Lauwarme Temperaturen in der Arktis, Kälte-Einbrüche in Nordafrika, Schnee in Oman, Hitzewellen in Australien: Das Wetter auf der Erde hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten so einiges einfallen lassen. Das kann Zufall sein. Es kann aber auch sein, dass hinter dem Chaos mal wieder der Mensch steht. Darauf hat die Welt-Meteorologie-Organisation WMO am Dienstag mit Nachdruck hingewiesen.
"Wir sehen bemerkenswerte Veränderungen rund um den Planeten, welche an die Grenzen von unserem Verständnis des Klimasystems gehen", sagte David Carlson, Direktor des Welt-Klimaforschungsprogramms der WMO. "Wir sind jetzt auf wirklich unerforschtem Territorium." Vor allem die Arktis beunruhigt die Meteorologen. Schon drei Mal in diesem Winter wurden dort regelrechte Hitzewellen beobachtet. Sie trieben die Temperaturen mitten in der Polarnacht in die Nähe des Schmelzpunktes - normal sind während dieser Zeit Temperaturen weit im zweistelligen Minusbereich. Die WMO betont auch, dass die Veränderungen diversen Forschungsarbeiten zufolge die Strömungsmuster in den Ozeanen und in der Atmosphäre durcheinanderbringen können.
Die ungewöhnliche Wärme in der Arktis könnte kalte Luft bis weit in den Süden schaufeln
Tatsächlich diskutieren Klimaforscher seit Jahren lebhaft darüber, was die warme Arktis und die immer kleinere Packeis-Fläche mit dem Wetter auf der Welt anstellt. Viele Forscher haben Studien veröffentlicht, die Wärme und Eismangel in der Arktis mit Kälteeinbrüchen weiter südlich in Verbindung bringen. Dafür gibt es mehrere Mechanismen: Die ungewöhnliche Wärme könnte Winde verändern, so dass mehr arktische Kaltluft nach Sibirien oder Europa geblasen wird. Andererseits könnte der Wärmeschock aus dem eisfreien Teil der Arktis den Polarwirbel schwächen, ein Band steter Winde, die sich weit oben in der Stratosphäre um den Nordpol drehen. Das wiederum könnte ein Grund dafür sein, dass die eine Etage tiefer um die Nordhalbkugel wehenden Winde des Jetstream immer öfter große Schlangenkurven bilden. In diesen Ausbuchtungen kann kalte Luft nach Süden geschaufelt werden, und warme nach Norden.
"Für mich gibt es keinen Zweifel, dass die Vorgänge in der Arktis die Zirkulation in Ozean und Atmosphäre beeinflussen", sagt Rüdiger Gerdes vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Andere Wissenschaftler sind noch nicht ganz überzeugt. Immerhin gab es Kältewellen auch schon lange bevor der Mensch begann, in der Atmosphäre herumzupfuschen.
Damit jedenfalls, das steht fest, hat es noch lange kein Ende. Jüngsten Daten der US-Klima- und Ozeanbehörde NOAA zufolge nahm die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre 2016 fast so stark zu wie 2015, als der Anstieg höher war als je zuvor gemessen. Die Treibhausgas-Emissionen stagnierten zuletzt zwar, aber das auf rekordhohem Niveau. Und womöglich ist der angerichtete Schaden bereits größer als gedacht: Laut einer kürzlich in einem Ableger des renommierten Fachmagazins Science erschienenen Studie hat der Ozean deutlich mehr Wärme gespeichert als bisher angenommen. All das ist nicht nur für die WMO Grund zur Besorgnis.
Die Wärme-Ausdehnung des Wassers, zusammen mit schmelzendem Festland-Eis, hebt auch den Meeresspiegel an. Laut dem Klima-Bericht für das Jahr 2016, den die WMO am Donnerstag präsentieren will, steigt er derzeit meist um etwa drei Millimeter pro Jahr. Allein zwischen November 2014 und Februar 2016 waren es jedoch 15 Millimeter, der schnellste je gemessene Anstieg. Das dürfte allerdings auch an dem starken Klimaphänomen El Niño gelegen haben, welches das Wasser zusätzlich erwärmt hatte.