An wenigen Dingen kann man so deutlich die Veränderungen auf der Erde ablesen wie an der arktischen Meereisfläche. Alle paar Jahre gibt es im September, wenn die Fläche am geringsten ist, einen neuen Negativrekord. Schuld ist, natürlich, vor allem der Mensch. Oder etwa doch nicht?
Vor einigen Tagen haben US-Forscher im Fachblatt Nature Climate Change eine Studie veröffentlicht, die fast schon Entwarnung zu geben scheint. Demnach seien 30 bis 50 Prozent des Eisrückgangs seit 1979 auf natürliche Schwankungen zurückzuführen. Das klang fast, als sei alles halb so wild mit dem CO₂-Ausstoß, erst mal locker bleiben, die Erde macht ja sowieso, was sie will.
Nun hat aber auch hier der Mensch seine Hand im Spiel
Dem würden aber die wenigsten Wissenschaftler zustimmen. Das Team um Qinghua Ding von der University of California argumentiert, dass natürliche Schwankungen im Windmuster einen großen Anteil an der Eisschmelze hätten. Wind kann warme, feuchte Luft in die unteren Atmosphärenschichten transportieren, wodurch mehr langwellige Strahlung am Boden ankomme. Diesen Prozess modellierten die Wissenschaftler am Computer und kamen zum Schluss, dass er bis zu 60 Prozent zur Schmelze beigetragen haben könnte.
Nun hat aber auch hier der Mensch seine Hand im Spiel, weil der Klimawandel auch die Winde verändert. Diesen Anteil versuchte das Team um Ding wieder abzuziehen: Natürliche Schwankungen, schreiben sie schließlich, könnten für ungefähr 30 bis 50 Prozent des Rückgangs seit 1979 verantwortlich sein.
Diese Größenordnung ist aber weder präzise noch bewiesen. "Die Erkenntnis ist nicht neu, dass natürliche Schwankungen einen Einfluss haben", sagt Christian Haas vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Nur wie groß er ist, sei schwer zu sagen, man könne die verschiedenen Prozesse schwer trennen. Zumal es Wechselwirkungen gibt - viele Effekte verstärken sich gegenseitig, sodass manches ohne die Klimaerwärmung viel weniger Schaden angerichtet hätte. Wer ist dann schuld, Natur oder Mensch?
"Wie der Anteil natürlicher Ursachen aussieht, ist eher von akademischem Interesse", sagt Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Kilmafolgenforschung (PIK); für sehr groß hält er ihn nicht. Immerhin geht das Eis recht konstant zurück, die Septemberfläche hat sich schon fast halbiert. "Die Fläche schwankt natürlich etwas, aber der Trend weist seit Langem nach unten", sagt Levermann.
Eines immerhin ist eindeutig - die Erwärmung der Erde durch die Treibhausgas-Emissionen der Menschen wird das Eis noch lange weiter schrumpfen lassen. Und daran können auch natürliche Schwankungen nicht viel ändern.