Der erste Berg, den man sieht, wenn man auf der Autobahn von Norden aus Richtung München fährt, ist der Müllberg auf der rechten Seite der A9. Gut 50 Meter erhebt sich die neue Deponie über das Umland. Von ihrem Gipfel hat man einen weiten Blick über die Stadt bis hin zum Alpenrand. In das Panorama fügen sich ein paar wichtige Elemente der Abfallentsorgung der Millionenstadt: Sondermüllumschlagplatz am Fuß des Berges, Müllverbrennungsanlage und schräg gegenüber, auf der anderen Seite der Autobahn, die alte Deponie, die zum begrünten Naherholungsgebiet umgebaut wurde.
Auch der Fuß der neuen Deponie wird bereits von Pflanzen erobert. Oben schaut schwarzgrau die Kuppe hervor, zu Schlacke gewordener Unrat. Denn wenn die Müllverbrennungsanlage getan hat, wozu sie da ist, ist der Müll der Menschen nicht mehr wiederzuerkennen. Wie aus einem Vulkan gerieselt sieht die Schlacke aus, die bei der Müllverbrennung aus dem Heizkessel fällt. Dazwischen Ton-, Glas und Porzellanscherben, eine verbogene Gabel, ein Löffel und anderer Metallkram, der irgendwie unerlaubterweise seinen Weg in den Hausmüll gefunden hat. Es knirscht bei jedem Schritt unter den Schuhen.
Mehr als 45 Millionen Tonnen Haushaltsmüll wandern in Deutschland jedes Jahr in die Tonne. Zwar wird ein Teil davon recycelt, die Statistik aber zeigt: Der Müll in Deutschland wird nicht weniger, im Gegenteil: Wir schmeißen immer mehr weg. Ist das ein Problem? Alle Texte zum Thema finden Sie hier.
Mülldeponien in Deutschland sind längst nicht mehr, was sie einmal waren. Die stinkenden Dreckhaufen, an die sich die Jüngeren vielleicht schon nicht mehr erinnern, sind in vielen Regionen bereits unter Schlacke aus Müllverbrennungsanlagen verschwunden. Seit 2005 darf in Deutschland kein unbehandelter Hausmüll mehr auf Halden gekippt werden. Das heißt: Was nicht wiederverwertet wird, wird verbrannt. Für manche Experten ist diese Form der Müllentsorgung eine gigantische Verschwendung von Ressourcen.
Im Unrat der Menschen stecken Rohstoffe. So gibt es Schätzungen, nach denen 4,5 Prozent der weltweiten Tantal-Produktion im deutschen Hausmüll verschwindet. Computerbauteile werden daraus gefertigt, Mobiltelefone würden ohne das Metall nicht funktionieren. Ausrangierte Smartphones gehören in die Wiederverwertung, der Hausmüll ist für Tantal definitiv der falsche Ort. Hinzu kommen Eisen- und Aluminiumschrott und andere Metalle. "Die Schlacken aus der Müllverbrennung enthalten 0,4 bis 0,7 Prozent Kupfer", sagt Daniel Goldmann, Professor für Rohstoffaufbereitung und Recycling an der Technischen Universität Clausthal, "Tendenz steigend". In manchen natürlichen Lagerstätten, die vom Menschen erschlossen werden, gibt auch das Erz nicht mehr von dem teuren Metall her.
Wäre es da nicht schlauer, den Müll - wie früher, aber vielleicht geschickt vorsortiert - wieder zu Bergen aufzuhäufen, um irgendwann, wenn die Rohstoffpreise noch weiter gestiegen sind, die wertvollen Bestandteile wieder herausholen zu können? In den rund 2000 amerikanischen Müllbergen sollen bereits heute drei Weltjahresproduktionen Kupfer lagern; eine stattliche Reserve.
Mülldeponien können erheblich zur Erderwärmung beitragen
Hausmüll verbrennen oder deponieren, das ist in Europa seit der Jahrtausendwende eigentlich keine Frage mehr. Damals beschloss die EU-Kommission, dass Deponieren, der "am wenigsten zu bevorzugende" Weg der Müllentsorgung ist. In erster Linie ging es dabei um Umwelt- und Klimaschutz, denn Mülldeponien gehören zu den weltweit größten Methanproduzenten. Das Gas entsteht, wenn Müll vor sich hin rottet und verstärkt die Erderwärmung 25 Mal so stark wie eine gleiche Menge Kohlendioxid. Bis zur flächendeckenden Umsetzung der Deponieverordnung waren Mülldeponien in Deutschland neben der Landwirtschaft die größten Quellen für das Treibhausgas, weil dort volle Windeln, Kühlschränke, Kartoffelschalen, Zeitungen und Bierflaschen wild durcheinander aufgehäuft vor sich hin gammelten.
Seit der EU-Direktive sinkt der Müllanteil, der in Europa unbehandelt auf der Deponie landet, stetig. Im Jahr 2014 waren es nur noch 34 Prozent, zehn Jahre zuvor lag die Quote noch bei fast 50 Prozent. In Deutschland ist dieser Entsorgungsweg praktisch auf null gesunken, ebenso wie in Österreich, Belgien, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und der Schweiz. Das geht aus einem Bericht der EU hervor. Die Recyclingrate ist europaweit im gleichen Zeitraum von 23 auf 33 Prozent gestiegen. Doch vor allem in einigen Ländern Osteuropas landet der Hausmüll noch immer bevorzugt auf den dortigen Deponien.
Für Mülldeponien wie die im Norden von München ist das ein Problem: "Wir können mit der anfallenden Menge nicht mehr wirtschaftlich arbeiten", sagt der Leiter der neuen Deponie Stephan Hengst. Er hat bereits dort gearbeitet, als dort noch unbehandelter Hausmüll abgeladen wurde, und schätzt, dass dieser Anteil etwa die unteren 20 Höhenmeter des Berges ausmacht. Dann begannen die Münchner Entsorger, den Unrat zu verbrennen und nur doch die Schlacke landet hier.