend erfülle es für Lebewesen mit hoher Intelligenz eine wichtige Funktion.

"Alle Tiere scheinen eine Art Schlaf zu haben, sogar einfache Organismen wie Quallen und Fruchtfliegen", wird Studienleiter Sam Reiter in einer Mitteilung der Universität zitiert. "Aber lange Zeit wusste man nur bei Wirbeltieren, dass sie zwischen zwei verschiedenen Schlafphasen pendeln."

Dass dies auch für Oktopusse gilt, hatten vor zwei Jahren schon brasilianische Forscher berichtet. Demnach wird bei den Tintenfischen der Art Octopus insularis eine längere ruhige Schlafphase regelmäßig unterbrochen von einer sehr kurzen aktiven Phase, in der die Tiere ihre Hautfarbe plötzlich ändern, die Augen bewegen oder ihre Saugnäpfe zusammenziehen. Diese aktive Schlafphase ähnelt dem sogenannten REM-Schlaf des Menschen, bei dem die meisten Träume auftreten, die andere Phase dem Non-REM-Schlaf. Die Bezeichnung REM - Rapid Eye Movement - stammt daher, dass sich in dieser Phase die Augen unter den geschlossenen Lidern rasch bewegen.

Zeigen die Hautmuster, was die Tiere träumen?

Die Forscher aus Okinawa bestätigten nun im Labor zunächst, dass die Tiere der Art Octopus laqueus in beiden Schlafphasen deutlich schwächer auf physikalische Reize reagierten als im Wachzustand - sie schliefen also tatsächlich. Dann analysierte das Team ihre Hirnaktivität.

Demnach weist diese in der ruhigen Phase Wellenmuster auf, die sogenannten Schlafspindeln ähneln. Diese spezielle Wellenform ist beim Menschen ein charakteristisches Kernelement des Non-REM-Schlafs. Ihre genaue Funktion ist zwar nicht geklärt, vermutlich hängt sie aber mit dem Gedächtnis zusammen. Dazu passt, dass solche Wellenmuster bei den Oktopussen in jenen Hirnarealen auftraten, die mit Lernen und Erinnerungsvermögen zusammenhängen.

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Etwa jede Stunde wechselten die Tiere für grob eine Minute aus der ruhigen in die aktive Schlafphase. Die dabei entstehenden Farbmuster auf der Haut ähnelten denen, die die Oktopusse auch im Wachzustand zeigen, etwa um sich zu tarnen, Feinde zu warnen oder miteinander zu kommunizieren. Möglicherweise, so spekuliert die Gruppe, könnten die Tiere in dieser Schlafphase Erlebnisse aus dem Wachzustand erleben und dabei die damit verbundenen Hautreaktionen abrufen.

Dies sei zwar nicht sicher, könnte aber auf Träume hindeuten. "Während Menschen nach dem Aufwachen verbal über ihre Träume berichten können, bietet das Hautmuster bei Oktopussen eine visuelle Anzeige ihrer Hirnaktivität beim Schlafen", mutmaßt Reiter. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wissen die Wissenschaftler nicht.

Dennoch ziehen sie Rückschlüsse auf die Funktion des Schlafs. "Der Zwei-Phasen-Schlaf hat sich unabhängig voneinander bei zwei entfernt verwandten Lebewesen entwickelt. Oktopusse haben große Hirnstrukturen, die sich jedoch völlig von denen von Wirbeltieren unterscheiden", sagt Co-Autor Leenoy Meshulam. "Das legt nahe, dass ein aktiver Schlaf, der dem Wachzustand ähnelt, ein allgemeines Merkmal einer komplexen Wahrnehmung ist."

Oktopusse sind eine Gattung innerhalb der Familie der Echten Kraken und gelten als sehr intelligent. Sie können Schraubverschlüsse von Gläsern lösen oder abschätzen, ob ihr Körper durch eine Öffnung passt oder nicht. Zudem sind sie in der Lage, ihre Körperfarbe und -musterung blitzschnell an die jeweilige Umgebung anzupassen.

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