Menschliche Evolution:Zweifel am frühen Metzger

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Bereits vor 3,4 Millionen Jahren hätten unsere Ahnen Steinwerkzeuge benutzt, um Tierkadaver zu bearbeiten, berichteten Forscher kürzlich. Doch wurden die Spuren richtig interpretiert?

Markus C. Schulte von Drach

Es spricht nicht gegen, sondern für die Arbeit von Wissenschaftlern im Allgemeinen, wenn Ergebnisse von anderen Forschern in Frage gestellt und diskutiert werden. Denn alle Erkenntnisse sind vorläufig und gelten nur solange, bis wir es besser wissen.

Zwei winzige Kerben auf einem Knochen könnten darauf hinweisen, dass Vormenschen bereits vor 3,4 Millionen Jahren Steinwerkzeuge benutzten. Oder sind es doch einfach nur natürlich entstandene Kratzer? (Foto: Dikika Research Project/AFP)

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Arbeitsweise von Naturwissenschaftlern sind die Studien zu Kerben in zwei Knochen, die Anthropologen des Dikika Research Project (DRP) in der Nähe des Flusses Awash in Äthiopien entdeckt haben. Schnittspuren von Steinwerkzeugen sollen es sein, wie sie kürzlich im Wissenschaftsmagazin Nature berichtet haben. Demnach aber hätten unsere fernen Ahnen, die Australopithecinen, bereits vor 3,4 Millionen Jahren solche Werkzeuge benutzt - 800.000 Jahre früher als bislang durch Steinwerkzeuge belegt.

"Nicht gerechtfertigt" ist diese Annahme jedoch einem Team von Wissenschaftlern um Manuel Domínguez-Rodrigo zufolge. Wie der Spanier von der Universidad Complutense de Madrid mit seinen Kollegen im Fachblatt PNAS berichtet, lassen sich die Kerben auch anders erklären - und zwar besser.

Es handelt sich demnach wahrscheinlich nur um Kratzer. Solche Spuren könnten entstanden sein durch Tiere, die über die in flachem Sandboden liegenden Fossilien "getrampelt" sind, oder an den Knochen genagt haben.

Die Wissenschaftler haben die Spuren an den Fossilien von Dikika mit solchen verglichen, die früheren Studien zufolge auf ebendiese Weise entstanden sind. Nun kommen sie zu dem Schluss, "dass die Behauptungen des DRP einer genauen Prüfung nicht standhalten; und die frühesten guten Hinweise auf die Verwendung von Werkzeugen zum Schlachten von Tieren weiterhin jene aus den 2,6 bis 2,5 Millionen Jahre alten archäologischen Ausgrabungsstätten der äthiopischen Orte Gona und Bouri bleiben".

Hilfreich wäre es, wenn man in der Nähe von Australopithecus-Fossilien die mutmaßlichen Werkzeuge selbst finden würde. Solange gehen Domínguez-Rodrigo und seine Kollegen jedenfalls davon aus, dass Lucy, die berühmte Australopithecus-afarensis-Frau, noch keine scharfkantigen Steine verwendet hat, um die Kadaver von Tieren zu bearbeiten.

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