Naturbewusstsein:Brüllfrösche und andere Nebenwirkungen

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Nicht für jeden bedeuten Kröten und Frösche Idylle pur. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Viele Menschen entdecken gerade ihre Liebe zur Natur wieder. Damit müssen sie allerdings auch akzeptieren, dass die Natur nicht dazu da ist, ihnen zu gefallen.

Kommentar von Tina Baier

Es ist keine wissenschaftliche Studie, nur ein subjektiver Eindruck, aber es tut sich was beim Umweltschutz. Nicht so sehr in der Politik, eher im Bewusstsein der Menschen. Man hört es aus zufällig aufgeschnappten Gesprächsfetzen heraus, in denen es um die Urlaubsplanung für die Sommerferien geht, in die man dieses Jahr mit dem Zug reisen wird, um das Klima zu schonen. Man sieht es in Gärten, in denen selbstverständlich ein Stück Wiese wild wuchern darf, damit Insekten und Vögel dort Nahrung und Unterschlupf finden. Und man merkt es am Angebot von Baumärkten und Gartencentern, in denen Insektenhotels eine Art Verkaufsschlager zu sein scheinen. Das macht Hoffnung.

Die neu entdeckte Liebe zur Natur hat aber auch zur Folge, dass Menschen wieder öfter mit den weniger angenehmen Seiten konfrontiert werden. So schrieb eine aufgebrachte Leserin kürzlich , das Anlegen von Gartenteichen zu unterstützen sei unverantwortlich - Amphibiensterben hin oder her. Das Gequake der Frösche sei mit mehr als 70 Dezibel lauter als ein Rasenmäher!

Bitte gelassen bleiben, wenn die Erdbeeren nach einem Tag schimmeln

Bevor weitere Beschwerden kommen, soll an dieser Stelle fairerweise nicht verschwiegen werden, dass Vögel, die man in seinen Garten oder auf seinen Balkon lockt, indem man sie füttert, die Überreste auch wieder ausscheiden. Und Achtung! Manche Insekten stechen - Mücken und Wespen zum Beispiel, aber auch Bienen. Dabei unterscheiden sie nicht zwischen Menschen, die Glyphosat versprühen, und solchen, die das Volksbegehren "Rettet die Bienen" unterschrieben haben.

Dass eine intakte Umwelt lebenswichtig für die Menschheit ist, heißt nicht, dass sie für die Menschen da ist, damit sie es schön und angenehm haben. Das zu glauben, wäre ein großes Missverständnis. Wer je bei mehr als 40 Grad Celsius an einem vermeintlichen Traumstrand ohne Schatten und gekühlte Getränke war, weiß, wie unromantisch es dort sehr schnell werden kann. Und wer von den Bauern - richtigerweise - verlangt, sie sollten weniger Gifte versprühen und mehr Bioprodukte anbauen, sollte beim Anblick eines Wurms im Apfel nicht hysterisch werden. Und gelassen bleiben, wenn die Erdbeeren nach einem Tag schimmeln.

Ein Bekannter, der eine wilde Wiese in seinem Garten wachsen lässt, in der es nur so brummt und summt, hat neulich mit der Sense das hohe Gras etwas zurückgestutzt. Am nächsten Morgen hatte er eine merkwürdige Entzündung im Gesicht, ein geschwollenes Auge, Bläschen an der Lippe und einen wackelnden Zahn. Der Arzt vermutet eine fatale Wechselwirkung zwischen dem Saft irgendeiner Pflanze und starker Sonneneinstrahlung. Der Bekannte wird seinen Garten jetzt trotzdem nicht zubetonieren.

© SZ vom 13.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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