Nacktmull:Langlebige Supernager: Was Nacktmulle schmerzresistent macht

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Wer schön sein will, muss leiden? Für Nacktmulle gar kein Thema. (Foto: Thomas Park/dpa)

Entzündungen machen das Gewebe empfindlich. Nicht jedoch beim Nacktmull: Ein Trick verleiht dem hässlichen Höhlentier eine besondere Robustheit - man könnte fast sagen: eine Superkraft.

Von Kathrin Zinkant

Wer einmal richtig Zahnweh gehabt hat, der weiß, was ein Stück Eis und heißer Tee anrichten können: Schmerzen, die einen die Wände hinauftreiben. Tatsächlich handelt es sich dabei aber nicht um eine Laune der Natur, sondern um einen Schutzmechanismus. Denn die extreme Temperatur-Empfindlichkeit von entzündetem Gewebe soll weitere Verletzungen vermeiden helfen. Wie aber funktioniert das im Detail?

Schmerzforscher vom Berliner Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin (MDC) haben sich auf der Suche nach einer Antwort nun den Nacktmull vorgeknöpft. Die unbehaarten, wurstförmigen Tierchen leben dicht gedrängt in unterirdischen Höhlen und sind für allerlei biologische Eigenheiten bekannt. So erkranken die Tiere beispielsweise nicht an Krebs und zeigen sich äußerst unempfindlich gegen Schmerzen. Das gilt auch für den Entzündungsschmerz, weshalb die Neurowissenschaftler einen genauen Blick auf die beteiligten Signalwege in den Nervenzellen des Nacktmulls geworfen haben.

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Nicht zu wissen, ob man Schmerzen erleiden wird, ist offenbar schlimmer, als sich dessen sicher zu sein. Grundsätzlich setzt Ungewissheit Menschen unter Stress. Etwa wenn sie auf einen medizinischen Befund warten.

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Mit Erfolg, wie das Team des MDC jetzt in Cell Reports berichtet: Offenbar besitzen Nacktmulle einen veränderten Rezeptor auf ihren Neuronen, der das Schmerzsignal nur bei extrem starken Reizen weitervermittelt.

Ein Trick ermöglicht es auch kranken Tieren, die Enge ihrer Behausung zu ertragen

In entzündetem Gewebe aller Säugetieren wird demnach ein sogenannter Nervenwachstumsfaktor, kurz NGF, gebildet. Auf schmerzempfindlichen Nervenzellen bindet NGF ganz besonders gut an einen Rezeptor namens TrkA an. Dieser Rezeptor leitet das von außen eintreffende Signal ins Innere der Zellen weiter und stößt dort eine Reaktionskette an, die letztlich zu der extremen Empfindlichkeit der Nervenzellen gegenüber hohen oder niedrigen Temperaturen führt. Beim Nacktmull ist der Rezeptor TrkA etwas anders geformt als bei anderen Tieren, deshalb klemmt die Signalkette an dieser Stelle. Erst extrem starke Entzündungen mit einer zehnfach erhöhten Konzentration von NGF können die robusten Nerven des Nacktmulls schwächen.

Dieser Trick ermöglicht es auch kranken Tieren, die Enge ihrer Behausung und die recht rauen Umgangsformen innerhalb ihrer Gemeinschaft zu ertragen, mutmaßen die Wissenschaftler. Ob von dieser Erkenntnis auch Menschen mit Zahnweh oder anderen Entzündungsschmerzen profitieren werden, ist derzeit allerdings noch unklar.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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