Klimawandel:Angst vor dem Untergang

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Mit der Veränderungen des Klimas steigt der Meeresspiegel an und bedroht die Inseln im Südpazifik - viele Bewohner müssen bald fliehen.

Gerhard Fischer und Urs Wälterlin

Die korallenrote Insel Masig im Südwestpazifik ist 2,7 Kilometer lang und maximal 800 Meter breit. Ihre Höhe wird in Zentimetern gemessen.

Die Inselgruppe Kiribati liegt nur ein paar Zentimeter über dem Wasserspiegel - in wenigen Jahrzehnten könnte sie ganz verschwunden sein. (Foto: Foto: Reuters)

Die Bewohner von Masig erlebten zuletzt ungewöhnlich starke Überschwemmungen, heftige Winde trieben die Flut über die Insel, die in der Torresstraße zwischen Australien und Papua-Neuguinea liegt.

"Als ich eines Nachts nach draußen ging, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf", berichtet Pater Ned Mosby, Vater von sechs Kindern. Die Wellen "umtosten Mosbys 113 Jahre alte Kirche und schlugen die Treppe hoch", heißt es in einem Text der australischen Umweltorganisation Catholic Earthcare.

Mosbys Kinder fragten: "Dad, was passiert da?" Er antwortete: "Ich weiß es nicht." Und fügte hinzu: "Der Tag wird kommen, an dem wir hier wegziehen müssen."

Das Eis in Grönland und der Antarktis schmilzt wegen der globalen Klimaerwärmung rasend schnell. Der Meeresspiegel steigt vermutlich noch in diesem Jahrhundert so weit, dass die meisten Inseln in der Torresstraße einfach untergehen werden.

Gefährdet sind auch andere Eilande des Südpazifiks, etwa Tuvalu, Niue, die Marschall-Inseln oder Kiribati. Der Staatschef der Inselgruppe Kiribati, Anote Tong, appellierte am Dienstag beim Pacific Islands Forum auf den Fidschi-Inseln an Australien, in der Zukunft sogenannte Klima-Flüchtlinge aufzunehmen. "Wir brauchen einen Ort, an den wir fliehen können", sagt Tong.

"Von nie da gewesenen Überschwemmungen betroffen"

Die Torresstraße ist eine 150 Kilometer breite Meerenge zwischen Australien und Papua-Neuguinea. Etwa 100 Inseln befinden sich dort, auf 14 von ihnen leben um die 8000 Menschen. Es sind vorwiegend Ureinwohner, die von Melanesiern abstammen, welche vor etwa 5000 Jahren aus Papua-Neuguinea eingewandert sind. Heute gehören die Inseln zum australischen Bundesstaat Queensland.

Australiens staatliche Behörde für wissenschaftliche und industrielle Forschung gab kürzlich bekannt, dass in den vergangenen zwei Jahren "die Hälfte der Bevölkerung der Torresstraße von nie da gewesenen Überschwemmungen" betroffen waren.

Donna Green, Leiterin der Untersuchung, sagte, der Klimawandel habe "das Ansteigen des Meeresspiegels in dieser Region verursacht" und die Intensität von "extremen Wetterereignissen" nehme zu. Damit sind auch Stürme gemeint.

Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung stellt fest, dass der Meeresspiegel in den vergangenen 100 Jahren um knapp 20 Zentimeter gestiegen sei.

Die Gründe dafür seien nicht natürlich, sondern "komplett durch menschliches Verhalten provoziert" - besonders durch die Treibhausgase, die durch Verbrennung von Kohle, Öl und Gas produziert werden. Künftig würde der Meeresspiegel etwa drei Zentimeter pro Jahrzehnt steigen, prophezeit Rahmstorf.

Erste Inseln in 25 bis 30 Jahren unbewohnbar

Die Kiribati-Inseln, die etwa auf halber Strecke zwischen Australien und Hawaii liegen, werden schon jetzt regelmäßig überspült.

Felder können nicht mehr bewirtschaftet werden, weil das Salzwasser den Boden vergiftet und Süßwasserquellen kontaminiert. Staatschef Anote Tong befürchtet, dass ein Teil der 100.000 Einwohner bereits in den nächsten zehn Jahren umziehen muss.

In Tuvalu, das in der Nähe der Fidschi-Inseln liegt, werden erste Anstrengungen für ein Umsiedlungsprogramm unternommen. In 25 bis 30 Jahren könnten die ersten flachen Korallen-Atolle der Inselgruppe unbewohnbar sein, in 50 Jahren ist Tuvalu nach Experten-Meinung vermutlich von der Weltkarte verschwunden.

Die Regierung hat deshalb vorsorglich für die 11 700 Bewohner Asyl in Neuseeland und Australien beantragt. Australien hat abgelehnt, Neuseeland ist immerhin bereit, jährlich 75 Tuvalesen aufzunehmen.

Wer die Umzüge bezahlen soll, ist nicht geklärt, es gibt noch keine völkerrechtliche Regelung für Klima-Flüchtlinge. Umwelt-Organisationen fordern, dass für diese Menschen ein Fonds gegründet werden soll, in den Staaten je nach ihren Treibhausgas-Emissionen einzahlen sollen.

Australien, Nachbar der Insel-Staaten, ist übrigens ein großer Umweltsünder: Pro Kopf produzieren die Australier neben den US-Amerikanern das meiste Kohlendioxid.

© SZ vom 25.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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