Umweltschutz:Artensterben und Klimawandel sind Zwillingskrisen

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Der Sumatra-Orang-Utan ist Beispiel für die Zwillingskrise. Abholzung zerstört sein Lebensraum - und auch die grüne Lunge der Erde. (Foto: dpa)

Der Mensch zerstört Lebensraum für Tiere und Pflanzen - und letztlich für sich selbst. Er muss also handeln, im eigenen Interesse, und zwar schnell.

Kommentar von Tina Baier

Spätestens jetzt sollte klar sein, dass das weltweite Artensterben genauso bedrohlich ist wie der Klimawandel. Der Bericht des Weltbiodiversitätsrats macht deutlich, dass die Erde auf einen ökologischen Kollaps zusteuert, wenn nichts dagegen unternommen wird. Das Frustrierende dabei ist, dass selbst im besten Fall nur noch eine Verlangsamung des Schwunds erreichbar ist, kein Stopp.

Trotzdem muss das Menschenmögliche getan werden, um wenigstens das zu schaffen. Denn wie der Klimawandel kann auch das Artensterben die Erde in nicht allzu ferner Zukunft zu einem unwirtlichen Planeten machen. Beides hängt zusammen und beschleunigt sich gegenseitig. Die ansteigenden Temperaturen treiben das Artensterben voran, weil viele Tiere und Pflanzen nur in einem bestimmten Temperaturbereich überleben können. Wird dieser überschritten, müssen sie in kühlere Regionen ausweichen. Ist das nicht möglich, sterben sie.

Die Artenkrise ist sogar noch schwieriger zu lösen als die Klimakrise

Die Korallen dürften zu den ersten Arten gehören, die davon betroffen sind. Dem Bericht zufolge verschwinden 99 Prozent dieser Nesseltiere, wenn der Temperaturanstieg bei zwei Grad angelangt ist. Umgekehrt ist alles, was den Arten hilft, gut fürs Klima. Biodiversität gewährleistet, dass Ökosysteme wie Wälder und Ozeane funktionieren, die wenigstens einen Teil des menschengemachten Kohlendioxids aus der Atmosphäre herausfiltern.

Artensterben
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Von Tina Baier

Wegen dieser Zusammenhänge zwischen Artensterben und Klimawandel sprechen manche Wissenschaftler bereits von "twin crises", Zwillingskrisen. Es ist dem Weltbiodiversitätsrat, der sich eigentlich gar nicht mit dem Klima beschäftigt, hoch anzurechnen, dass er es geschafft hat, über seinen Tellerrand zu blicken und eine stärkere Zusammenarbeit von Artenschützern und Klimaschützern zu fordern. Viel zu oft arbeiten diese nämlich gegeneinander statt miteinander.

Die Artenkrise ist sogar noch schwieriger zu lösen als die Klimakrise. Beides sind globale Probleme, auch beim Artenschwund gibt es kaum eine Region auf der Erde, die verschont ist. Doch eine Lösung, die beim Klima - zugegebenermaßen stark vereinfacht - darin besteht, den Ausstoß des Treibhausgases CO₂ zu reduzieren, ist bei den Arten viel komplexer. Um das Abholzen des Regenwalds in Südamerika zu stoppen, sind ganz andere Schritte erforderlich, als um den Handel mit allen möglichen Körperteilen geschützter Tierarten in Asien in den Griff zu bekommen oder eine Umstellung der intensiven Landwirtschaft in Europa und den USA voranzutreiben.

Weil die Ursachen so unterschiedlich sind, muss das Artensterben überall anders bekämpft werden. Ein allgemeingültiges Rezept gibt es nicht. Hinzu kommt, dass es gegen das Massensterben von Tieren und Pflanzen keine technischen Lösungen gibt. Mit Artenschutz lässt sich kein neuer Markt generieren, kein Geld verdienen. Trotzdem muss endlich damit begonnen werden. Und zwar schnell.

Die Menschen müssen aufhören, zu viel Wald abzuholzen, die Weltmeere zu überfischen und auch noch alles zuzumüllen. Es muss ins kollektive Bewusstsein dringen, dass saubere Luft zum Atmen, Wasser zum Trinken und fruchtbare Böden nicht kostenlos und unbegrenzt zur Verfügung stehen. Und eines ist klar: Es wird nicht funktionieren, von den Bürgern zu verlangen, im Einklang mit der Natur zu leben, wenn das System um sie herum darauf keinerlei Rücksicht nimmt.

© SZ vom 08.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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