Moore:Klimaschaden aus dem Blumentopf

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Moore speichern enorme Mengen Kohlendioxid. (Foto: Felix Kästle/dpa)

Die Gartenbranche verbraucht Millionen Kubikmeter Torf - der Abbau in Mooren schadet Umwelt und Klima. Nun zeichnen sich mögliche Alternativen ab.

Von Martin Häusler

Inmitten eines Dreiecks zwischen Oldenburg, Weserufer und Jadebusen soll die Zukunft liegen: 18 Hektar sumpfiges Marschland, mitten in der Agrarlandschaft. Torfwirtschaft, Umweltschützer und Moorwissenschaftler erhoffen sich von diesem Fleck Lösungen für die Zeit nach dem Torf. Denn so wie Solar- und Windkraft als klimafreundliche Nachfolger für die Kohle dienen, müsste auch der Torf ersetzt werden - weil er aus Moorgebieten stammt. Für den Abbau werden Moore trockengelegt und vernichtet. Das ist nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein Klimaschutzproblem.

Etwa fünf Prozent des Treibhausgas-Ausstoßes Deutschlands gehen auf zerstörte und ausgebeutete Moore zurück. Ein gesundes Moor konserviert über Jahrtausende abgestorbene Pflanzen samt dem darin gespeicherten Kohlenstoff im feuchten Boden und wächst jährlich bis zu einem Millimeter in die Höhe. Legt man das Moor trocken, gelangt Luft an den Boden, und der gespeicherte Kohlenstoff wird als CO₂ zurück in die Atmosphäre entlassen - viel schneller, als er jemals wieder aufgenommen werden kann.

Der Torfabbau ist dabei nur ein kleiner Teil des Problems, gerade im einst moorreichen Deutschland werden weit größere entwässerte Moorflächen als Äcker oder Weiden genutzt. Rund 80 Prozent der Moor-Emissionen stammen laut Experten aus der Landwirtschaft. Doch auch Torf muss ersetzt werden. Sphagnum könnte die Alternative heißen, auch Torfmoos genannt - dabei handelt es sich im Prinzip um die oberste Schicht eines Moors. Mit dem Anbau von Torfmoos beschäftigt man sich kurz vor der deutschen Nordseeküste seit etwa zehn Jahren.

Sphagnum-Farming in Niedersachsen. (Foto: Martin Häusler)

Auch aus Eigeninteresse hat der Pflanzensubstrat-Hersteller Moorkultur Ramsloh diese 18 Hektar der Forschung überlassen. Vor einigen Jahrzehnten war die Fläche noch Teil eines Hochmoors, wurde dann zur Kuhwiese degradiert, am Ende wieder rücksaniert zur Paludikultur - so nennen Fachleute die Bewirtschaftung nasser Moorflächen. Auf verschiedenen Parzellen testen Wissenschaftler, welches Torfmoos das beste ist, wie schnell es wächst und wie man es am besten erntet. Darunter ist auch Greta Gaudig von der Universität Greifswald. "Qualitativ ist Torfmoos-Biomasse der beste Torfersatz, den es auf der Welt gibt, weil sie ähnliche Eigenschaften hat", sagt sie.

Acht Millionen Kubikmeter Torf werden jährlich in Deutschland verarbeitet. Knapp die Hälfte geht an Hobbygärtner, der etwas größere Teil in die professionelle Pflanzenzucht. Um das zu ersetzen, müsste auf rund 100 000 Hektar Torfmoos angebaut werden. Das wäre in etwa die Fläche an Hochmoorwiesen, die sich in Niedersachsen laut Gaudig für die Wiedervernässung eignen würde. Solch eine Paludikultur hätte, so Gaudig, zwei Vorteile in einem: Torfersatzanbau bei gleichzeitigem Moorschutz. Doch der Weg dorthin ist lang und steinig.

Torf abzubauen ist unfassbar billig

Denn die Glashäuser der Pflanzenzucht funktionierten inzwischen wie Hochleistungsfabriken, erklärt der Moorforscher Hans Joosten. Ob Zierpflanzen, Gemüse oder Beeren, termingenau und im idealen Entwicklungsstadium würden die Produkte millionenfach in den Supermärkten erwartet. "Das kann nur klappen, wenn man die gesamte Produktion immer und vollständig im Griff hat. Da kommen die Substrate ins Spiel. Leider ist es so, dass Torf das geilste Material ist, das man für Substrate verwenden kann." So hilft die Porosität des Torfs, Wasser zu halten, gewährleistet aber auch, dass die Wurzeln genug Sauerstoff bekommen. Im Gegensatz zum Kompost enthält Torf auch so gut wie keine Nährstoffe und bietet daher für jeden Substrathersteller die ideale Grundlage. Außerdem sind Torfe sehr sauer. Mit einer Beigabe von Kalk lässt sich das pH-Niveau sehr genau einstellen. Und: Torf abzubauen ist unfassbar billig. Es ist nicht leicht, eine klimagerechte Alternative zu finden, die da mithält.

Hans Joosten hatte bereits Ende der Neunzigerjahre in einem Newsletter des internationalen Moorschutz-Netzwerks IMCG darauf hingewiesen, dass Torf keinesfalls ein nachwachsender Rohstoff sei, wie die Torfindustrie damals argumentierte, sondern im Gegenteil wie ein jahrtausendealter CO₂-Speicher funktioniert. "Die bewusste Verwendung solcher Pseudowissenschaft zur Beeinflussung der EU-Energiesteuerpolitik ist kein Beitrag zu einer sachlichen Diskussion, sondern ein zynischer Versuch, Steuern zu vermeiden", hatte Joosten geschrieben.

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Das hatte Konsequenzen. Aus Finnland, wo Torf noch als Energieträger verheizt wird, wurde ihm mit Klage gedroht. Joostens Haltung würde Tausende Arbeitsplätze bedrohen. Auch erinnert sich der gebürtige Niederländer an einen Anruf aus einer Bundesbehörde: Wenn er noch einmal einen solchen Aufsatz formulieren würde, würde man dafür sorgen, dass er niemals eine Professur in Deutschland erhalten würde. Er bekam dann trotzdem eine, in Greifswald, und stieg auf zur Koryphäe der weltweiten Moorforschung. In diesem Jahr wurde Joosten emeritiert, tüftelt aber immer noch mit einer Arbeitsgruppe der Universität am Aufbau von Paludikulturen. "Die Torfindustrie zieht als letzter Jäger und Sammler durch die Welt, von einem ausgeschöpften Moor zum anderen", sagt er.

Die Branche gerät zunehmend unter Druck

Gut die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Torfs wird importiert, vor allem aus dem Baltikum. Die Klasmann-Deilmann GmbH aus dem niedersächsischen Geeste ist einer der weltgrößten Torf- und Substratanbieter, auch diese Firma baut dort große Mengen Torf ab. Seit einiger Zeit sind auch torfreduzierte Substratmischungen im Sortiment: Holz- und Kokosfasern, Grünschnittkompost oder granulatartige Perlite vulkanischer Herkunft. "Darüber hinaus ist am Horizont nicht viel Neues zu erkennen", sagt Unternehmenssprecher Dirk Röse. Eine Nutzung von Torfmoosen als Ausgangsstoff hält der Konzern derzeit noch für unwirtschaftlich. Und überhaupt: "Wenn man einen wunderbar funktionierenden Rohstoff hat und die damit verbundenen Umweltauflagen erfüllt, gibt es zunächst keinen Grund, vollständig davon abzurücken."

Doch zumindest in Deutschland ist das Ende des Torfabbaus absehbar. Die meisten Abbaulizenzen laufen in den nächsten 15 Jahren aus. Eine Torfminderungsstrategie ist Teil des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner forderte im Sommer 2020 die Bau- und Supermarktketten dazu auf, auf freiwilliger Basis torfhaltige Blumenerden aus dem Sortiment zu nehmen. Neben Torfmoos werden auch Rohrkolben oder Fasernessel als mögliche Alternativen diskutiert.

Im vergangenen Jahr veröffentlichte der Industrieverband Garten (IVG) eine Selbstverpflichtung: Alternative Ausgangsstoffe sollen bis 2025 in Hobbyerden auf 50 Prozent, bei professionellen Kultursubstraten auf 20 Prozent ansteigen. Bis 2030 sollen beide Werte 70 und 30 Prozent erreichen. Mehr sei unter den aktuellen Bedingungen nicht möglich. Denn würden Landwirte heute auf Torfmoosanbau wechseln wollen, verlören sie ihren Anspruch auf Agrarförderung, argumentiert der IVG. Das Risiko ginge kaum jemand ein.

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Der Geograf Bernd Hofer, dessen Landschaftsplanungsunternehmen sowohl IVG als auch Umweltverbände zu seinen Kunden zählt, rät dazu, dass alle Interessengruppen "vorbehaltlos und ohne Tabus an einen Tisch kommen müssen" - einen solchen "Torfgipfel" fordern mittlerweile viele. Mit Blick auf die Substratindustrie empfiehlt Hofer eine Politik mit Maß, andernfalls drohe eine Verlagerung ins Ausland. "Gerade Russland verfügt über gigantisch große Abbauflächen. Dieser Schritt dorthin ist schon jetzt erkennbar. Dem Klima ist damit nicht geholfen."

Ein Gesetz verhindert in Niedersachsen die Umwidmung von Weiden zu Paludikulturen

Inzwischen kann das Familienunternehmen Moorkultur Ramsloh im Dreieck in der Wesermarsch jedes Jahr zumindest in kleinem Maße Torfmoos ernten und verkaufen. Prokuristin und Gartenbauingenieurin Silke Kumar sagt, Torfmoos könne Weißtorf eins zu eins ersetzen, wenn man es in großer Menge produzieren könnte. "Ich glaube aber nicht, dass die Bundesrepublik Marktführer werden wird. Ich sehe das eher im Baltikum und in Skandinavien." Einerseits stünden dort viel mehr Flächen zur Verfügung. Andererseits gebe es in Deutschland ein prinzipielles Problem mit der Politik. "Sie fördert zwar einerseits Forschung, vernachlässigt aber die gesetzlichen Grundlagen komplett." Das liegt in Niedersachsen auch am Grünlandumbruchverbot, das die Umwidmung von Kuhweiden in moorschonende Paludikultur verhindert. Vor allem das Landwirtschaftsministerium müsse sich bewegen, sagt Silke Kumar. "Wo ist die Verhältnismäßigkeit? Unser Produkt wird gebraucht, um Nahrungsmittel zu produzieren." Die Agrarwirtschaft müsse endlich ihren Anteil leisten.

Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) war im Frühjahr vor Ort, um sich das Sphagnum-Farming anzuschauen - und hat versprochen zu helfen. Auf Nachfrage erklärt das Ministerium in Hannover, das Bundesland habe "großes Interesse" daran, dass die Torfmooskultivierung weiterentwickelt werde. Aber die nötigen Rahmenbedingungen dafür? Die seien dann doch national zu schaffen.

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