Klimawandel:Ein Naturwunder verschwindet

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Nicht mehr so farbenfroh wie einst: ein beschädigter Bereich des Great Barrier Reefs. (Foto: ANDREAS DIETZEL/AFP)

Mehr als die Hälfte seiner Korallen hat das Great Barrier Reef schon verloren. Eine neue Studie verdeutlicht: Für eine Rettung des Riffs könnte es bereits zu spät sein.

Von Julian Rodemann

Erst am vergangenen Donnerstag ging es im australischen Parlament in Canberra um das Great Barrier Reef: Abwasser von landwirtschaftlichen Betrieben fließt in das Korallenmeer vor Australiens Ostküste; die Parlamentarier streiten schon länger um strengere Vorschriften für den schädlichen Abfluss. Vor einigen Jahren beschloss die australische Regierung, mehr als eine Milliarde Euro zu investieren, um die Wasserqualität im Riff zu verbessern und so den Zusammenbruch eines riesigen Ökosystems zu verhindern: Seit Langem sterben die Korallen im Great Barrier Reef, dem größten Korallenriff der Welt.

Doch die Rettungsmaßnahmen könnten zu spät kommen, der Patient liegt längst im Sterben. Wie ernst es um das Unesco-Weltnaturerbe bestellt ist, verdeutlicht nun eine neue Studie, die am Mittwoch im Fachmagazin Proceedings of the Royal Society B erschienen ist. Die Korallenpopulation ist demnach seit 1995 auf den Kämmen des Riffs um mehr als die Hälfte und an den Hängen um ein gutes Drittel zurückgegangen. Insgesamt gehen Wissenschaftler davon aus, dass das Great Barrier Reef seit den 90er-Jahren etwa die Hälfte seiner Korallen verloren hat.

Die neue Studie zeichnet ein düsteres, ja finsteres Bild: Demnach sterben kleine und mittlere genauso wie große Korallen; betroffen sind zudem sämtliche Arten. Auch die Heimat innerhalb des Riffs spielt keine Rolle: Die Nesseltiere verenden auf Riffkämmen genauso wie an den Hängen, im flachen ebenso wie im tiefen Wasser. Das große Korallensterben, so scheint es, macht vor keinem der Tiere halt. "Der Rückgang war auffallend gleichmäßig", schreiben die Autoren um Andreas Dietzel von der James Cook University.

Es gibt im Great Barrier Reef keine Korallen, die nicht unter dem Klimawandel leiden

Man könnte auch sagen: Erschreckend gleichmäßig. Denn für die Zukunft des Great Barrier Reefs sind das denkbar schlechte Nachrichten. Es war zwar bereits bekannt, dass wegen der im Zuge des Klimawandels gestiegenen Meerestemperaturen immer mehr Korallen im Riff ausbleichen und so sterben. Sie stoßen als Stressreaktion auf das zu warme Wasser die in ihnen wachsenden Algen aus, mit denen sie in Symbiose leben. So verlieren die Korallen nicht nur eine wichtige Energiequelle, sondern auch ihre charakteristischen Farben. Nicht immer, aber häufig führt die Bleiche zum Absterben der Korallen. Zurück bleiben dann nur blasse Korallenskelette. Der so entstandene Rückgang der durch Korallen bedeckten Fläche ist gut dokumentiert. Weniger klar war jedoch, welche Tiere, Arten und Kolonien genau betroffen sind. So blieb ein Fünkchen Hoffnung: Vielleicht leiden nur kleine oder nur große Exemplare; vielleicht gibt es Arten, die resistenter sind.

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Die neue Studie wirkt vor diesem Hintergrund ernüchternd - es gibt keine Korallen, die nicht unter dem Klimawandel leiden. "Wir dachten einmal, dass das Great Barrier Reef durch seine schiere Größe geschützt ist", sagt Co-Autor Terry Hughes. Doch die Ergebnisse zeigten, dass selbst das weltweit größte und relativ gut geschützte Riff zunehmend gefährdet und bereits im Niedergang begriffen sei. "Die Resilienz, also die Fähigkeit des Riffs sich zu erholen, ist im Vergleich zu früher kompromittiert", sagt sein Kollege Dietzel.

Das Massensterben könnte der Anfang vom Ende eines der artenreichsten Ökosysteme der Welt sein

Für eine schnelle Erholung nach massenhaften Bleichen durch maritime Hitzewellen sind ausgewachsene, ältere Tiere besonders wichtig. "Die großen Tiere produzieren am meisten Larven", erklärt Dietzel. Aber auch der Rückgang der kleinen Korallen gibt Anlass zur Sorge. Die Forscher interpretieren ihn als Zeichen dafür, dass deutlich weniger Nachwuchs zur Welt kommt. Sie bedauern, dass es nicht mehr Daten zur Demografie der Korallen im Great Barrier Reef gibt. Jene seien wichtig, um die Fortpflanzungsfähigkeit der Tiere zu untersuchen, sagt Dietzel. In ökologischen Studien über Wälder sei das längst Standard.

Unter den Arten am stärksten betroffen sind tischförmige Spezies und solche mit vielen Verästelungen, die wie Finger aussehen. Die Massenbleichen in den Jahren 2016 und 2017 trafen diese Arten am stärksten. Das aus ökologischer Sicht Fatale daran: Ausgerechnet sie bieten Riffbewohnern besonders viel Unterschlupf. Wer schon einmal in einem Korallenriff geschnorchelt oder getaucht ist, weiß, wie viele bunte Fische und andere Meerestiere durch die Korallen wuseln, taumeln oder jagen. Weniger Korallen bedeuten deshalb weniger Fische. Das Massensterben der Nesseltiere könnte der Anfang vom Ende eines der artenreichsten Ökosysteme der Welt sein.

Um die Dimension dieser drohenden ökologischen Katastrophe zu verstehen, lohnt ein Blick auf die Landkarte: Das Riff erstreckt sich über 2300 Kilometer vor der australischen Nordostküste. Mehr als 1500 Fisch- und mehr als 200 Vogelarten leben im Great Barrier Reef, das streng genommen kein ganzes Riff, sondern ein System beinahe 3000 einzelner Korallenriffe ist.

In den südlichen Ausläufern des Great Barrier Reefs war der Rückgang zunächst nicht so dramatisch, Kolonien mittlerer und großer Korallen wuchsen sogar leicht an. Die maritimen Hitzewellen in den Jahren 2016 und 2017 erfassten diesen südlichen Teil des Riffs in der Nähe der Hafenstadt Gladstone nicht. Doch hier leben keine anderen Arten als im Norden. Anfang dieses Jahres, nachdem die Datenerhebung für die aktuelle Studie beendet war, trat am Great Barrier Reef die dritte Massenbleiche in fünf Jahren ein. Diesmal war auch der Süden betroffen.

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