Klimawandel:Nun könnte die Stunde Europas schlagen

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Ungelöste Probleme: Deutsche Politikerköpfe werden auf einen Kühlturm des Braunkohlekraftwerks Neurath projeziert. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)
  • Die Klimakonferenz im polnischen Kattowitz steckt kurz vor dem Finale bei wesentlichen Punkten fest.
  • Mittlerweile liegt ein Entwurf für den abschließenden "Kattowitz-Text" vor. Doch vor allem für ärmere Staaten ist der Entwurf nur schwer zu verdauen.
  • Ein Streitpunkt ist, wie hart die Auflagen für Industriestaaten, sowie für Schwellen- und Entwicklungsländer ausfallen.
  • Die EU versucht, die Lücke zu schließen, die der Rückzug der USA hinterlassen hat.

Von Michael Bauchmüller, Kattowitz

Am Freitagmorgen begrüßen Schüler die Delegierten der Klimakonferenz, sie haben sich auf der Treppe postiert, die jeder passieren muss. Jeder hält eine Zahl oder einen Buchstaben in Händen, zusammen ergeben sie: "12 years left". Zwölf Jahre bleiben, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch zu vereiteln, um den Abschied von fossiler, klimaschädlicher Energie anzupacken. Nicht viel Zeit gemessen daran, dass seit 24 Jahren UN-Klimagipfel stattfinden. Doch auch in Kattowitz hängen die Verhandlungen am Kleingedruckten fest. Und dahinter lauern die großen Fragen.

Mittlerweile liegt ein Entwurf für den "Kattowitz-Text" vor, er ist 144 Seiten stark. Doch für Staaten, die schon Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen, sind Teile davon schwer zu verdauen. Ein Mechanismus, mit dem reiche Staaten für Klimaschäden der ärmeren aufkommen, wird darin sanft abmoderiert - nach Jahren der Debatte. Auch der jüngste Bericht des Weltklimarats wird darin nur dankbar anerkannt - nicht aber förmlich begrüßt. Ein Affront vor allem für kleine Inselstaaten: Der Bericht hatte vor katastrophalen Folgen schon bei einer Erderwärmung um mehr als 1,5 Grad Celsius gewarnt. Diese Folgen spüren Inselstaaten als Erstes. Auch dazu zieht Streit auf.

Harte Auflagen nur für die Industriestaaten?

Dabei soll es in Kattowitz vor allem um das Regelwerk gehen, das Betriebssystem des Abkommens von Paris. Dort hatten sich die Staaten zwar 2015 darauf geeinigt, künftig detaillierte Pläne für den Klimaschutz vorzulegen. Wie sie sich aber gegenseitig überprüfen, ließen sie offen. Die Regeln sind der Dreh- und Angelpunkt im Klimaschutz: Warum sollten die Staaten sich anstrengen, wenn sie nicht sicher sein können, dass die anderen es auch tun?

Doch am Freitag liegen dafür noch immer drei Optionen auf dem Tisch. Ein Vorschlag sieht nur für die Industriestaaten harte Auflagen vor, während sie für Entwicklungs- und Schwellenländer sehr lax bleiben. Dies käme vor allem China zu Gute. Ein anderer will radikal für alle die gleichen Regeln für alle, mit Ausnahmen für Entwicklungsländer. Dafür treten die USA ein, die aber ohnehin dem Pariser Abkommen den Rücken kehren wollen. Ein dritter beschreibt einen Mittelweg, der unterschiedliche Pflichten je nach Entwicklung der Länder verlangt - dafür streitet die EU. China hatte hier über Nacht Kompromissbereitschaft erkennen lassen. Das lässt hoffen, dass am Ende vernünftige Regeln stehen.

Doch abgerechnet wird zum Schluss. Der vorliegende Text werde sicher "nicht der Schlusstext sein", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). "Wir bewegen uns jetzt auf die Schlussgerade zu." Der Europäischen Union könnte hier eine Schlüsselrolle zufallen: Die EU hatte zuletzt eine alte Allianz wiederbelebt, die "high ambition coalition", eine Art Koalition der Willigen. Zusammen mit Entwicklungsländern und Inselstaaten will sie hier Druck machen. "Das ist ein sehr wichtiges Zeichen", sagt Hubert Weiger, Chef des Umweltverbands BUND. Nun schlage die Stunde Europas: "Die entscheidende Frage ist, ob die EU die Lücke ausgleichen kann, die durch den Rückzug der USA entstanden ist." Auch über diese Frage wird an diesem Freitag verhandelt.

Streit um Hilfen für arme Länder

Doch es geht noch um mehr. Etwa um die Frage, wie verlässlich die Industriestaaten künftig Geld zur Verfügung stellen, um ärmere Länder beim Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen. Von 2020 an sollen dafür jährlich 100 Milliarden Dollar fließen, aus privaten und öffentlichen Quellen. Doch die Entwicklungsländer wollen Zusicherungen, dass diese Mittel auch wirklich fließen. Umstritten sind auch noch die sogenannten Marktmechanismen: Damit können Länder Klimaschutz im Ausland unterstützen, etwa Aufforstungen. Diese Unterstützung können sie sich anschließend auf ihren eigenen Klimaschutz anrechnen lassen. In der Vergangenheit hatten solche Mechanismen dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Das sollen die neuen Vorgaben verhindern. Nicht alle Staaten haben daran das gleiche Interesse.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Zeit knapp wird. Noch am Donnerstag hatte die polnische Präsidentschaft der Konferenz in einer Mitteilung beiläufig erklärt, die Verhandlungen "könnten" diesen Freitag enden. Sie könnten aber auch "für ein paar Tage" verlängert werden.

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